Sozialinfo betrieb das Stellenportal bis Juni 2025 auf einem System, das in die Jahre gekommen war. Die Weiterentwicklung wurde immer schwieriger. Wir haben uns daher für eine grundlegende Modernisierung unserer IT-Plattform entschieden. In diesem Fokusartikel geben wir dir einen Einblick in dieses Projekt und teilen unsere Erfahrungen für deine eigenen IT-Vorhaben.
«Es war fast wie im Kontrollraum bei einer Mondlandung», scherzte unsere Fachperson C Saxer nach dem Go-Live des neuen Kund*innen-Portals am Abend des 30. Juni 2025.
Nach zwei Jahren intensiver Arbeit hatten wir es geschafft. Wir hatten unser neues IT-System in Betrieb genommen und konnten uns vom altgedienten TYPO3 verabschieden, auf dem unser Stellenportal seit 2011 gelaufen war.
Wie alles begann
Unser Geschäftsführer Thomas Brunner beauftragte mich kurz nach meiner Einstellung im Januar 2023 mit der Modernisierung unserer IT-Plattform. Er initiierte dieses Projekt mit einer grossen Portion Vertrauen und stellte mir nur eine Bedingung: «Die Suppe, die du einbrockst, musst du auch auslöffeln». Für mich die perfekten Rahmenbedingungen! Ich machte mich ans Werk.
Die Gesamterneuerung einer IT-Plattform ist eine grosse Investition. Entsprechend wichtig war, dass wir diese auf einer soliden Basis aufbauten. Ich habe daher das Rahmenwerk TOGAF gewählt, welches sich als Standard für die Erarbeitung von Unternehmensarchitekturen bewährt hat.
Was ist eine Unternehmensarchitektur?
Eine Unternehmensarchitektur ist vergleichbar mit dem Bauplan eines Hauses, aber für Unternehmen. Sie beschreibt, wie digitale Prozesse, Applikationen, Daten und Technologien zusammenspielen, damit das Ganze gut funktioniert und die strategischen Ziele erreicht werden können.
Nachdem wir dieses Rahmenwerk auf unsere Organisationsgrösse angepasst hatten, bewährte es sich als roter Faden über das ganze Projekt hinweg.
Ein halbes Jahr später waren die Architektur-Richtlinien erarbeitet und wir konnten eine gemeinsame Vision für die neue IT-Plattform in einem kollektiven Konsent-Entscheid verabschieden. Und auch einen passenden Namen für das Projekt hatten wir gefunden: «Vor-Sprung» bringt unsere Erwartungen an das Vorhaben gut zum Ausdruck.
Die ersten Schritte
Im Sommer 2023 starteten wir die Umsetzung. Das Projekt «Vor-Sprung» durchlief mehrere Phasen:

Meilensteine Vor-Sprung | Sozialinfo
In der bisherigen Architektur beruhten alle Prozesse unserer digitalen Plattform auf einer einzigen Software, dem Content Management System TYPO3. Für die neue IT-Plattform haben wir uns von dieser monolithischen Architektur verabschiedet. Wir setzen auf eine modulare Architektur in drei Schichten: Frontend (Website und Kund*innenportal), Backend und dazwischen eine Integrations-Schicht.

Architektur des Projekts Vor-Sprung | Sozialinfo
Im Frontend setzen wir auf Eigenentwicklung, weil es unser Kernprodukt ist, das unsere Kund*innen täglich nutzen. Im Backend haben wir uns für das Open-Source ERP Odoo entschieden, das wir mit eigenen Modulen erweitern.
Glossar
Die Begriffe unserer modularen Architektur kurz erklärt:
Frontend
Der sichtbare «vordere» Teil einer Software, mit dem Nutzer*innen direkt arbeiten. Im Frontend werden Daten nur angezeigt, aber nicht gespeichert.
Backend
Der unsichtbare «hintere» Teil einer Software, der Prozesse verarbeitet und Daten speichert. Das Backend wird nur durch Mitarbeitende der Geschäftsstelle benutzt.
ERP
Ein ERP («Enterprise Resource Planning») ist eine Software, die alle wichtigen Geschäftsprozesse eines Unternehmens wie z.B. Buchhaltung, Projektverwaltung, Verkauf oder Personalwesen in einem einheitlichen System integriert und verwaltet. Odoo ist eine der bekanntesten Open-Source ERP-Lösungen, die modular aufgebaut ist und Unternehmen ermöglicht, nur die benötigten Module zu nutzen und bei Bedarf zu erweitern.
Open Source und Digitale Souveränität
Erfahre, was hinter diesen Themen steckt, und wie sie zusammenhängen:
Was ist Open Source?
Open Source Software ist wie ein Kochrezept, das jeder einsehen, anpassen und verbessern kann. Der Programmcode ist öffentlich zugänglich, und eine Gemeinschaft von Entwickler*innen arbeitet gemeinsam daran weiter. Beispiele sind LibreOffice statt Microsoft Office oder Firefox statt Chrome.
Was ist digitale Souveränität?
Digitale Souveränität bedeutet, dass wir selbst über unsere digitalen Werkzeuge und Daten bestimmen können. Statt vollständig von grossen Tech-Konzernen abhängig zu sein, haben wir die Kontrolle darüber, welche Software wir nutzen, wie unsere Daten gespeichert werden und wer darauf zugreifen kann. Für den Sozialbereich ist das besonders wichtig, da wir oft mit sensiblen Informationen über die Menschen arbeiten, die wir betreuen.
Der Zusammenhang
Open Source ist ein wichtiger Baustein für digitale Souveränität. Wenn Sozialarbeiter*innen und ihre Einrichtungen Open Source Programme nutzen, machen sie sich unabhängiger von kommerziellen Anbietern. Sie können selbst entscheiden, wo ihre Daten gespeichert werden und können die Software an ihre spezifischen Arbeitsabläufe anpassen. Das schafft mehr Selbstbestimmung im digitalen Raum und schützt gleichzeitig die Privatsphäre der Klient*innen.
Diese Architektur bedeutete für das bestehende Team den Abschied von ihrer vertrauten TYPO3-Umgebung. Wir investierten das erste halbe Jahr in den Kompetenzaufbau und testeten kritische Elemente der neuen Plattform in kleinen Prototypen.
Da Odoo für uns noch Neuland war, engagierten wir mit Mint System einen Odoo-Partner, der uns fachlich beraten und unsere internen Entwickler fit machen konnte.
Der erste Meilenstein, die ersten Probleme
Der erste Meilenstein folgte am 1. Januar 2024. Wir wechselten unsere Buchhaltung auf Odoo. Dieser Termin war nicht verschiebbar, da unterjährige Buchhaltungswechsel einen erheblichen Mehraufwand bedeuten. Für die Rechnungsstellung war eine neue Schnittstelle zwischen dem bestehenden TYPO3-System und Odoo erforderlich.
Hier zeigte sich eine wichtige Lektion: Der fixe Terminzwang führte zu unzureichenden Testphasen. Zudem war das Team mit der neuen Technologie noch nicht ausreichend vertraut. Diese Umstände führten in den ersten Betriebsmonaten zu zusätzlichen Aufwänden in der IT, in der Buchhaltung und im Kund*innensupport. Beispielsweise konnte der erste Mahnlauf für ausstehende Rechnungen erst im April 2024 durchgeführt werden.
Da die Synchronisation zwischen TYPO3 und Odoo nicht stabil lief, entschieden wir uns zu einem Neubau der Schnittstelle mit der Automatisationsplattform N8N, welche wir als Open-Source Lösung selbst hosten. Diese Lösung bewährte sich und lief bis zur Ablösung von TYPO3 zuverlässig.
Entwicklung der Website
Parallel zu den Umstellungen im Backend liefen die Konzeption und Entwicklung der neuen Website. Wir nahmen dies zum Anlass für die Evaluation einer neuen Agentur und entschieden uns für die Zusammenarbeit mit Bold, welche das Design der neuen Website erstellt hat.
Die Entwicklung realisierten wir vollständig intern und durften dabei auf die grosse Erfahrung unserer Mitarbeitenden zählen, sei es die technische oder inhaltliche Konzeption und Umsetzung von Webseite und Kund*innenportal. Wir sind sehr stolz auf das Resultat.
Ursprünglich wollten wir im Herbst 2024 mit der neuen Website live gehen, aber im Sommer 2024 wurde klar, dass dies unrealistisch ist. Da wir hier – im Gegensatz zur Buchhaltung – keinen fixen Termin hatten, verschoben wir die Einführung auf den 11. Januar 2025. Dadurch verschafften wir uns mehr Zeit für die Entwicklung, die Migration des Contents und ein ausführliches Testen der neuen Website.
Die Einführung an jenem Samstag war begleitet von einer gewissen Anspannung und der Vorfreude, unsere Arbeit jetzt auch öffentlich zu zeigen. Es funktionierte alles einwandfrei und wir wurden sogar mit einem wunderbaren Thai-Curry von Thomas Brunner kulinarisch verwöhnt.
Migration der XML-Schnittstellen
Der nächste Meilenstein stand im März 2025 mit der Inbetriebname neuer XML-Schnittstellen an. Etwa ein Fünftel unserer Stelleninserate erreicht uns über diese automatisierten Kanäle von Vermittlungspartnern. Diese stellten wir in mehreren Schritten auf Odoo um. Auch diese Umstellung verlief weitgehend problemlos.
Das Kund*innenportal
Nun fehlte nur noch ein Element bis zur vollständigen Ablösung von TYPO3: Das Kund*innenportal. Und damit auch das Herz des ganzen Systems, mit dem wir als Organisation mehr als 80% unseres Umsatzes erwirtschaften.
Wir nahmen uns die dafür nötige Zeit und verstärkten das Projekt mit einer internen Co-Projektleiterin. Das IT-Team erstellte ein Test- und Monitoring-System, damit wir Probleme in der Produktion frühzeitig erkennen konnten und das MarKom-Team erstellte Anleitungsvideos für unsere Kund*innen.
Nach zwei ausführlichen Testrunden waren wir am 30. Juni 2025 bereit für den grossen Moment: Die Umstellung des Kund*innenportals auf Odoo gelang ohne nennenswerte Probleme. Dieser Erfolg war nur dank dem ausserordentlichen Engagement aller Beteiligten möglich – eine echte Teamleistung.
Ausblick
Das Projekt «Vor-Sprung» geht jetzt in die letzte Phase, die gegen aussen aber nicht mehr sichtbar sein wird. Wir werden nun nach und nach die verbleibenden Odoo-Module in Betrieb nehmen, damit wir zum Beispiel unsere Projekte, Spesen oder Newsletter ebenfalls auf dieser integrierten Plattform abwickeln können.
War es so anspruchsvoll wie eine Mondlandung? Vielleicht nicht ganz. Aber für Sozialinfo definitiv ein «Vor-Sprung».
Was wir gelernt haben
Nach den Sommerferien folgt eine Retrospektive mit dem ganzen Team.
Was uns jetzt schon klar ist:
- Methodisches Vorgehen ist entscheidend: Ein bewährtes Rahmenwerk wie TOGAF bietet Sicherheit bei komplexen Transformationen
- Interne Expertise aufbauen: Investitionen in Kompetenzentwicklung zahlen sich langfristig aus
- Realistische und flexible Zeitplanung: Fixe Termine nur setzen, wenn unbedingt nötig – sonst lieber Qualität vor Geschwindigkeit
- Externe Partnerschaften: Erfahrene Partner*innen können entscheidend zum Projekterfolg beitragen
- Teamarbeit: Grosse Transformationen gelingen nur mit dem Engagement aller Beteiligten
Wir sind für dich da
Stehst du vor ähnlichen Herausforderungen in deiner Organisation? Beschäftigen dich vielleicht auch folgende Themen:
- Steigende IT-Kosten bei sinkender Effizienz
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Dann melde dich bei uns. Wir teilen unser Know-How gerne und finden im gemeinsamen Gespräch heraus, wie wir dich bei diesen Herausforderungen unterstützen können.
Autor*in

David Brühlmeier
Lead IT
Sozialinfo