Der «Employee Life Cycle» ist ein Konzept aus dem Personalwesen, das auch sozialen Organisationen Impulse geben kann, um sich weiterzuentwickeln. Nicht zuletzt hilft es dabei, die professionsethischen Werte der Sozialen Arbeit auch innerhalb der Organisation zu verwirklichen.
In Kürze
Der Employee Life Cycle bietet einen strukturierten Rahmen, um alle Phasen der Mitarbeitendenerfahrung gezielt zu gestalten und zu verbessern.
Für Organisation, Führungskräfte und HR-Abteilungen ergeben sich daraus vielfältige Vorteile:
- Gezielte Förderung von Mitarbeitenden durch passende Massnahmen in jeder Phase
- Reduktion der Fluktuation und damit verbundener Kosten
- Effizienteres Recruiting durch weniger Fehlbesetzungen und geringere Kosten
- Steigerung von Produktivität und Arbeitsmotivation
- Höhere Mitarbeitendenzufriedenheit durch bessere Prozesse und Kommunikation
- Langfristige Bindung qualifizierter Fachkräfte an die Organisation
- Positives Arbeitgebendenimage, das neue Talente anzieht
Der Employee Life Cycle beschreibt ein strategisches Modell im Personalmanagement, das die einzelnen Stationen von Mitarbeitenden innerhalb eines Unternehmens systematisch abbildet – von der ersten Wahrnehmung der Arbeitgebendenmarke über die Bewerbung, Einstellung und Weiterentwicklung bis hin zum Austritt und möglichen späteren Re-Engagement. Die Lifecycle-Phasen werden dabei insbesondere aus der Perspektive der Mitarbeitenden sowie potenzieller Bewerber*innen betrachtet, um deren Erfahrungen und Erwartungen in den Mittelpunkt der personalstrategischen Massnahmen zu stellen. Ziel ist es, die Erfahrung der Mitarbeitenden in jeder Phase zu optimieren und damit sowohl die Mitarbeitendenbindung als auch deren Leistungsfähigkeit und Motivation nachhaltig zu stärken. Das sogenannte Employee Life Cycle Management unterstützt Personalverantwortliche dabei, passende Massnahmen entlang aller Phasen zu entwickeln und umzusetzen, um die Effizienz des HR-Bereichs zu steigern und eine positive Unternehmenskultur zu fördern.
Die sieben Phasen des Employee Life Cycles im Überblick
Der Employee Life Cycle lässt sich in sieben aufeinanderfolgende Phasen unterteilen, die sämtliche Kontaktpunkte zwischen Mitarbeitenden und Unternehmen abbilden – von der ersten Wahrnehmung bis über den Austritt hinaus. Diese ganzheitliche Betrachtung hilft, gezielte Massnahmen zur Mitarbeitendengewinnung, -bindung und -entwicklung entlang der gesamten Beschäftigungsdauer zu gestalten:
In dieser ersten, oft noch indirekten Phase geht es darum, als attraktive*r Arbeitgeber*in wahrgenommen zu werden. Employer Branding, authentische Kommunikation auf Social Media und Stellenportalen, positive Bewertungen auf Arbeitgeberportalen sowie Empfehlungen durch bestehende oder ehemalige Mitarbeitende prägen das Bild der Organisation nach aussen und ziehen passende Bewerber*innen an.
Nach der Einstellung beginnt die Eingliederung in die Organisation. Ziel ist es, neuen Mitarbeitenden einen reibungslosen Start zu ermöglichen, sie fachlich einzuarbeiten und sozial ins Team zu integrieren. Ein gelungenes Onboarding legt den Grundstein für langfristige Zufriedenheit und Motivation. Mängel in dieser Phase führen häufig zu frühzeitigen Kündigungen.
Auch nach dem Ausscheiden bleibt der Kontakt zu ehemaligen Mitarbeitenden von Bedeutung. Sie wirken als Markenbotschafter*innen, können die Organisation weiterempfehlen oder sogar zurückkehren (Boomerang Hiring). Alumni-Programme und gezielte Beziehungspflege stärken langfristig das Unternehmensnetzwerk.
Der Bewerbungsprozess ist der erste direkte Kontakt zwischen Bewerbenden und Organisation. Eine reaktionsschnelle und transparente Kommunikation, einfache Bewerbungswege, ein professionelles Auftreten im Vorstellungsgespräch sowie strukturierte Auswahlverfahren tragen dazu bei, ein positives erstes Erlebnis zu schaffen.
Diese Phase zielt auf die kontinuierliche Qualifizierung und persönliche Entwicklung der Mitarbeitenden ab. Durch Weiterbildung, Mentoring, individuelle Entwicklungspläne und transparente Karrierewege fördert die Organisation das Potenzial seiner Belegschaft und trägt zur Erreichung gemeinsamer Ziele bei.
Um Fachkräfte dauerhaft in der Organisation zu halten, sind Massnahmen zur Mitarbeitendenbindung entscheidend. Dazu zählen Anerkennung, Feedbackgespräche, Aufstiegschancen, flexible Arbeitsmodelle sowie ein wertschätzendes Arbeitsumfeld. Ziel ist es, die Motivation hochzuhalten und den Verlust von Know-how zu vermeiden.
Trennungen können viele Ursachen haben – ob Kündigung, Ruhestand oder einvernehmlicher Abschied. Ein strukturierter Offboarding-Prozess, der respektvoll und professionell gestaltet ist, hinterlässt einen positiven letzten Eindruck. Exit-Interviews bieten zudem wertvolle Hinweise zur Verbesserung der Mitarbeitendenzufriedenheit.
Potenzial für soziale Organisationen
Aline Kaufmann und Olivier Rode sind verantwortlich für das Kompetenzfeld Arbeitsmarkt bei Sozialinfo. Im Interview sprechen sie über den Nutzen des Modells Employee Life Cycle für Organisationen im Sozialbereich.
Was überzeugt euch am Konzept des Employee Life Cycle?
Olivier: Das Modell bildet den gesamten Weg einer mitarbeitenden Person systematisch ab, vom ersten Kontakt bei der Arbeitssuche, bis sie die Organisation verlässt und zur Alumna wird. Der ganze Zyklus wird aus Sicht der Mitarbeitenden und ihrem Erleben betrachtet. Das ermöglicht, Prioritäten zu setzen und die verschiedenen Massnahmen besser aufeinander abzustimmen.
Aline: Aus sozialarbeiterischer Perspektive überzeugt mich besonders, dass das Modell den Menschen, der in die Organisation eintritt, – ganz im Sinne der Sozialen Arbeit – sowohl in seiner Gesamtheit als auch in seiner Individualität betrachtet. Es spiegelt zudem eine Sicht auf Organisationen wider, die deren Gestaltungsmacht betont, da es davon ausgeht, dass sie in der Lage sind, die Mitarbeitendenzufriedenheit von Anfang an bis zum Ende wirkungsvoll zu beeinflussen und zu gestalten.

Aline Kaufmann
Produktmanagement Arbeitsmarkt
Sozialinfo

Olivier Rode
Produktmanagement Arbeitsmarkt
Sozialinfo
Weshalb ist es für Organisationen der Sozialen Arbeit relevant, sich mit solchen Fragen zu befassen?
Aline: Der Fachkräftemangel und neue Anforderungen – vor allem durch die Generation Z – machen deutlich: Arbeitgebende im Sozialbereich müssen sich heute mehr denn je um ihre Mitarbeitenden bemühen. Der Employee Life Cycle unterstützt eine erhöhte Achtsamkeit und Wertschätzung für Mitarbeitende, was sich positiv auf die Mitarbeitendenbindung und die Reputation der Organisation auswirkt. Zudem gehört dies zu einer wertschätzenden Führungskultur, die sich auch darin zeigt, dass zeitliche Ressourcen für Mitarbeitende bewusst eingeplant werden. Eine solche Haltung würdigt die zentrale Rolle der Mitarbeitenden für den Erfolg und die Dienstleistungsqualität in Organisationen - was letztlich auch einen spürbaren Mehrwert für die Adressat*innen schaffen kann.
Olivier: Dass Mitarbeitende einer Organisation kommen und gehen, ist ganz normal. Das Modell des Employee Life Cycle hilft uns zu verstehen, was in jedem einzelnen Schritt geschieht und eröffnet so die Möglichkeit, das «Wie» gezielt zu beeinflussen. Bei hoher Fluktuation lässt sich beispielsweise der gesamte Prozess analysieren, um Bruchstellen aufzudecken und Verantwortlichkeiten für die Optimierung der jeweiligen Phase klar zu benennen.
Haben soziale Organisationen aufgrund der professionellen Kommunikationskompetenzen Vorteile in Bezug auf die Behandlung ihrer Mitarbeitenden?
Aline: Ja, die erforderlichen Kommunikationskompetenzen sind grundsätzlich vorhanden. In der Sozialen Arbeit verfolgen wir hohe fachliche und ethische Ansprüche in der Zusammenarbeit mit Klient*innen. Viele Einrichtungen verfügen über fundierte Konzepte und Methoden – etwa im Hinblick auf gender- und diversitätsgerechte Sprache sowie auf Ressourcen- und Lösungsorientierung. Es besteht aber die Gefahr, dass durch den berechtigten Fokus auf Klient*innen sowie die oftmals hohe Arbeitsbelastung der Blick nach innen vernachlässigt wird. In der Mitarbeitendenführung können so blinde Flecken entstehen. Sozialarbeitende, die sich beispielweise für Chancengerechtigkeit engagieren, sollten auch innerhalb ihrer Organisation Gleichstellung erfahren. Damit solche Werte auf organisationaler Ebene glaubwürdig gelebt werden können, ist eine wertekohärente Haltung erforderlich. Diese bedeutet, dass Mitarbeitende auf dieselbe respektvolle und wertschätzende Weise behandelt werden, wie es im Umgang mit den Klient*innen gefordert wird. Ein Konzept wie der Employee Life Cycle kann Organisationen dabei unterstützen.
Gibt es Phasen, die in Organisationen der Sozialen Arbeit bereits heute besonders gut beachtet werden?
Aline: Für die Phasen Attraction und Recruiting ist heute bei vielen sozialen Organisationen ein hohes Bewusstsein da. Sie wissen, wie wichtig eine überzeugende Aussendarstellung und zeitgemässe Arbeitsbedingungen im Wettbewerb um Fachkräfte sind. Im Bereich Onboarding lassen sich positive Entwicklungen beobachten. Dennoch zeigen Befragungen, dass hier nach wie vor grosse Unterschiede bestehen – sowohl in der Qualität als auch in der Systematik des Einarbeitungsprozesses. Ein gutes Onboarding hat nachweislich zahlreiche positive Effekte auf Unternehmen und neue Mitarbeitende.
Seht ihr Phasen des Modells, wo sich der Sozialbereich noch verbessern könnte?
Aline: Neuere Forschungen zeigen, dass das Problem weniger darin besteht, Fachkräfte zu gewinnen, sondern darin, sie zu halten. Inmitten hoher Fallzahlen und dem hektischen Arbeitsalltag kann bei Organisationen schnell vergessen gehen, dass sie sich darum bemühen müssen, für ihre Mitarbeitenden attraktiv zu bleiben, und dass sie ihre Mitarbeitenden gezielt in ihrer persönlichen und beruflichen Entwicklung unterstützen müssen. Aus diesem Grund sehe ich in den Phasen Development und Retention grosses Potenzial, um die langfristige Bindung von Mitarbeitenden zu stärken.
Olivier: Man kann sich den Prozess wie einen Trichter vorstellen: Je später ein Schritt folgt, umso weniger Aufmerksamkeit erhält er. Viele soziale Organisationen investieren zwar in Employer Branding und Recruitment, doch bereits beim Onboarding gibt es häufig Lücken und in den folgenden Phasen fehlt oft ein klarer roter Faden. Zum Beispiel sollte auch der Austritt aktiv gestaltet werden. Ein Paradebeispiel dazu ist, einer Person, die gekündigt hat, das Gefühl zu vermitteln, dass sie sich gerne wieder melden darf, falls es mit der neuen Stelle nicht funktioniert. Das trauen sich ehemalige Mitarbeitende oft gar nicht, dabei könnten ein wertschätzendes Offboarding, eine gelebte Alumni-Kultur echte Win-Win Situationen schaffen. So muss eine Kündigung nicht das Ende, sondern kann, im Sinne von «Boomerang Hiring», der Beginn eines neuen Kreislaufs markieren, wenn jemand mit zusätzlichen Erfahrungen zurückkehrt und frischen Schwung in die Organisation bringt.
Was brauchen Organisationen, um das verwirklichen zu können?
Aline: Führungskräfte spielen eine zentrale Rolle, wenn es darum geht, die Arbeitgebendenattraktivität sowie die Zufriedenheit der Mitarbeitenden sicherzustellen. In grösseren Organisationen werden sie dabei häufig durch spezialisierte HR-Fachpersonen unterstützt. In kleineren Einrichtungen hingegen fehlt diese Ressource oft – zumal Führungspersonen in der Sozialen Arbeit nicht automatisch über personalwirtschaftliche Kompetenzen verfügen. Umso wichtiger ist es, dass sie Interesse zeigen und die Bereitschaft mitbringen, sich aktiv mit Fragen guter Personalführung und -entwicklung auseinanderzusetzen. Dies bildet den ersten und entscheidenden Schritt zu einer nachhaltigen Mitarbeitendenbindung. Eine wichtige Voraussetzung dafür ist, dass zeitliche Ressourcen für das strategische Management im Rahmen des Employee Life Cycle bewusst eingeplant und als fester Bestandteil organisatorischer Prozesse verankert werden.
Olivier: Ich glaube auch, dass das Wichtigste ist, sich als Gesamtorganisation auf den Weg zu machen. Der Employee Life Cycle kann einen hilfreichen Orientierungsrahmen bieten, um sich über die verschiedenen Schritte bewusst zu werden und zu schauen: Was haben wir schon und was fehlt uns noch?
Was könnt ihr vom Kompetenzfeld Arbeitsmarkt dazu beitragen?
Olivier: Wenn man den ganzen Prozess anschaut, wird schnell klar, dass unterschiedliche Rollen beteiligt sind. Employer Branding liegt häufig beim Marketing, der Rekrutierungsprozess beim HR und das Onboarding bei der Linie oder direkt beim Team. Das Modell macht die spezifischen Herausforderungen jeder einzelnen Phase sichtbar. Es liefert eine Art Landkarte, die klar aufzeigt, welche Akteure wann Verantwortung tragen, wo Übergaben stattfinden und wo konkrete Handlungs- sowie Verbesserungspotenziale liegen. Unser Anspruch ist es, dafür passgenaue Lösungen zu bieten, sei es durch Fokusartikel, Optimierungen unseres Stellenportals oder auch Dienstleistungen wie etwa das Angebot «Stelleninserate optimieren». Dabei versuchen wir immer, die Organisationen des Sozialen Bereichs dort abzuholen, wo sie gerade sind, und ihnen grundlegendes Know-how zu vermitteln.
Autor*in

Martin Heiniger
Fachredaktion
Sozialinfo