Soziale Organisationen sind durch die digitalen Möglichkeiten aufgefordert, ihre Angebote und Leistungen zu überprüfen und gegebenenfalls weiterzuentwickeln. Die Basis dafür sind Informationen über den konkreten Bedarf der relevanten Zielgruppen.
Gesellschaftliche Veränderungen beeinflussen die Lebenswelt von Menschen und bringen ganz unterschiedliche gesellschaftliche, strukturelle und individuelle Herausforderungen hervor. Das gilt auch für den Einfluss, welcher der digitale Wandel hat.
Solche Veränderungen fordern von sozialen Organisationen mindestens von Zeit zu Zeit eine Überprüfung, ob die Leistungsangebote noch dem aktuellen Bedarf entsprechen. Eine solche Überprüfung kann allenfalls aufdecken, dass spezifische Angebote fehlen – beispielsweise wenn sich neue soziale Problemlagen zeigen oder bestehende sich akzentuiert haben. Dann sind Anpassungen notwendig, um wieder eine gute Passung zwischen dem Bedarf und den Angeboten herstellen zu können.
Wie gut kennen Sie Ihre Adressat*innen?
Wie bei analogen Angeboten ist es auch für die Entwicklung digitaler Angebote wesentlich, die relevanten Zielgruppe(n) gut zu kennen. Jedoch sind – je nach Arbeitsfeld und Zielgruppen – die benötigten Informationen im digitalen Bereich bisher weit weniger flächendeckend vorhanden oder werden noch nicht genutzt.
Um ihre Leistungsangebote zielgerichtet weiterentwickeln zu können, benötigt eine Organisation Einsichten in die digitale Lebenswelt ihrer Zielgruppen. Dazu gehören Kenntnisse über digitale Kompetenzen, denn diese liefern den sozialen Organisationen wichtige Hinweise auf welchen Kanälen die Adressat*innen ansprechbar sind, mit welchen Tools sie allenfalls vertraut sind und über welche Infrastruktur sie verfügen. Dabei kann und muss im Blick behalten werden, welcher Teil der Adressat*innen mit digitalen Angeboten besonders gut oder gar nicht erreicht werden kann. Zudem gilt es zu berücksichtigen, ob soziale oder gesundheitliche Indikatoren (z.B. kognitive Beeinträchtigungen) Einfluss nehmen.
Je besser eine soziale Organisation ihre Adressat*innen kennt, desto eher gelingt es, den konkreten, aktuellen Bedarf zu eruieren und ihre Angebote darauf abzustimmen.
Das Wichtigste in Kürze
Für die Entwicklung digitaler Angebote & Leistungen sind Kenntnisse über die Ausstattung (IT-Infrastruktur), die digitalen Kompetenzen, das Nutzungsverhalten und die digitale Lebenswelt der Adressat*innen relevant. Der Ansatz des «User_Involvements» bezieht die Betroffenen in den Entwicklungsprozess ein.
Erkenntnisse über den Bedarf gewinnen
Um den konkreten Bedarf zu erkennen, gilt es deshalb, in einem ersten Schritt die benötigten Informationen zur Zielgruppe zusammenzutragen. In manchen Organisationen liegen bereits bestimmte nutzbare Daten vor. So liefern Informationen zur Nutzung des bestehenden Angebotes gleichzeitig Hinweise, welchen Teil der Zielgruppe aktuell nicht erreicht wird. Damit kann in einem nächsten Schritt überprüft werden, ob die Erreichbarkeit mit digitalen Angeboten erhöht werden kann. Ebenso sind Informationen zur IT-Ausstattung und zu den digitalen Kompetenzen und zum Nutzungsverhalten sinnvoll.
Wenn grundlegende Informationen ganz oder teilweise fehlen, können die Informationen bei den relevanten Anspruchsgruppen (z.B. Adressat*innen, finanzierende Stellen, eigene Mitarbeiter*innen) erhoben werden. Die Art und Weise wie die Informationen gewonnen werden, ist an die jeweilige zu befragende Personengruppe anzupassen. Um Informationen zu gewinnen, kommen Instrumente in Frage wie beispielsweise: Fragebögen (digital oder analog), Einzelinterviews (z.B. anhand von Leitfragen), Gruppendiskussionen oder Workshops sowie Testings, in welchen die Nutzung beobachtet und Nutzer*innen zu Vor-/Nachteilen befragt werden.
In einem nächsten Schritt sind die vorliegenden Informationen zu analysieren, um herauszufinden, bei welchen Angeboten eine digitale Anpassung sinnvoll oder notwendig ist. Daraus lassen sich Zielsetzungen und Massnahmen für die Umsetzung ableiten. Gerade wenn personelle und finanzielle Ressourcen für Veränderungsprojekte in einer sozialen Organisation knapp sind, ist es sinnvoll, die Massnahmenpakete für die Umsetzung in kleinere Teilprojekte aufzuteilen.
Nicht zu vernachlässigen ist die Evaluation: Wenn ein (neues) digitales Angebot lanciert ist, ist eine Überprüfung nach einer gewissen Zeit sinnvoll. Damit wird sichergestellt, dass die Angebotsentwicklung die Zielgruppe(n) auch tatsächlich erreicht und es können nachträgliche Verbesserungen vorgenommen werden.
Bedarfsinformationen nachhaltig nutzen
Ein wichtiger Faktor im Hinblick auf die Angebotsentwicklung ist das Tempo der technologischen Entwicklung. Soll die Passung zwischen den konkreten Angeboten und dem Bedarf der Anspruchsgruppen nachhaltig hergestellt werden, ist eine regelmässige Evaluation beinahe zwingend, wenn man relevante Veränderungen nicht verpassen will. Wenn eine soziale Organisation sich konsequent dem Thema zuwendet, sollten gleichzeitig Überlegungen dazu angestellt werden, wie Erkenntnisse zum Bedarf und den Veränderungen systematisch gewonnen und für die Angebotsentwicklung genutzt werden können – nicht nur für die digitalen Angebote.
- Chiapparini, Emanuela; Eicher, Véronique (2019). Der Ansatz User Involvement in der Sozialen Arbeit – Anknüpfungspunkte für Praxis-, Forschungs- und Ausbildungsprojekte in der Schweiz Schweizerische Zeitschrift für Soziale Arbeit(24.18), S. 117-134. Seismo
- Einbezug von Adressat*innen (abgeschlossenes Forschungsprojekt der ZHAW
- JAMES-Studie: Medienumgang von Jugendlichen in der Schweiz
- digiMONITOR: Studie Mediennutzung Schweiz (Zusammenfassung kostenlos)
- statista.com: Markt-/Nutzungsdaten (mehrheitlich kostenpflichtig und für privatwirtschaftlichen Sektor)
- Bundesamt für Statistik: Statistiken im Bereich Medien und Informationsgesellschaft
Autor*in

Christine Mühlebach
Produktmanagement Digitalisierung
E-Mail: christine.muehlebach@sozialinfo.ch

Christine Mühlebach
Mit der Entwicklung von neuen digitalen Tools und der Diversifizierung von Kommunikationskanälen erweitern sich die Möglichkeiten der Organisationen und Fachpersonen des Sozialwesens, mit ihren verschiedenen Anspruchsgruppen zu interagieren. Gleichzeitig beeinflussen die gesellschaftlichen Veränderungen im Zusammenhang mit der Digitalisierung die Bedürfnisse und das Verhalten der Menschen. Das betrifft auch die Adressat*innen der Sozialen Arbeit.
Was für analoge Angebote gilt, ist im digitalen Kontext genauso wichtig: Eine gute Passung herzustellen zwischen den Leistungen und Angeboten der sozialen Organisationen und dem konkreten Bedarf der jeweiligen Zielgruppe(n).
Diesen Bedarf zu (er)kennen, ist nicht immer ganz einfach. In unserem aktuellen Beitrag geben wir deshalb einen Einblick ins Thema Bedarfsanalyse.