Wie wirkt mein sozialarbeiterisches Handeln? Das zu evaluieren, ist keine triviale Angelegenheit. Trotz bestehenden Hindernissen lohnt sich die Auseinandersetzung mit dieser Frage. Der Beitrag liefert, nebst Pros und Contras, konkrete Anhaltspunkte, die dabei helfen.
Vielleicht haben Sie sich auch schon gefragt, warum Ihre geplante Intervention in einem Stadtteil wirkt und im anderen nicht. Oder warum Sie zusammen mit Klientin Meyer die gemeinsam gesetzten Wirkungsziele erreichen, nicht aber zusammen mit Klient Flückiger. An dieser Stelle kommt schnell die Frage nach der Wirkung ins Spiel, mit der Sie sich – je nach Organisation und Intervention – beschäftigen dürfen oder sogar müssen. Sich mit der Wirksamkeit des eigenen Handelns oder der Wirksamkeit von Interventionen zu befassen, gehört sicherlich zu den anspruchsvolleren Herausforderungen des Berufslebens.
Wirkung in der Sozialen Arbeit
Gewiss, wir sind nicht die ersten Autor*innen, die sich mit diesem nicht ganz trivialen Thema – Wirkungen in der Sozialen Arbeit – beschäftigen. Je nach Autor*innenschaft kann das Thema schnell einseitig werden. Manche fordern, dass Wirkungen nur mit bestimmten (meist recht anspruchsvollen) statistischen Verfahren gemessen werden sollen, andere dagegen behaupten, dass man – egal, was man beruflich macht – Wirkungen gar nicht feststellen kann und die Frage nach Wirkungen die Profession der Sozialen Arbeit untergraben würde. Fest steht, dass es keinen «One size fits all»-Ansatz gibt, um Wirkungen in der Sozialen Arbeit sichtbar zu machen und möglicherweise noch Ursachen für diese Wirkungen unter die Lupe zu nehmen. Wenn Sie sich mit diesem Thema beschäftigen, ist es erst einmal nützlich, sich die Pro- und Contra-Argumente dafür vor Augen zu führen.
Was es bringt, Wirkungen zu verstehen
Es gibt mehrere Gründe, warum es sinnvoll sein kann, über die Wirkung von Interventionen bzw. des eigenen Handelns Bescheid zu wissen.
- Reflexion und Lernen: Indem sie die Wirkung ihres Handelns verstehen, sind Fachkräfte in der Lage, ihre eigenen Fähigkeiten und Interventionen zu reflektieren und kontinuierlich zu lernen. Sie sehen, was gut funktioniert und was nicht, und sie können ihre Interventionen entsprechend anpassen und verbessern. Diese Lernprozesse können zudem auch auf Organisationsebene initiiert werden.
- Qualität verbessern: Das Bewusstsein über die Wirkungen von Interventionen kann Fachkräften helfen, die Qualität ihres beruflichen Tuns zu verbessern. Verstehen sie die Ergebnisse ihrer Intervention, können sie den Bedürfnissen ihrer Zielgruppen gerecht werden.
- Effektivität steigern: Wenn eine Wissensbasis die Einschätzung erlaubt, welche Handlungen die gewünschten Ergebnisse erzielen und welche nicht, können Organisationen Ressourcen effektiver einsetzen und die Arbeitsabläufe verbessern.
- Rechenschaftspflicht und Transparenz: Ein Bewusstsein über die Wirkung von Interventionen unterstützt die Rechenschaftspflicht gegenüber Zielgruppen, Arbeitgebenden, Finanzierenden und der Öffentlichkeit. Indem Fachkräfte die Wirkungen ihres Handelns sichtbar machen, stärken sie ihre Legitimität.
So weit, so gut. Doch da gibt es noch die andere Seite, die bei einer Pro-und-Contra-Abwägung unerlässlich ist. Welche Gründe sprechen allenfalls dagegen, sich mit Fragen nach Wirkungen zu beschäftigen?
Hindernisse und Herausforderungen, die diese Auseinandersetzung erschweren können
- Zeit- und Ressourcenmangel: Wenn Organisationen Wirkungen sichtbar machen wollen, erfordert das in der Regel Zeit, Geld und andere Ressourcen. Vor allem für Organisationen mit begrenzten Budgets und personellen Ressourcen kann es schwierig sein, zusätzliche Mittel für Evaluationen bereitzustellen.
- Komplexität der Wirkung: Soziale Probleme und Interventionen in der Sozialen Arbeit sind per se oft komplex und mehrdimensional, sodass ihre Lösungen auch langfristige und indirekte Effekte haben können, die schwierig nachzuweisen sind.
- Widerstand gegen Evaluation: Fachkräfte und Organisationen zeigen teilweise Widerstand gegen die Durchführung von Wirkungsevaluationen, entweder aus der Befürchtung vor negativen Ergebnissen oder aus der Überzeugung heraus, dass die Wirkung ihrer Interventionen per se nicht in Frage zu stellen ist.
- Ethik und Datenschutz: Wirkungen sichtbar machen zu wollen, kann ethische Fragen aufwerfen, insbesondere im Hinblick auf den Schutz der Privatsphäre und Vertraulichkeit von Klient*innendaten. Evaluationen sind an ethische Standards gebunden und haben grundsätzlich die Rechte der Klient*innen zu respektieren.
- Unsicherheit über Methoden: Die Auswahl und Anwendung von Evaluationsmethoden erfordern Fachwissen und Erfahrung. Über diese Methodenkompetenz und die entsprechenden Instrumente verfügen nicht alle Fachkräfte und Organisationen.
- Kurzfristige Denkweise: Fachkräfte und Organisationen der Sozialen Arbeit können dazu neigen, sich auf kurzfristige Ergebnisse zu konzentrieren und langfristige Wirkungen zu vernachlässigen. Leistungsaufträge, die auf kurzfristige Ziele ausgerichtet sind, verstärken dies. Das kann dazu führen, dass es als zweitrangig angesehen wird, Wirkungen sichtbar zu machen.
Trotz diesen Herausforderungen können die Vorteile überwiegen. Fachkräfte und Organisationen sind gefordert, Strategien zu entwickeln, um diese Hindernisse zu überwinden.
Was können Sie tun?
Sich mit Wirkungen des eigenen Handelns bzw. Interventionen in der eigenen Organisation zu beschäftigen, lohnt sich mehr als genug. Wir laden Sie ein, die folgende Checkliste durchzugehen, um zu sehen, wo Sie im Moment stehen. Die Fragen helfen Ihnen dabei, Ansatzpunkte zu erkennen. Die einzelnen Punkte bauen aufeinander auf. Dort, wo sie mit Nein antworten, lohnt es sich für Sie, über nächste Schritte nachzudenken.
Checkliste mit zwölf Punkten
- Mir ist klar, was der Begriff «Wirkungen von Interventionen meiner Organisation» beinhaltet.
- Mir ist klar, warum sich meine Organisation mit Wirkungen von Interventionen beschäftigt.
Organisationen initiieren Wirkungsevaluationen aufgrund gesetzlicher Vorgaben, Zertifizierungsanforderungen oder interner Bedarfe nach professionellen Problemlösungen. Diese Evaluationen dienen verschiedenen Verwendungsabsichten wie Entscheidungsfindung, Rechenschaftslegung, Verbesserung von Interventionen oder Wissensgenerierung. - Wir haben intern genügend Ressourcen, um eine Wirkungsevaluation durchzuführen.
- Die Fragestellungen für eine Wirkungsevaluation bei uns sind mir klar.
- Für unsere Interventionen ist bereits ein Wirkungsmodell erstellt.
Wirkungsmodelle fördern den Prozess des wirkungsorientierten Denkens. Sie werden meist visuell durch Diagramme oder Flussdiagramme dargestellt. Wirkungsmodelle unterstützen Fachkräfte und Organisationen, klare Wirkungsziele zu definieren und komplexe Wirkungszusammenhänge besser zu verstehen, zu planen, zu evaluieren und zu kommunizieren. - Die Wirkungsziele bei unseren Interventionen sind mir völlig klar.
Wirkungsziele repräsentieren die angestrebten Wirkungen oder Ergebnisse, die durch eine Intervention erreicht werden sollen. Sie sind zentrale Kriterien, um die Interventionen in der Evaluation bewerten zu können. Es existieren verschiedene Herangehensweisen, um zu diesen Zielen zu gelangen. - Ich habe eine Idee, wie Wirkungsziele sichtbar werden.
- Ich möchte nicht nur wissen, was wirkt, sondern auch, warum es für unterschiedliche Zielgruppen wie wirkt.
- Qualitative und quantitative Evaluationsdesigns haben für mich den gleichen Stellenwert.
Das Evaluationsdesign ist von der Wahl des Evaluationsgegenstands, den Fragestellungen und dem Evaluationszweck abhängig. Es existiert eine breite Palette an Evaluationsdesigns, die von einer strengen Prüfung von Kausalannahmen bis zum partizipativen Einbezug der Adressat*innen reicht. - Qualitative und quantitative Evaluationsergebnisse haben für mich den gleichen Stellenwert.
- Mir ist klar, wie ich und meine Organisation die Evaluationsergebnisse sinnvoll nutzen können.
Wir bestimmen bereits in der Planungsphase, wer die Ergebnisse wie nutzen wird. Mit dem Interesse der Entscheidungsträger*innen sowie der engen Zusammenarbeit zwischen Evaluierenden und Evaluierten können wir die Ergebnisse intensiv nutzen. - Wir möchten die Wirkungen unserer Intervention monetarisieren können.
Nachdem Sie anhand der Checkliste sehen, wo bei Ihnen oder Ihrer Organisation Bedarf besteht, können Sie weitere Schritte planen. Informationen und Unterstützung erhalten Sie beispielsweise in Weiterbildungsangeboten, durch Beratung oder in entsprechender Literatur (siehe Box). Für allfällige Rückfragen stehen wir Ihnen gerne zur Verfügung und freuen wir uns darüber, wenn Sie direkt mit uns Kontakt aufnehmen.
Literatur zum Thema
Baumgartner, E. / Haunberger, S.: Wirkungsevaluationen in der Sozialen Arbeit. Ein Orientierungsbuch für die Praxis
Die Autor*innen beschäftigen sich schon lange mit Fragen zur Wirkung Sozialer Arbeit. Sie vertreten keine Extrempositionen bezüglich der Art und Weise, wie Wirkungen sichtbar gemacht werden können, sind aber, dass es sich mehr als lohnt, sich mit Wirkungen des eigenen Handelns zu beschäftigen. Hiervon handelt das Buch, das bewusst als Orientierungsbuch für die Praxis gestaltet ist.

Buchcover "Wirkungsevaluationen in der Sozialen Arbeit" | Haupt Verlag
Autor*innen

Prof. Dr. Sigrid Haunberger
Dozentin und Projektleiterin
E-Mail: sigrid.haunberger@zhaw.ch

Prof. Dr. Edgar Baumgartner
Institutsleiter, Institut Professionsforschung und -entwicklung
E-Mail: edgar.baumgartner@fhnw.ch

Martin Heiniger
Was motiviert mehr zum Handeln, als die Gewissheit, damit ein gesetztes Ziel zu erreichen? In der Individualpsychologie wurde dafür der Begriff der “Selbstwirksamkeit” geprägt. Man versteht darunter die Überzeugung, eine Handlung erfolgreich ausführen zu können.
Analoges gilt für professionelles Handeln. Soziale Arbeit ist oft anspruchsvoll und verlangt den Fachpersonen grossen Einsatz ab. Umso wichtiger ist die Überzeugung, damit tatsächlich etwas zu bewegen. Sozialarbeiterisches Handeln oder Angebote auf ihre Wirkung hin zu evaluieren, kann hierüber Aufschluss geben.
Im aktuellen Fokusbeitrag erörtern unsere Gastautor*innen, welche weiteren Gründe Wirkungsevaluation lohnend machen, aber auch welche Hürden es dabei gibt.