Wie wichtig sind Soft Skills auf dem Stellenmarkt des Sozialwesens? Welche werden in Stellenausschreibungen am häufigsten gefordert? Antworten auf diese Fragen liefern Stelleninserate und Gespräche mit Personalverantwortlichen.
Zehnter Monitor des Stellenmarktes im Sozialwesen der Schweiz
«Bei uns zählt, was Sie können, nicht unbedingt, welches Papier Sie besitzen.» Dieser Satz steht in einem Stelleninserat, das im Jahr 2018 auf Sozialinfo veröffentlicht wurde. Papiere bzw. zertifizierte Ausbildungsabschlüsse belegen die sogenannten Hard Skills, also Sachkenntnisse und Fachkompetenzen, die in der Schule oder in der beruflichen Ausbildung erlernt werden. Soft Skills, zu denen beispielsweise Persönlichkeitseigenschaften, individuelle Begabungen, Tugenden und Werthaltungen gehören, sind hingegen mehrheitlich fachunspezifisch und nicht mit Zertifikaten belegbar.1
Ausbildungen sind wichtig – Soft Skills auch
Das oben zitierte Inserat lässt vermuten, dass Ausbildungsabschlüsse bei Bewerbungen in den Hintergrund rücken und die tatsächlichen Kompetenzen und somit auch Soft Skills den Arbeitgebenden wichtiger sind. Bei einem Grossteil der Stellen gehören Ausbildungsabschlüsse jedoch durchaus zu den Grundanforderungen und sind teilweise eine zwingende Voraussetzung für eine Anstellung, wie uns Nicole Füllemann, Leiterin Dienste bei der Stiftung MBF, erklärt. Dennoch nehmen Soft Skills auf dem Stellenmarkt eine sehr wichtige Rolle ein. In der Stiftung MBF wird zum Beispiel ein Bewerber oder eine Bewerberin trotz passendem Ausbildungsabschluss nicht angestellt, wenn sich beim Rekrutierungsverfahren zeigt, dass die gewünschten Soft Skills zu wenig ausgeprägt sind. In wissenschaftlichen Diskussionen ist zudem die These breit vertreten, dass ein beschleunigter gesellschaftlicher und wirtschaftlicher Wandel zu einer Aufwertung von Soft Skills in der Arbeitswelt führt.2
Soft Skills in den Stelleninseraten
Auch unsere Auswertungen der Stelleninserate3 auf sozialinfo. ch zeigen, dass Soft Skills eine bedeutende Rolle einnehmen: In fast allen Inseraten werden Soft Skills genannt, meist eine ganze Reihe davon. Stelleninserate bilden zwar nicht die gesamte Arbeitsmarktnachfrage ab, enthalten jedoch viele Angaben zu den Erwartungen, die an die potenziellen Stellenbewerbenden gestellt werden.4 Es ist davon auszugehen, dass diejenigen Soft Skills im Inserat aufgeführt werden, die einerseits als wesentlich für die Aufgabenbewältigung und andererseits als nicht selbstverständlich angesehen werden.
Welche Soft Skills sind besonders wichtig?
In fast der Hälfte der von uns ausgewerteten Stelleninserate werden Belastbarkeit und Teamfähigkeit verlangt. Aber auch Selbstständigkeit, Freude (z. B. an der Arbeit oder an Menschen) und Flexibilität gehören zu den besonders gefragten Soft Skills. Beim Erziehungsdepartement Basel-Stadt stellen Belastbarkeit, Teamfähigkeit, Selbstständigkeit und Flexibilität Grundanforderungen dar und kommen nahezu in allen Stellenbeschreibungen vor, wie uns Markus Rümmele, Leiter Personal, bestätigt. Auch dass die Mitarbeitenden ihre Arbeit mit Freude angehen, ist für die von uns befragten Personalverantwortlichen wichtig. Unter anderem, weil Freude belastbarer macht: «Die Freude am Beruf, egal in welcher Branche, stärkt Belastbarkeit und fördert eigenes Engagement oder intrinsische Motivation» – so Pascale Steiner von der Stiftung FARO. Eine hohe Belastbarkeit kann sowohl in körperlicher als auch emotionaler und sozialer Hinsicht aufgrund von unregelmässigen Arbeitszeiten gefragt sein, wie Nicole Füllemann feststellt. Personen, die sich auf Stellen im Sozialwesen bewerben, sollen in vielen Fällen zudem Kommunikationskompetenzen, Organisationstalent, Humor, Sozialkompetenz, Empathie und Interesse mitbringen. Auch verantwortungsbewusste, engagierte und durchsetzungsstarke Personen werden gesucht. Eine gute Ausdrucksfähigkeit und Offenheit werden immerhin noch in etwa zehn Prozent der Inserate gewünscht.

10. Arbeitsmarktmonitor: Grafik zu der Anzahl Erwähnungen von Softskills in Stelleninseraten | Sozialinfo & FHNW
1 Salvisberg, A. (2010). Soft Skills auf dem Arbeitsmarkt: Bedeutung und Wandel. Zürich. Seismo.
2 Ebenda.
3 Ausgewertet wurden 300 Stelleninserate, die im Jahr 2018 auf Sozialinfo veröffentlicht wurden (je 50 Inserate aus der Behindertenarbeit, Erziehung/Bildung, Jugendarbeit, Sozialhilfe, Arbeitsintegration und dem Kindes- und Erwachsenenschutz).
4 Vgl. Salvisberg, A. (Fussnote 1)
Interview mit Angela Häusermann
Welche Rolle spielen Soft Skills Ihrer Ansicht nach auf dem Stellenmarkt des Sozialwesens?
Soft Skills spielen nicht nur im Sozialwesen, sondern auf dem gesamten Arbeitsmarkt eine grosse Rolle. Hard Skills wie Fachwissen können angeeignet werden, bei Soft Skills ist das anders – häufig hat man sie oder eben nicht. Zudem kann jemand wenig Fachwissen haben, aber dank seinen oder ihren Soft Skills gut ins Team passen. Die Chance, dass die Teamkonstellation passt, ist sogar grösser, wenn eine Person die erforderlichen Soft Skills besitzt, als wenn jemand ein grosses Fachwissen hat, aber von den Soft Skills her nicht passt.
Unsere Resultate haben gezeigt, dass insbesondere Belastbarkeit, Teamfähigkeit, Selbstständigkeit, Flexibilität und Freude in den Stelleninseraten des Sozialwesens häufig nachgefragt werden. Weshalb sind diese Soft Skills so wichtig?
Die heutigen Jobs sind sehr abwechslungsreich und unterliegen einem steten Wandel. Wer nicht flexibel ist und mit Freude und Engagement die neuen Herausforderungen annimmt, geht unter. Hinzu kommt, dass die Vorgesetzten die Mitarbeitenden meistens nicht fachlich, sondern organisatorisch führen. Entsprechend wichtig ist es, dass sie selbstständig arbeiten können und sich im Team austauschen.
In den Inseraten stehen die Soft Skills, die sich die ausschreibenden Organisationen von den Bewerbenden wünschen. Wie überprüfen die Personalverantwortlichen, ob die Bewerbenden tatsächlich über die betreffenden Soft Skills verfügen?
Einerseits überprüfen wir das mit Fragen im Bewerbungsgespräch (STAR) und andererseits im Rahmen von Schnuppereinsätzen, welche die Bewerbenden bei uns absolvieren. Bei den Fragen im Bewerbungsgespräch gehen wir nach dem STAR-Modell vor: Mit dieser Methode werden die Kandidaten und Kandidatinnen zu ihrem Verhalten in speziellen Situationen ihres bisherigen Arbeitslebens interviewt. Das Modell liefert umfassende Informationen über Fähigkeiten und Verhaltensweisen. Der Name setzt sich aus den Anfangsbuchstaben der verschiedenen Phasen der Situation, welche der Kandidat oder die Kandidatin schildern soll, zusammen: Situation (Situation): Wie war die Ausgangssituation? Task (Aufgabe): Was war Ihre Aufgabe? Action (Handlung): Was haben Sie gemacht? Result (Ergebnis): Was ist dabei herausgekommen?
Wie werden die Soft Skills bei der Personalauswahl im Vergleich zu Ausbildungsabschlüssen gewichtet?
Es kommt auf die Situation an: Wenn es sich um eine Einzelstelle handelt, bei der nicht im Team gearbeitet wird, sind die Ausbildungsabschlüsse beziehungsweise das effektive Fachwissen genauso wichtig, wenn nicht sogar etwas wichtiger als die Soft Skills. Ist die Stelle jedoch in ein Team eingebettet, überwiegt die Vorgabe, dass der neue Mitarbeiter oder die neue Mitarbeiterin möglichst gut ins Team passt und dementsprechend über die nötigen Soft Skills verfügt.
Wie entscheiden sich die ausschreibenden Organisationen beim Verfassen eines Inserates, welche Soft Skills sie im Inserat erwähnen?
Die Soft Skills sind in der Stellenbeschreibung definiert. Je nach Einbettung der Stelle (Stelle im Team oder Einzelstelle) können sie natürlich entsprechend ergänzt werden.
Wie unterscheiden sich die geforderten Soft Skills je nach Funktion oder Aufgabe der gesuchten Person?
Erstens sind, wie gesagt, Teamfähigkeit und Sozialkompetenz bei einer Funktion, in welcher man alleine arbeitet, weniger wichtig als bei einer in einem Team positionierten Stelle. Zweitens können sich die Soft Skills je nach Bereich unterscheiden: Im Bereich Finanzen braucht es etwas andere Attribute als in der Betreuung. Im Bereich Finanzen sind zum Beispiel Soft Skills wie Integrität, Analysefähigkeit, Urteilsvermögen, Problemlösungskompetenz, Sorgfalt und Gewissenhaftigkeit wichtig. Als BetreuerIn ist eine Auszeichnung durch Einsatzbereitschaft, Belastbarkeit, Flexibilität, Einfühlungsvermögen, Teamfähigkeit und grosser Sozialkompetenz von hohem Stellenwert.
Was liegt Ihnen in Bezug auf Soft Skills besonders am Herzen?
Es arbeiten immer noch Menschen, entsprechend wichtig ist es, dass ein Team harmoniert. Ein hochstudierter Mensch kann unter Umständen keinen Witz erzählen oder Empathie entgegenbringen, was eine harmonierende Teamarbeit trotz der hohen Fachkompetenz je nachdem vollständig verunmöglichen kann.
Autor*innen
Sarah Madörin

Jeremias Amstutz
Wissenschaftlicher Mitarbeiter und Dozent am Institut Beratung, Coaching und Sozialmanagement an der Hochschule für Soziale Arbeit FHNW.
Peter Zängl

Barbara Beringer
ehem. Geschäftsleiterin Sozialinfo
Sarah Madörin
Eine professionelle Soziale Arbeit erfordert sowohl bei der Besetzung von Stellen als auch in der Ausbildung von Fachkräften eine bewusste Auseinandersetzung mit der Frage, welche Soft Skills und Qualifikationen im Sozialwesen Tätige mitbringen müssen.
Aussagen wie „die richtigen Bildungsabschlüsse in den falschen Händen sind wertlos“ in Gesprächen mit Praxisvertreter*innen zeigen, wie wichtig Soft Skills im Sozialwesen sind. Dies zeigt sich auch bei der Auswertung von Stelleninseraten für den Stellenmonitor.
Dennoch wird von verschiedenen Seiten betont, dass im Sinne einer professionellen Sozialen Arbeit bei der Besetzung von Stellen unbedingt auf die richtigen Ausbildungsabschlüsse geachtet werden sollte.
Dies zeigt mir, dass Ausbildungsabschlüsse und Soft Skills keinesfalls gegeneinander ausgespielt werden sollten. Denn „Menschen, die sich an die Soziale Arbeit wenden, müssen auf hochwertige, verlässliche Leistungen zählen können“ – wie Véréna Keller von AvenirSocial dies in einem Interview formuliert hat (vgl. Monitor 9).