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Neuerungen in der sozialen Sicherheit für ältere Erwerbslose

15.07.2021 - 4 Min. Lesezeit

Arbeits- / Berufsintegration

Regine Strub

Fachredaktion Sozialinfo

Seit dem 1. Juli 2021 ist das Bundesgesetz über Überbrückungsleistungen für ältere Arbeitslose (ÜLG) in Kraft. Und seit dem 1. Januar 2021 können ältere Erwerbslose die berufliche Vorsorge freiwillig weiterführen. Wir haben die wichtigsten Informationen dazu zusammengestellt.

Arbeitnehmende ab 55 Jahren verlieren zwar nicht häufiger ihre Stelle als jüngere Menschen, aber sie benötigen bedeutend länger, um wieder eine neue Stelle zu finden. Und nicht allen gelingt dies gleich gut. Erfolgt die Kündigung kurz vor der Pensionierung, kann dies für Betroffene einschneidende Folgen haben. Nicht wenige sind nach der Aussteuerung aus der Arbeitslosenversicherung auf Sozialhilfe angewiesen. So schlug die Skos im 2018 Alarm, weil sie feststellte, dass der Anteil von Sozialhilfebeziehenden in dieser Altersgruppe rasant anstieg.

Die Schweizerische Konferenz für Sozialhilfe (SKOS) erarbeitete in ihrem Positionspapier «Alternativen zur Sozialhilfe für über 55-Jährige» im 2018 interessante Vorschläge für eine Verbesserung der Lebenslage von älteren Erwerbslosen. Einige Aspekte sind in das neu in Kraft getretene Bundesgesetz eingeflossen. Doch die Voraussetzungen für den Bezug von Überbrückungsleistungen sind wesentlich restriktiver als beim ursprünglichen Vorschlag. Trotzdem bedeuten die neuen Leistungen einen Meilenstein für die soziale Sicherheit in der Schweiz, wie die Skos in ihrer Stellungnahme zum Gesetz 2019 schrieb.

Voraussetzungen für den Bezug

Für den Anspruch auf Überbrückungsleistungen gelten folgende Voraussetzungen:

Die betreffende Person

  • muss von der ALV ausgesteuert sein, und das 60. Altersjahr vollendet haben
  • mindestens 20 AHV-Beitragsjahre geleistet haben, davon mindestens 5 Jahre nach dem 50. Altersjahr
  • ein jährliches Einkommen in der Höhe von mindestens 75% der maximalen AHV-Altersrente (2021: 75% von 28 680 = 21 510 Franken) oder entsprechende Erziehungs- und Betreuungsgutschriften der AHV erzielt haben
  • darf noch nicht AHV-berechtigt sein oder eine IV Rente erhalten
  • darf kein Vermögen aufweisen, das über 50 000 Franken liegt, wenn sie alleinstehend ist oder über 100 000 Franken, falls sie verheiratet ist (selbstbewohntes Wohneigentum wird nicht angerechnet)
  • muss ihren Wohnsitz oder tatsächlichen Aufenthalt in der Schweiz oder in einem Mitgliedstaat der EU oder EFTA haben

Kein Anspruch besteht, wenn

  • eine Aussteuerung vor dem 60. Geburtstag erfolgt
  • voraussichtlich zur ordentlichen AHV-Rente eine Ergänzungsleistung notwendig sein wird

Wer vor dem 1. Juli 2021 von der Arbeitslosenversicherung ausgesteuert wurde, hat keinen Anspruch auf Überbrückungsleistungen. Wobei aufgrund der Corona-Bestimmungen des Parlamentes seit dem 1.1.2021 keine Aussteuerungen erfolgen durften für Personen, die per 1.7.2021 60jährig oder älter waren.

Höhe der Überbrückungsleistungen

Die Berechnung der Überbrückungsleistungen orientiert sich an den Ergänzungsleistungen. Die ÜL entspricht der Differenz zwischen den anerkannten Ausgaben und den anrechenbaren Einnahmen.

  • Sie beträgt maximal 44 123 Franken für Alleinstehende bzw. 66 184 Franken für Ehepaare (Stand 2021). 
  • Krankheits- und Behinderungskosten werden separat vergütet, jedoch bis maximal 5 000 Franken für Alleinstehende und 10 000 Franken für Ehepaare.
  • Der Lebensbedarf und die Auslagen für die Miete werden gleich wie bei den Ergänzungsleistungen berechnet.
  • Freiwillige Risikobeiträge an die berufliche Vorsorge bei deren Weiterführung gemäss Art. 47 und 47a BVG, werden ebenfalls als Ausgaben angerechnet (anders als bei den Ergänzungsleistungen)

Weiterhin Arbeits- und Integrationsbemühungen verlangt

Wer Überbrückungsleistungen bezieht, muss sich weiterhin um eine Integration in den Arbeitsmarkt bemühen. Die Informationsstelle AHV/IV listet folgende Bemühungen auf, die anerkannt werden:

  • Freiwillige Arbeitsvermittlung durch das Regionale Arbeitsvermittlungszentrum (RAV)
  • Bewerbungsschreiben
  • Teilnahme an Integrationsmassnahmen
  • Freiwilligenarbeit
  • Teilnahme an Sprachkursen
  • Coaching
  • Pflege und Betreuung von Angehörigen und Bekannten

Die Integrationsbemühungen werden einmal jährlich durch die zuständige Stelle überprüft. Die ÜL-beziehende Person muss angeben, wie viele Bewerbungen sie pro Jahr eingereicht hat. Erzielt eine Person bereits ein (tieferes) Erwerbseinkommen, müssen keine weiteren Integrationsbemühungen erbracht werden, das Einkommen wird nach Abzug von Berufsauslagen, Sozialversicherungsbeiträgen und einem Freibetrag angerechnet. 

Unterschiede zu den Ergänzungsleistungen

Im Gegensatz zu den Ergänzungsleistungen können Überbrückungsleistungen auch bei Wohnsitz in einen EU/EFTA Staat überwiesen werden. Allerdings werden bestimmte Ausgaben an die Kaufkraft des jeweiligen Landes angepasst.

Die ÜL sind - wie bereits erwähnt - nach oben begrenzt. So werden auch keine Kosten für Heimaufenthalte berücksichtigt. Auch die Vermögensschwelle ist um die Hälfte tiefer angesetzt als bei den EL. Und anders als bei den EL werden bei den ÜL auch für die über 60jährigen BezügerInnen gemäss oben genannte Aufistung Integrationsbemühungen verlangt.

Zudem werden zum Reinvermögen auch Einkäufe in die reglementarischen Leistungen der beruflichen Vorsorge gerechnet, die im Rahmen der Weiterversicherung geleistet worden sind. Ebenso angerechnet werden Rückzahlungen für einen Vorbezug für selbstbewohntes Wohneigentum sowie Amortisationen für Hypotheken, die innerhalb von drei Jahren vor der Aussteuerung getätigt worden sind. Weiter werden auch Vorsorgeguthaben der beruflichen Vorsorge angerechnet, die höher sind als das 26fache des Lebensbedarfs einer Einzelperson (2021: 26x CHF 19610= CHF 509'860).

Weiterführen der beruflichen Vorsorge bei Erwerbslosigkeit

Seit dem 1. Januar 2021 dürfen Personen, die das 58. Lebensjahr vollendet und ihre Arbeit verloren haben, nachArt. 47a BVG verlangen, weiter in der Pensionskasse des ehemaligen Arbeitgebers zu verbleiben und ihr Altersguthaben als Rente auszahlen zu lassen. Das ist eine sozialpolitische Verbesserung. Denn bisher haben viele ältere Personen bei Stellenverlust im Alter ihren Rentenanspruch verloren. Sie wurden stattdessen zum Kapitalbezug gezwungen. Neu können sie bis zum ordentlichen Rentenalter bei ihrer bisherigen Pensionskasse für die Risiken Tod und Invalidität versichert bleiben und haben zudem die Möglichkeit, ihr Altersguthaben weiter aufzubauen.

Voraussetzung für die freiwillige Weiterführung der beruflichen Vorsorge ist für die Betreffenden allerdings, dass sie durch ihren bisherigen Arbeitgebenden entlassen wurden, also nicht selbst gekündigt haben und dass sie die Zahlung der fälligen Beiträge finanziell tragen können.

Tritt die versicherte Person später wieder in eine neue Vorsorgeeinrichtung ein, so hat die bisherige Vorsorgeeinrichtung die Aus­trittsleistung an die neue Vorsorgeeinrichtung zu zahlen.

Personen, die ihre Versicherung in diesem Sinne weiterführen, sind den anderen Versicherten in derselben Pensionskasse gleichgestellt, was zum Beispiel den Zins oder den Umwandlungssatz betrifft.

Wenn die Weiterführung der Versicherung mehr als zwei Jahre gedauert hat, müssen die Leistungen in Rentenform bezogen werden. Die Austrittsleistung kann nicht mehr für Wohneigentum vorbezogen oder verpfändet werden. Vorbehalten bleiben reglementarische Bestimmungen der Pensionskasse, die die Ausrichtung der Leistungen nur in Kapitalform vorsehen.

Die Pensionskassen können in ihrem Reglement aber auch vorsehen, dass diese Möglichkeiten den Arbeitnehmenden ab 55 Jahren zur Verfügung stehen. Sie können vorsehen, dass auf Verlangen der versicherten Person der bisherige Lohn oder ein tieferer Lohn als der bisherige versichert wird.

Autor*in

Regine Strub

Haben Sie gewusst, dass der Bundesrat im Mai 2019 ein Massnahmenpaket zur Förderung des inländischen Arbeitskräftepotentials verabschiedet hat? Insgesamt sieben Massnahmen sollen ältere Arbeitnehmende und schwer vermittelbare Stellensuchende sowie in der Schweiz lebende Ausländische Arbeitskräfte besser in den Arbeitsmarkt integrieren. 

Dazu gehört zum Beispiel die sogenannte Integrationsvorlehre für Flüchtlinge, die neu auch für Angehörige von EU/EFTA- sowie Drittstaaten zugänglich ist, oder das Programm viamia, das Arbeitnehmende ab 40 Jahren kostenlos zu ihren Arbeitsmarktchancen berät. Für schwer vermittelbare Erwerbslose und Stellensuchende ab 50 Jahren stehen spezielle Förder- und Bildungsprogramme der Arbeitslosenversicherung zur Verfügung.

Zu den Massnahmen gehört aber auch das am 1. Juli 2021 in Kraft getretene Bundesgesetz über Überbrückungsleistungen für ältere Arbeitslose (ÜLG).

In unserem aktuellen Dossier liefern wir Ihnen die wichtigsten Infos zu den Überbrückungsleistungen (ÜL) sowie zur freiwilligen Weiterführung der beruflichen Vorsorge für Erwerbslose ab 58 Jahren.