Der kürzlich zum vierten Mal durchgeführte «Hack4SocialGood» fördert Innovationen und baut interdisziplinäre Brücken zwischen Sozialer Arbeit und IT. Wir stellen drei Challenges vor, die besonders gute Resultate erbrachten.
Anfangs April trafen sich in Olten Fachpersonen aus Sozialer Arbeit und IT, um am zweitätigen «Hack4SocialGood» gemeinsam digitale Lösungen für Probleme aus der sozialarbeiterischen Praxis zu entwickeln. In fachlich gemischten Teams wurden zwölf vorgängig eingereichte «Challenges» bearbeitet.
Hack4SocialGood
Der «Hack4SocialGood» ist eine Veranstaltung im Format des Hackathons, an der kollaborativ Lösungen für digitale Probleme entwickelt werden.
In den interdisziplinären Teams mischen sich die fachlichen Kompetenzen der Sozialen Arbeit mit Kompetenzen aus anderen Bereichen, vorab aus dem IT-Bereich.
Die Hackathon-Plattform DribDat gibt Einblick in die Challenges und Ergebnisse.
Der «Hack4SocialGood» ist ein gemeinsames Format der Hochschulen BFH, ZHAW FHNW und ARC. Die nächste Durchführung ist am 27. und 28. März 2026 in Neuchâtel geplant.
Sozialinfo hat die Veranstaltung gesponsert.
Der Hack4SocialGood wurde nun schon zum vierten Mal durchgeführt; für die diesjährige Ausgabe zeichnete die FHNW verantwortlich. Wir haben mit Vertreter*innen dreier Organisationen gesprochen, deren Challenges besonders gute Resultate erbrachten.
Unkonventionelle Lösungen testen ohne Investitionsdruck
Caritas Schweiz macht die Erfahrung, dass die administrativen Aufgaben in der Sozialberatung oft sehr zeitaufwändig sind. Die Organisation wünscht sich daher ein digitales Hilfsmittel, das ihre Mitarbeitenden in der Schulden- und Sozialberatung dabei unterstützt, diese Arbeiten effizienter zu erledigen, damit ihnen mehr Zeit für den Klient*innenkontakt bleibt.
Mit der Challenge am Hack4SocialGood verfolgte Caritas Schweiz folgende Ziele:
- Entwickeln einer KI-Applikation, mit der Angaben aus handschriftlich ausgefüllten Formularen via Kamera eingelesen und in strukturierter Form elektronisch erfasst werden können.
- Die Applikation soll zudem aus Gesprächen direkt Notizen generieren – d.h. transkribieren und zusammenfassen – können.
Caritas Schweiz gewann mit ihrer Challenge am Hack4SocialGood den Jurypreis. Harry Witzthum berichtet von seinen Erfahrungen.
Sozialinfo: Harry, was war euer Anliegen am Hack4SocialGood?
Harry Witzthum: Das Ziel unserer Challenge war, den Prototypen einer Applikation zu entwickeln, die Sozialberatende von administrativen Aufgaben entlasten kann. Dabei ging es uns nicht darum, ein fertiges Produkt zu entwickeln, sondern darum anhand eines «Proof of Concept» zu sehen, ob das überhaupt funktionieren kann.
)
Harry Witzthum
Verantwortlicher für Projekte der digitalen Transformation auf Ebene der Gesamtorganisation
Caritas Schweiz
Warum eignet sich aus deiner Sicht ein Format wie der Hack4SocialGood dafür, ein solches Projekt zu entwickeln?
Der Hack4SocialGood ist besonders dann sinnvoll, wenn es um unkonventionelle Lösungen geht. Da bietet das Format eine Möglichkeit für Organisationen, eine Idee ohne Erwartungsdruck und Investitionsrisiken einfach mal zu testen. In der Tech-Welt spricht man von einer Sand-Box. Ein Erfolgsfaktor ist dabei die Arbeit in gemischten Teams. Unserer Erfahrung nach ist Diversität bei KI-Projekten besonders wichtig: je mehr Perspektiven präsent sind, desto besser ist die Qualität einer KI-Entwicklung.
Wie lief die Zusammenarbeit mit dem Challenge-Team?
Es herrschte eine gute und kollegiale Stimmung. Wir von Caritas waren selber nicht präsent, hatten aber regelmässig Kontakt mit dem Challenge-Team, um ihnen benötigte Informationen zu geben. Da konnten sie uns zeigen, wo sie stehen und sich vergewissern, dass es in die richtige Richtung geht.
Bist du zufrieden mit dem, was erreicht wurde?
Ja sehr! Das Challenge-Team hat mir bereits nach kurzer Zeit einen ersten Prototypen präsentiert. Eine grosse Hürde war, Beratungsgespräche mittels Laptop-Mikrofonen aufzunehmen und direkt aus dem Schweizerdeutschen zu transkribieren. Dieses Problem hat die Gruppe sehr gut gelöst. Unsere Ziele wurden absolut erreicht.
Welche Resultate liegen nun vor?
Wir haben die Prototypen, Modelle und den Code für die Applikation. Damit haben wir eine gute Grundlage zur Weiterentwicklung. Dazu arbeiten wir mit einem KI-Startup zusammen und haben einen Workshop geplant, an dem auch das Challenge-Team teilnehmen wird. Da sie den funktionierenden Prototypen entwickelt haben, ist uns wichtig, dass sie nun auch die Gelegenheit erhalten, Erfahrungen zu sammeln, wie daraus ein marktfähiges Produkt entwickelt werden kann. Das sind oft junge Menschen, die hier profitieren können, und das unterstützen wir gerne.
Wäre es für Caritas Schweiz von Interesse, ein solches Produkt zu vermarkten?
Der Hack4SocialGood hat eine gemeinnützige Ausrichtung, das sagt schon der Name. Unser Projekt kann für viele Organisationen in der Sozialberatung von Interesse sein. Wir haben nicht das Ziel, es zu monetarisieren und ich kann mir vorstellen, dass wir den Code im Sinne von Open Source offenlegen und anderen Organisationen zur Verfügung stellen. Soziale Organisationen sollen voneinander lernen können.
Welches Fazit ziehst du von eurer Teilnahme?
Ich bin total begeistert. Der Hack4SocialGood ermöglicht eine Form der Zusammenarbeit zwischen Nonprofit-Bereich, Business und Akademie, von der alle profitieren.
Passgenaue Lösung mit Potenzial zur Adaption
Die Organisation «Never Walk Alone» (NWA) berät Jugendliche, junge Erwachsene und Careleaver*innen im Kanton Aargau auf dem Weg ins Erwachsenenleben. NWA wünscht sich, nach Abschluss der Begleitungen mehr darüber zu erfahren, was für die jungen Erwachsenen hilfreich gewesen ist und ob ihre Bedürfnisse abgedeckt wurden. Zudem sollen ihre Klient*innen eine einfache Möglichkeit haben, ihre Erfahrungen als Testimonials auf der Website von NWA zu teilen, um anderen jungen Menschen in Schwierigkeiten Mut zu machen.
Die Challenge von NWA am Hack4SocialGood verfolgte folgende Ziele:
- Entwicklung eines lustvollen, hippen und unkomplizierten digitalen Tools zur automatisierten Erhebung und Auswertung der Zufriedenheit junger Menschen mit den in Anspruch genommenen Dienstleistungen, sowie der Erfassung der Wirkung von NWA.
- Direktes Erfassen von Testimonials auf der Website von NWA.
Never Walk Alone gewann mit ihrer Challenge am Hack4SocialGood den Publikumspreis. Wir haben Monika Jenni, Beraterin bei NWA, gefragt, wo sie nun mit dem Projekt stehen.
Sozialinfo: Monika, welche wesentlichen Erkenntnisse habt ihr für eure Challenge am Hack4SocialGood gewonnen?
Monika Jenni: Eine Erkenntnis ist, dass wir noch weniger Ahnung von den technischen Möglichkeiten haben, als wir gedacht hatten. Es ist unglaublich, was die Gruppe mit unseren Fragestellungen gemacht hat, wir sind ein stückweit sprachlos, was da entstanden ist.
)
Monika Jenni
Sozialarbeiterin; Beraterin für Jugendliche und junge Erwachsene
Never Walk Alone
Welche wesentlichen Fortschritte gab es im Projekt?
Das Challenge-Team hat eine Website konzipiert, zu der die beiden IT-Fachpersonen entsprechenden Code programmiert haben. Diese werden wir umsetzen können, sobald die Finanzierung geklärt ist. Auch dazu haben wir aus dem Team wichtige Impulse erhalten.
Was war für euch besonders wertvoll am Format «Hackathon»?
Das geballte Erfahrungswissen, das zur Verfügung stand. In der Gruppe gab es jüngere und ältere Personen, und es kamen Kenntnisse aus dem Bereich Webdesign und IT, aus der Sozialen Arbeit sowie der Datenanalyse zusammen. Die Gruppe hat es geschafft, unsere Bedürfnisse mit gezielten Fragen so gut zu klären, dass etwas Passgenaues für unser Projekt entstanden ist. Gleichzeitig hat die Gruppe Lösungen gesucht, die auch für andere Institutionen mit ähnlichem Auftrag adaptierbar sind. Dieser Anspruch der Gruppe hat mir sehr gefallen.
Wie gelang die Verständigung zwischen verschiedenen Berufsgruppen?
Die Organisator*innen haben das hervorragend gelöst, indem sie diese Unterschiede eingangs der Veranstaltung thematisiert haben und auch die Gemeinsamkeiten hervorgehoben haben. Das war sehr wertvoll und hat mir auch geholfen, die Sicht der Personen aus der IT besser zu verstehen. In der Gruppe ist die Verständigung gut gelungen, obwohl wir sprachlich zwischen Deutsch, Französisch und Englisch hin und her gewechselt haben.
Gibt es auch negative Erfahrungen mit dem Anlass?
Ich bereue im Nachhinein, dass ich nur am Freitag vor Ort sein konnte. Es war mir zu wenig klar, inwiefern die Präsenz der Organisationen, die die Challenge eingegeben hatten, überhaupt erwünscht war. Es war mir dann kurzfristig nicht mehr möglich, auch am Samstag teilzunehmen. Das würde ich heute anders planen.
Effiziente Zusammenarbeit verschiedener Branchen
Die Kinder- und Jugendfachstelle der Saanenland-Obersimmental dokumentiert ihre Dienstleistungen, indem die verschiedenen Tätigkeiten laufend erfasst werden. Bislang geschah dies auf eine fehleranfällige Weise per Strich-Listen von Hand. Da Kanton und Gemeinde jedoch anhand dieser Zahlen Entscheide zur Finanzierung treffen, ist es ein grosses Anliegen der Fachstelle, eine genauere und direktere Möglichkeit zu finden, Leistungen zu erfassen.
Die Challenge strebte am Hack4SocialGood folgende Ziele an:
- Mobile Anwendung für das Controlling in der Jugendarbeit.
- Einfache und schnelle Datenerfassung: Mit wenigen Klicks Daten wie Anzahl Kinder, Erwachsene, Angebote und Beratung erfassen.
- Mehrere Nutzende können gleichzeitig Daten eingeben.
- Separate Erfassung für verschiedene Jugendtreffs.
- Automatische Auswertung zur Berichterstattung an Kanton und Gemeinden.
Jugendarbeiter Maurus Donker berichtet, was sie zusammen mit dem Challenge-Team erreichen konnten.
Sozialinfo: Maurus, wie hast du die Zusammenarbeit am Hack4SocialGood erlebt?
Maurus Donker: Wir haben die ganze Zeit im Challenge-Team mitgearbeitet, Fragen beantwortet und Inputs gegeben. Die Gruppe war sehr vielfältig zusammengesetzt, mit Fachpersonen aus Administration, dem Sozialbereich, der IT-Branche und der Betriebswirtschaft. Das hat sehr gut zusammen funktioniert. Der Gruppe unsere Anliegen zu erklären, war allerdings eine Herausforderung, und dabei haben wir auch viel Neues gelernt. Das Programmieren der App ging dann sehr schnell.
)
Maurus Donker
Jugendarbeiter
Kinder- und Jugendfachstelle Saanenland-Obersimmental
Was ist aus euerer Challenge entstanden?
Wir haben nun eine Browser-Applikation, die wir bereits testweise verwenden. Damit können wir mit wenigen Klicks unsere Tätigkeiten erfassen. Die Applikation bereitet die Zahlen so auf, dass wir sie der Gemeinde und dem Kanton vorlegen können. Zudem erfassen wir Daten, welche zwar für die Behörden nicht relevant sind, uns aber helfen, unser Angebot zu evaluieren und zu verbessern. Der IT-Entwickler aus dem Challenge-Team unterstützt uns dabei, Anpassungen und Korrekturen für eine definitive Version zu machen.
Welche wesentlichen Erkenntnisse habt ihr gewonnen?
Wie wichtig es ist, dass verschiedene Branchen zusammenarbeiten. Die Soziale Arbeit braucht technische Unterstützung, und es war faszinierend zu sehen, was man in zwei Tagen alles schaffen kann und wie effizient es sein kann, wenn die Soziale Arbeit mit der Technik zusammenarbeitet. Wir haben eine Lösung, für die wir sonst tausende Franken hätten ausgeben müssen; das hätten wir uns nicht leisten können.
Könnten auch andere Organisationen von eurer Entwicklung profitieren?
In der Offenen Kinder- und Jugendarbeit hat, soweit ich weiss, bis jetzt niemand eine solche Lösung. Unser Ziel ist daher schon, diese Applikation auch anderen zur Verfügung zu stellen, sobald sie fertig entwickelt ist. Gerade auch, da die Jugendarbeit oft eher Mühe hat, ihre Finanzierung zu sichern.
Hohes Engagement und gute Ausgewogenheit bei den Teilnehmenden
Joval Lienhardt hat für die FHNW den Hack4SocialGood erstmals organisatorisch mitgestaltet. Er berichtet, wie er die Veranstaltung erlebt hat.
Sozialinfo: Joval, seid ihr zufrieden mit dem diesjährigen Hack4SocialGood?
Joval Lienhardt: Wir sind sehr zufrieden mit dieser Ausgabe. Abgesehen von wenigen, für den Gesamtablauf unerheblichen Details, haben wir durchweg positive Rückmeldungen erhalten. Die Qualität der erarbeiteten Ergebnisse spricht für sich – sowohl inhaltlich als auch im Hinblick auf das Engagement der Teilnehmenden.
)
Joval Lienhardt
Wissenschaftlicher Mitarbeiter
Hochschule für Soziale Arbeit FHNW
Wie war die Ausgewogenheit der Teilnehmenden dieses Jahr?
Es ist oft gar nicht so einfach, Leute aus der Sozialen Arbeit für einen Hackathon zu gewinnen – viele haben das Gefühl, sie könnten fachlich wenig beitragen. Wir haben deshalb wieder gezielt versucht, den Hack in diesen Kreisen bekannt zu machen. Dieses Jahr kam rund ein Drittel der Teilnehmenden aus der Sozialen Arbeit – das freut uns sehr.
Wie geht es mit den Projekten aus den Challenges weiter?
Dieses Jahr haben zwei Projekte ganz klar Umsetzungspotenzial – bei einem wissen wir sogar, dass die Lösung schon im Einsatz ist. Natürlich gibt es auch Projekte, die nicht weiterverfolgt werden können. Die Gründe dafür sind unterschiedlich, aber am häufigsten liegt es am fehlenden Budget oder anderen Ressourcen.
Welche Möglichkeiten seht ihr, spannende Resultate oder Produkte zu vergemeinschaften?
Die Veranstaltung wird auf der Open-Source-Plattform DribDat gehostet. Sie bietet die Möglichkeit, GitHub-Repositories und weitere Ressourcen direkt einzubetten und fördert grundsätzlich die Arbeit mit offenen, frei zugänglichen Tools. So können auch Interessierte im Nachhinein jederzeit nachvollziehen, was an früheren Hacks entstanden ist. Und falls etwas nicht vollständig dokumentiert wurde, sind die Teammitglieder dort direkt auffindbar und ansprechbar – das schafft Transparenz und erleichtert die Weiterentwicklung durch Dritte.
Autor*in

Martin Heiniger
Fachredaktion
Sozialinfo