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Gesundheitsbezogene Soziale Arbeit gewinnt an Bedeutung

13.10.2025 - 2 Min. Lesezeit

Gesundheitswesen
Portrait von Martin Heiniger

Martin Heiniger

Fachredaktion | Sozialinfo

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Sozialinfo/Martin Heiniger: In den vergangenen Jahren sind Gesundheitsthemen in der Sozialen Arbeit stärker aufs Tapet gekommen. Ist mit SAGES eine Stimme entstanden, die es vorher so nicht gegeben hat?

Tom Friedli: Ja, die Gründung von SAGES war ein Game Changer. Damals beim SFSS (Schweizerischer Fachverband Sozialdienst in Spitälern) hatten wir schon einzelne Mitglieds-Institutionen, die ausserhalb des Spitals tätig waren, etwa die Krebsliga. Uns war schon länger klar, dass wir das enge Verständnis von Sozialer Arbeit im stationären Gesundheitswesen erweitern müssen, um wirklich etwas zu erreichen. Es gab viele Sozialarbeitende in anderen Bereichen, die sich mit ähnlichen Fragen auseinandersetzten, die aber im SFSS nicht repräsentiert waren. Deshalb haben wir SAGES gegründet, erst als “Fachverband für Soziale Arbeit im Gesundheitswesen”, und den Fokus vor ca. zwei Jahren nochmals auf “gesundheitsbezogene Soziale Arbeit” erweitert. Die Gründung von SAGES hat der Sozialen Arbeit im Gesundheitswesen und der gesundheitsbezogenen Sozialen Arbeit politisch stärker Gehör verschafft. Wir können Anstösse zu neuen Projekten geben und mit Organisationen wie Public Health Schweiz oder mit der Allianz Gesunde Schweiz kooperieren. Zudem haben wir zweimal jährlich einen Austausch mit dem BAG und stehen mit verschiedenen Nationalrätinnen und Nationalräten im Kontakt.

Therese Straubhaar: Heute können sich mehr Sozialarbeitende mit dem Fachverband identifizieren, d.h. nebst Spitalsozialdiensten auch Gesundheitsligen, die ambulanten Anbieter generell, aber auch Organisationen in den Bereichen Rehabilitation, Sucht, Psychiatrie u.a.m. Wir werden auch einbezogen, wenn es zum Beispiel um die Optimierung der hausärztlichen Versorgung geht. Es ist ein höheres Bewusstsein dafür entstanden, dass Sozialberatung einen Beitrag leisten kann, um dem Fachkräftemangel bei der Ärzteschaft zu begegnen.

Der Trendmonitor der ZHAW hat unter anderem aufgezeigt, dass immer mehr Klient*innen der Sozialen Arbeit psychische Probleme haben. Kann man verallgemeinernd sagen, dass gesundheitliche Themen zunehmend als Querschnittsthemen in den meisten Bereichen der Sozialen Arbeit erkannt werden?

Tom: Auf der politischen Ebene sicher nur zum Teil. Dort ist die Zweiteilung von Sozial- und Gesundheitswesen mit ihren jeweils unterschiedlichen Finanzierungslogiken und der Aufteilung in unterschiedliche Direktionen in den Kantonen nach wie vor ein grosses Hemmnis für eine integrierte Versorgung. Es wäre möglich, das anders zu denken, das zeigen etwa skandinavische Länder, wo die integrierte Versorgung einen anderen Stellenwert hat und der Unterschied zwischen Sozial- und Gesundheitswesen keine grosse Rolle spielt. Ich weiss nicht, ob das in jedem Fall besser ist, aber an denjenigen Nahtstellen, an denen wir dran sind, wäre es einfacher.

Auf der Ebene der Versorgung sieht es anders aus. Seitens des Gesundheitswesens ist heute mehr Bewusstsein dafür vorhanden, dass viele Patientinnen und Patienten auch von sozialen Problemen betroffen sind. Umgekehrt erkennt man im Sozialwesen heute eher an, dass Gesundheit einer der ganz wesentlichen Einflussfaktoren auf eine gelingende Lebensführung ist. Eine der wichtigen neuen sozialarbeiterischen Theorien, die Theorie zu Integration und Lebensführung, die bei uns an der FHNW in den letzten Jahrzehnten entwickelt wurde, hat ihren Ausgangspunkt in der Psychiatrie und im Gesundheitswesen.

Therese: Es gibt inzwischen mehr Forschung zum Zusammenhang von Gesundheit und Armut, z.B. von Akteur*innen wie der SKOS oder von Fachhochschulen. Auch ausserhalb des Sozialbereichs steigt das Bewusstsein dafür, dass wir bei Früherkennung und Prävention von Erkrankungen das Soziale mitdenken müssen. Ein Beispiel dafür ist der aktuelle Obsan-Bericht, bei dem soziale Einflussfaktoren auf die Gesundheit einen enormen Stellenwert einnehmen. In der Aus- und Weiterbildung der Sozialen Arbeit hingegen sind Gesundheitsthemen nach wie vor unterrepräsentiert. Als Lehrbeauftragte in einem Bachelorstudiengang stelle ich fest, dass Zusammenhänge wie etwa zwischen Krebs und Sozialer Arbeit bei uns noch weniger etabliert sind als beispielsweise in Deutschland.

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Portrait von Tom Friedli

Tom Friedli

Portrait von Tom Friedli

Tom Friedli

Professor für Klinische Soziale Arbeit

Fachhochschule Nordwestschweiz FHNW

Mitgründer und ehrenamtlicher Co-Präsident bei SAGES

Portrait von Therese Straubhaar

Therese Straubhaar

Sozialarbeiterin

Krebsliga Schweiz

Externe Lehrbeauftragte an der FHNW

Ehrenamtliche Co-Präsidentin bei SAGES

Autor*in