Bei der Jugendarbeit handelt es sich – gemessen an den ausgeschriebenen Stellen – um eines der grössten Arbeitsfelder im Sozialwesen der Schweiz. Von den 6083 Stellen, die im Jahr 2017 im Stellenmarkt von sozialinfo.ch ausgeschrieben wurden, betreffen 945 die Jugendarbeit. Dieser Anteil von 16 Prozent an allen Stelleninseraten entspricht demjenigen der Vorjahre: Seit 2011 bewegt er sich zwischen 15 und 17 Prozent. Lediglich in den Arbeitsfeldern Erziehung/Bildung (19 Prozent) und Behindertenarbeit (20 Prozent) wurden im Jahr 2017 mehr Stellen ausgeschrieben.
Achter Monitor des Stellenmarktes im Sozialwesen der Schweiz
Mit Abstand am häufigsten wird von den BewerberInnen im Arbeitsfeld Jugendarbeit eine höhere Berufsbildung verlangt (44 Prozent). Der Anteil Inserate, in denen lediglich eine berufliche Grundbildung gefordert wird, ist mit 24 Prozent im Vergleich zu anderen Arbeitsfeldern klein. Am seltensten werden in der Jugendarbeit jedoch Bewerbende mit einem Hochschulabschluss gesucht (15 Prozent). Verglichen mit anderen Arbeitsfeldern des Sozialwesens ist diese Zahl eher tief. Als Grund für diesen vergleichsweise geringen Anteil an Stelleninseraten, die einen Hochschulabschluss fordern, sieht Marcus Casutt, Geschäftsleiter des Dachverbands Offene Kinder- und Jugendarbeit, die Schwierigkeit, offene Stellen zu besetzen. Arbeitgebende würden aufgrund dieser Schwierigkeiten die Schwelle bezüglich der Ausbildung zum Teil bewusst tiefer ansetzen, um so mehr Stellensuchende zu erreichen. Für Frieder Recht, Gesamtleiter der Sonnenhof Arlesheim AG, einer Einrichtung, in der Kinder und Jugendliche mit Entwicklungsbedarf begleitet werden, hängt es auch damit zusammen, dass Hochschulabschlüsse in der Jugendarbeit vor allem für Leitungsfunktionen gefordert werden. Diese Funktionen seien seltener als andere. Zudem sei die Fluktuation bei Leitungspositionen tiefer.

8. Arbeitsmarktmonitor: Geforderte Qualifikation in der Jugendarbeit und in allen Arbeitsfeldern des Sozialwesens (Die Kategorie "andere Ausbildung" wurde bei dieser Darstellung nicht einbezogen, da der Fokus auf der beruflichen Grundbildung, der höheren Berufsbildung und der Hochschulstufe liegen.) | Sozialinfo & FHNW
Viele Praktikums- und Zivildienststellen
Wie im Arbeitsfeld Behindertenarbeit1 ist auch in der Jugendarbeit der Anteil Stelleninserate für Praktikums- und Zivildienststellen mit 20 Prozent sehr hoch. Dies erklären sowohl Frieder Recht als auch Marcus Casutt unter anderem damit, dass es in der Jugendarbeit eine lange Tradition gibt, Berufsleute im Rahmen von Praktika auszubilden. Die Jugendarbeit eigne sich dank der Art und Vielfalt der Aufgaben sehr gut dafür, BerufseinsteigerInnen zu beschäftigen. Eliane Michel, Direktorin des kantonalen Jugendheims Lory in Münsingen, führt die vielen Praktikumsstellen darauf zurück, dass in der Jugendarbeit relativ bald praktisch gearbeitet werden kann und rasch ein Nutzen für die Arbeitgebenden spürbar wird. Allerdings könne bei Organisationen mit knappen finanziellen und personellen Ressourcen auch der finanzielle Aspekt eine Rolle spielen, wie Marcus Casutt ergänzt. Die meisten Inserate betreffen jedoch Stellen für die qualifizierte Fachmitarbeit (61 Prozent). Lediglich jeweils sechs Prozent sind ausgeschriebene Kader- und Teamleitungsstellen. Andere Funktionen wie beispielsweise Stellvertretungen oder Freiwilligenarbeit machen bei den Stellen im Bereich der Jugendarbeit etwa sieben Prozent der Inserate aus.
Wenig hohe Arbeitspensen
Der Anteil ausgeschriebener Vollzeitstellen2 unterscheidet sich mit neun Prozent kaum vom Durchschnitt aller Arbeitsfelder im Sozialbereich (10 Prozent). Der grösste Unterschied lässt sich bei hohen Teilzeitpensen mit über 80 Stellenprozenten ausmachen: Während diese bei der Gesamtheit der auf sozialinfo.ch ausgeschriebenen Stellen mehr als einen Fünftel aller Stelleninserate ausmachen (22 Prozent), beträgt ihr Anteil in der Jugendarbeit lediglich einen Zehntel (11 Prozent). Demgegenüber sind Stellen mit mittleren Teilzeitpensen von 41 bis 60 Stellenprozenten in der Jugendarbeit deutlich stärker vertreten als in anderen Arbeitsfeldern (27 Prozent gegenüber einem Durchschnitt von 19 Prozent). Laut Frieder Recht ist dies auf die höhere Flexibilität zurückzuführen, die den Betrieben durch mehrere Mitarbeitende mit mittleren Teilzeitpensen ermöglicht wird. Krankheitssituationen und Sonderbedürfnisse können so besser abgedeckt werden. Auch die hohe Arbeitsbelastung der einzelnen Mitarbeitenden kann auf diese Weise besser abgefedert werden: «Die Erfahrungen zeigen, dass die Arbeit derart kräftezehrend ist, dass Mitarbeitende mit hohen Arbeitspensen rascher ausbrennen und nicht die Regenerationszeit haben, die sie eigentlich benötigen», so Recht.

8. Arbeitsmarktmonitor: Ausgeschriebenes Arbeitspensum in der Jugendarbeit und in allen Arbeitsfeldern
Im stationären Bereich kommt hinzu, dass Mitarbeitende oft im Heim übernachten müssen, erläutert Eliane Michel, Direktorin des Jugendheims Lory: «Bei diesen sogenannten Pikettdiensten wird für die Nacht eine finanzielle Entschädigung ausgerichtet – die Stunden werden aber nicht an die Arbeitszeit angerechnet. Dadurch fällt die Präsenz um einige Stunden höher aus als die effektive Arbeitszeit.» Daher seien Mitarbeitende mit einem Beschäftigungsgrad von mehr als 80 Prozent einer sehr hohen Belastung ausgesetzt.
1 Vgl. 7. Monitor in SozialAktuell 3/2018
2 Hier wird jeweils mit durchschnittlichen Stellenprozenten gerechnet. Wenn beispielsweise ein Pensum von 80-100 Stellenprozenten ausgeschrieben wird, rechnen wir mit 90 Stellenprozenten.
Jugendarbeit – ein guter Einstieg in die Soziale Arbeit
Die Entwicklung des Stellenmarktes ist auch für Personalverantwortliche ein Thema. Giacomo Dallo ist seit 2011 Geschäftsführer der Offenen Jugendarbeit Zürich. Seine Einschätzungen zum Stellenmarkt in der Jugendarbeit.
Sarah Madörin: Im mit Abstand grössten Teil der Stelleninserate im Bereich Jugendarbeit – bei 44 Prozent – wird von den Bewerbenden eine höhere Berufsbildung verlangt. Einen Hochschulabschluss fordern hingegen eher wenige, nur 15 Prozent. Weshalb ist das so?
Giacomo Dallo: Jugendarbeit bietet nach wie vor für viele Personen einen Einstieg in die Soziale Arbeit – und zwar unabhängig davon, ob sie bald nach Abschluss des Gymnasiums einsteigen, erst Jahre später als Quereinsteigende in die Soziale Arbeit wechseln oder ob sie neben der Arbeit an einer Fachhochschule (FH) oder einer Höheren Fachschule (HF) studieren. Selbst TeamleiterInnen wachsen oft direkt aus der Jugendarbeit in ihre erste Führungsfunktion hinein und absolvieren erst in dieser Funktion und berufsbegleitend weiterbildende Studiengänge. Deshalb ist ein Hochschulabschluss meist nicht zwingend nötig.
Im Vergleich zu anderen Arbeitsfeldern werden in der Jugendarbeit viele Praktikumsund Zivildienststellen ausgeschrieben. Woran könnte das liegen?
Gerade weil Jugendarbeit ein Einstiegsfeld der Sozialen Arbeit ist, sind viele an einem Praktikum zum Kennenlernen des Arbeitsfeldes interessiert. Die Offene Jugendarbeit Zürich (OJA) versteht sich als Ausbildungsorganisation und bietet praktisch in jeder Einrichtung einen Praktikumsplatz an.
Weshalb werden in der Jugendarbeit verglichen mit anderen Arbeitsfeldern mehr Stellen mit mittleren Teilzeitpensen um die 50 Stellenprozent und weniger mit hohen Teilzeitpensen in der Grössenordnung von 90 Stellenprozenten ausgeschrieben?
Bei den aktuell neun Einrichtungen der OJA Zürich stellt sich jeweils die Frage, ob das Team besser mit zwei bis drei Mitarbeitenden mit hohen Teilzeitpensen oder mit drei bis vier Mitarbeitenden mit mittleren Teilzeitpensen aufgestellt ist. Aufgrund der Aufgaben und Aktivitäten sind hier mehr Mitarbeitende mit mittleren Teilzeitpensen die wirksamste und effizienteste Lösung. Hinzu kommt, dass die OJA Zürich in jeder Einrichtung nach Möglichkeit eine Studentin oder einen Studenten beschäftigt und einen Praktikumsplatz anbietet, was ebenfalls nur mit einem mittleren Teilzeitpensum möglich ist. Beide Feststellungen treffen wohl für die meisten Organisationen der Jugendarbeit zu. In der OJA Zürich gibt es viele Mitarbeitende, die mit dem Stellenpensum zufrieden sind. Es gibt aber auch immer wieder die Situation, dass Mitarbeitende ein höheres Stellenpensum wünschen, dies aber in ihrer Einrichtung aus finanziellen oder inhaltlichen Gründen nicht möglich ist.
Wie schätzen Sie den Stellenmarkt in der Jugendarbeit ein?
Ich erachte den Stellenmarkt als ausgesprochen heterogen. Es bewerben sich einerseits Personen mit langjähriger Berufserfahrung, andererseits auch solche mit wenig oder keiner Berufserfahrung. Personen also, die ihre Ausbildung in Sozialer Arbeit gerade abgeschlossen haben beziehungsweise diese erst noch absolvieren wollen. Dies bietet die Möglichkeit, aus einer grossen Bandbreite die jeweils passende Person für eine offene Stelle zu finden. Eine eindeutige Tendenz – über die Jahre hinweg – beobachte ich nicht, jedoch von Ausschreibung zu Ausschreibung teilweise grosse Unterschiede bei der Anzahl und Qualität der eingehenden Bewerbungen. Diese lassen sich nicht immer eindeutig erklären. In den letzten Jahren wurde ein Teil der freien Stellen durch Personen besetzt, die bereits ein Praktikum in der OJA Zürich absolviert hatten. Das ist nicht nur für diese Personen ein Gewinn, sondern auch für unsere Organisation, da so die Kontinuität in der Jugendarbeit und der OJA unterstützt werden kann.
Sehen Sie in unseren Auswertungen etwas, das Sie beunruhigt?
Grundsätzlich zeigen die Auswertungen keine Überraschungen. Sie bilden die Lage in der OJA realistisch ab. Handlungsbedarf für die Zukunft sehe ich darin, mehr höherprozentige Teilzeitpensen um die 80 Prozent zu schaffen – aktuell haben lediglich die Leitungspersonen ein solches Stellenpensum. Damit könnte noch mehr Fachwissen und Erfahrung in der Organisation gehalten werden, da Mitarbeitende mit höherem Pensum erfahrungsgemäss länger in der Organisation bleiben. Andererseits ist eine gewisse Fluktuation gerade in der Jugendarbeit wichtig, damit sich die Organisation weiterentwickelt und am Puls der Lebenswelt der Jugendlichen bleibt. Die OJA hat diesbezüglich aktuell eine gute Mischung.
Worauf achten Sie bei der Personalsuche und welche Qualifikationen sind Ihnen bei den Bewerbenden wichtig?
Je nach Teamzusammensetzung in der Einrichtung suchen wir entweder Mitarbeitende mit einer Ausbildung auf FH- oder HF-Stufe und Erfahrung im Arbeitsfeld. Oder Mitarbeitende, die ins Arbeitsfeld einsteigen und eine Ausbildung absolvieren wollen. Personen, die weder eine Fachausbildung besitzen noch eine besuchen wollen, stellen wir also nicht ein. Für die Jugendarbeit ist Neugier und das Interesse für jugendspezifische Themen und Entwicklungen Voraussetzung. Wichtig ist aber auch Erfahrung in der Arbeit mit Jugendlichen. Je nach Ausschreibung bedeutet das, Berufserfahrung oder Erfahrungen im freiwilligen und ehrenamtlichen Bereich zu haben. Bewerbende müssen sowohl eigenständig als auch im Team arbeiten können, kommunikativ und initiativ sein und Erfahrung in Projektarbeit oder ein Flair dafür mitbringen. Eine hohe Verbindlichkeit und Verlässlichkeit sind sowohl für die Arbeit mit den Jugendlichen als auch im Kontakt mit Kooperationspartnern wichtig.
Autor*innen

Sarah Madörin
Wissenschaftliche Mitarbeiterin
Hochschule für Soziale Arbeit FHNW, Institut Beratung, Coaching und Sozialmanagement

Jeremias Amstutz
Wissenschaftlicher Mitarbeiter und Dozent
Hochschule für Soziale Arbeit FHNW, Institut Beratung, Coaching und Sozialmanagement
Co-Projektleiter des Studiengangs «Freiform»

Peter Zängl
Dozent
Hochschule für Soziale Arbeit FHNW, Institut Beratung, Coaching und Sozialmanagement

Barbara Beringer
ehem. Geschäftsleiterin
Sozialinfo