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Zwischenverdienst im Stundenlohn

Veröffentlicht:
17.08.2022
Kanton:
Solothurn
Status:
Beantwortet
Rechtsgebiet:
Sozialversicherungsrecht

Sehr geehrte Herren Mösch und Schilliger

Zurzeit berate ich einen gehörlosen Mann, der nach längerer Phase der Arbeitlosigkeit per 25.07.2022 einen Zwischenverdienst im Stundenlohn antreten konnte.

Der Arbeitgeber rechnet bei den Angestellten den Lohn wie folgt ab:

  • Auszahlung der erarbeiteten Stunden im Monat Juli erfolgt am 25.08.2022
  • Auszahlung der erarbeiteten Stunden im Monat August erfolgt am 25.09.2022
  • Auszahlung der erarbeiteten Stunden im Monat September erfolgt am 25.10.2022
  • etc.

Dies wurde auf dem Zwischenverdienstformular klar so deklariert. Nichtsdestotrotz hat die Arbeitslosenkasse nun die noch nicht ausbezahlten Stunden Juli mit dem Taggeld Juli verrechnet, was unseren Klienten in einen finanzielle Schieflage bringt. Für Juli erhielt er so anstelle von 21 Taggeldern nur deren 16. Noch gravierender wird dies Ende August sein, wenn er effektiv eine kleine Lohnzahlung des Arbeitgebers für Juli erhalten wird und die Arbeitslosenkasse den vollen Lohn August anrechnen wird. Unser Klient droht die Stelle wieder zu verlieren unter diesen Umständen, da er über keine Rücklagen verfügt.

Laut Auskunft des zuständigen Sachbearbeiters der Arbeitslosenkasse lasse die gesetzliche Grundlage kein anderes Vorgehen zu. Ein Ermessensspielraum bestehe nicht.

Ist diese Aussage korrekt? Und wenn ja: Was empfehle ich unserem Klienten, sollte der Arbeitgeber nicht bereit sein, bei der Abrechnung des Lohnes eine Ausnahme zu machen? 

Für Ihre Einschätzung bedanke ich mich herzlich.

Freundliche Grüsse

Frage beantwortet am

Peter Mösch Payot

Expert*in Sozialversicherungsrecht

Guten Tag.

Ein Zwischenverdienst führt zu einem Anspruch auf Kompensationszahlungen, berechnet auf der Basis des Ersatzes des Verdienstausfalls. Also auf der Basis der Differenz zwischen dem in der Kontrollperiode erzielten Zwischenverdienst, mindestens aber dem berufs- und ortsüblichen Ansatz für die betreffende Arbeit und dem versicherten Verdienst.

Gemäss C133 der AVIG-Praxis (https://www.arbeit.swiss/secoalv/de/home/service/publikationen/kreisschreiben---avig-praxis.html), also der Weisung des SECO an die Arbeitslosenkassen, wird das Einkommen aus Zwischenverdienst in jener Kontrollperiode angerechnet, in welcher die Arbeitsleistung erbracht worden ist (Entstehungsprinzip). Unerheblich ist somit, zu welchem Zeitpunkt die versicherte Person die Forderung realisiert.

Das ergibt sich auch eindeutig aus Art. 24 Abs. 1 AVIG. 

Vor diesem Hintergrund ist die Praxis der Arbeitslosenkasse in diesem Fall korrekt. 

Vorgehen: Mit Blick auf die Probleme, welche die verspätete Auszahlung der Taggelder für den Betroffenen mit sich bringt, ist tatsächlich eine Anfrage beim Arbeitgeber ratsam, ob die Zahlungen nicht vorgezogen werden können. 

Dabei ist auf der Basis von Art. 323 OR darauf hinzuweisen, dass grundsätzlich der Lohn immer Ende Monat auszurichtnen wäre. Das gitl als Maximalfrist (Arbeitsgericht Zürich, Urteil vom 02.07.2001, ZR 101 (202) Nr. 64). Nur wo Ende Monat die Lohnhöhe gar noch nicht feststeht sind spätere Termine denkbar. Die Verzögerung bis Ende des nächsten Monates, wie hier in casu, ist meines Erachtens unzulässig (ausser es wäre ein GAV bestehend, der das erlaubt; so ein Vertrag ist mir aber für keine Branche bekannt). 

Im Übrigen würde Art. 323 Abs. 4 OR  eine Grundlage schaffen für einen Vorschuss zur üblichen Auszahlung, wenn der Arbeitnehmer in eine Notlage gerät. Zumindest im Umfang der Notlage. 

Vor diesem Hintergrund sollte hier beim Arbeitgeber eine Lohnzahlung jeweils Ende des Monats verlangt werden.

Ich hoffe, das dient Ihnen.

Prof. Peter Mösch Payot