Guten Tag
Frau S. bezieht seit längerer Zeit materielle Hilfe.
Seit drei Jahren lebt sie im selben Haushalt mit der Mutter. Die Sozialhilfe Grundbedarf und Miete wird mit 1. von 2 Personenhaushalt berechnet.
Die Mutter ist arbeitstätig. Aus diesem Grund wurden Abklärungen betr. Entschädigung für Haushaltsführung getroffen. Die Mutter hat div. Unterlagen eingereicht. Mit der Einreichung der Unterlagen hat sie den Sozialdienst über den geplanten Kauf eines Bettes für ihre Tochter informiert. Da Frau S. aktuell gesundheitlich eingeschränkt ist, kann keine Entschädigung für Haushaltsführung angerechnet werden.
Anfangs September reicht die Mutter eine Quittung über CHF 3'000.- für den Kauf von Möbel (Matratze, Lattenrost, Duvet) dem Sozialdienst ein.
Frau S. wurde das rechtliche Gehör gewährt. Es wurde ihr erklärt, dass dies eine Zuwendung Dritter sei und deshalb eine Anrechnung geprüft wird.
Frau S. erklärte, dass ihr Bett 15 Jahre alt war, sie div. gesundheitliche Beschwerden hatte, es eine Schenkung der Mutter war und sie davon ausging, dass die Gemeinde die Kostenübernahme ablehnen würde, deshalb hat sie auf einen Antrag verzichtet.
Wie ist dieser Sachverhalt zu beurteilen?
Kann der Betrag von CHF 3'000.- als Zuwendungen Dritter angerechnet werden?
Zusatzfragen:
Inwiefern besteht ein Anspruch auf Finanzierung von Möbeln durch die Sozialhilfe? Welchen Anspruch haben Langzeitsozialhilfebeziehende?
Besten Dank und Freundliche Grüsse
Frage beantwortet am
Anja Loosli
Expert*in Sozialhilferecht
Sehr geehrte Frau Woodtli
Vielen Dank für Ihre Frage. Ich beantworte diese gerne wie folgt:
Gemäss § 11 Abs. 2 der Sozialhilfe- und Präventionsverordnung des Kantons Aargau (SPV , SAR 851.211) sind "Zuwendungen" alle freiwilligen Dritter wie Naturleistungen oder andere Leistungen mit wirtschaftlichem Wert, die ansonsten über den Grundbedarf zu decken sind.
Gäbe es nur diese Bestimmung wäre die Zuwendung der Mutter in Form von Möbeln klar keine anrechenbare Zuwendung, weil Möbelkosten (minimale Wohnungseinrichtung) nicht aus dem Grundbedarf zu finanzieren sind. Vielmehr stellen sie situationsbedingte Leistungen dar (Kapitel C.1.5 der SKOS-Richtlinien, die in § 10 Abs. 1 SPV für verbindlich erklärt werden).
Im Handbuch Sozialhilfe des Kantons Aargau wird unter dem Titel "freiwillige Leistungen Dritter" aber klar festgehalten, dass Leistungen auf freiwilliger Basis zu den eigenen Mitteln gehören. Freiwillige Leistungen Dritter seien immer dann anzurechnen, wenn dadurch ein in der Sozialhilfe bestehender Bedarf gemindert werde (z.B. Kleider, situationsbedingte Leistungen). Sie seien nach der Lehre nur dann nicht anzurechnen, wenn sie in relativ bescheidenem Umfang erfolgt seien, ausdrücklich zusätzlich zu den Sozialhilfeleistungen erbracht würden und sie der Dritte bei der Anrechnung einstellen würde. Seien die freiwilligen Leistungen zweckgebunden erfolgt, könne von einer Anrechnung abgesehen werden, wenn bei Anrechnung der Leistung der Zweck nicht mehr erreicht werden könne. Auch in den SKOS-Richtlinien werden die freiwilligen Leistungen Dritter grundsätzlich als den Sozialhilfeleistungen vorgehend erachtet (Kapitel A.4 SKOS-Richtlinien). In der Lehre wird die Meinung vertreten, dass bei Leistungen von Dritten, die mit der Zielsetzung der Sozialhilfe im konkreten Fall überinstimmen würden, dies der unterstützten Person nicht zum Nachteil gereichen dürfe, insbesondere, wenn die Sozialhilfe diese Leistungen nicht ebenfalls erbracht hätte (Guido Wizent, Sozialhilferecht, Zürich/St. Gallen 2020, N. 648) oder mit anderen Worten: Wenn die Sozialhife rechtlich verpflichtet wäre, eine Leistung zu erbringen, diese aber eine Drittperson freiwillig erbringt, kann die Leistung nicht als Einnahme angerechnet werden, hat die Sozialhilfe selbst die Kosten doch gespart. Alles andere wäre zynisch.
Zwischenfazit: Die Sozialhife ist nach SKOS-Richtlinien und direkt aus der Bundesverfassung zur Ermöglichung eines menschenwürdigen Daseins verpflichtet, die Wohnungseinrichtung in minimalem Umfang zu übernehmen. Wenn ein Dritter diese Kosten übernimmt, spart die Sozialhilfe diese und soll die Kosten dann nicht noch als Einnahmen anrechnen.
Damit ist Ihre Fragestellung aber noch nicht ganz beantwortet. Denn einerseits ist nicht geklärt, ob das Bett der Klientin tatsächlich nicht mehr gebrauchtsfähig war und andererseits hat die Mutter für das Bett inkl. Zubehör ohne vorgängige Rücksprache mit der Sozialhilfe Fr. 3'000.-- ausgegeben. Ob es sich dabei um eine minimale Lösung handelt, ist fragwürdig. Vielen Gemeinden kennen Grenzwerte, die weit unter diesem Betrag liegen.
Empfohlenes Vorgehen: Meiner Ansicht nach kann die Sozialhilfe entweder streng sein und von der Klientin verlangen zu beweisen, dass ihr Bett nicht mehr tauglich war. Falls sie dies nicht kann, bestand kein Anspruch auf ein neues Bett und die Kosten des Bettes können als freiwillige finanzielle Zuwendung als Einnahmen angerechnet werden. Bei grosszügiger Handhabung kann darauf verzichtet werden, zu verifizieren, ob die Klientin tatsächlich auf eine neues Bett angewiesen ist (oder sie belegt, dass sie auf ein neues Bett angewiesen ist). In diesem Fall ist der Betrag, den die Sozialhilfe für das Bett inkl. Zubehör als situationsbedingte Leistung hätte bezahlen müssen, nicht als Einnahmen anzurechnen. Der überschiessende - sozusagen luxuriöse - Teil kann dagegen als freiwillige Leistung Dritter angerechnet werden. Wie hoch der von der Sozialhilfe allenfalls zu bezahlende Betrag ist, kann ich nicht beurteilen. Es kommt auf die Regeln der Gemeinde an bzw. für welchen Betrag man eine minimale Bettausrüstung kaufen kann.
Ich hoffe, Ihnen mit meiner Antwort weiterhelfen zu können.
Freundliche Grüsse
Anja Loosli Brendebach