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Zustellung von IV-Entscheiden an den Sozialdienst – rechtliche Grundlage

Veröffentlicht:
13.02.2025
Kanton:
Luzern
Status:
Neu
Rechtsgebiet:
Sozialversicherungsrecht

Guten Tag

Wir haben auf unserem Sozialdienst eine Fachstelle für Sozialversicherungen (SVF), die im Hintergrund für unsere Klient*innen Sozialversicherungsleistungen erkämpft. Der Schwerpunkt liegt auf der IV. In diesem Zusammenhang fordert die SVF Akten an, analysiert diese und führt die Korrespondenz mit den medizinischen Dienstleistenden sowie der IV. Ziel ist es,  einen positiven Entscheid im erstinstanzlichen Verfahren zu erreichen.

Die SVF agiert im Hintergrund, weshalb Eingaben an die IV stets im Namen der Klient*innen erfolgen – der Sozialdienst selbst übernimmt keine direkte Vertretung. Allerdings verfügt die SVF über eine Auskunftsvollmacht sowie eine Vollmacht für den Austausch und die Zustellung von Akten und Entscheiden (Vorbescheide und Verfügungen). 

In der Regel erhalten wir die Entscheide direkt. In letzter Zeit ist es jedoch wiederholt vorgekommen, dass uns diese nicht zugestellt wurden. Daher möchten wir klären:

  1. Besteht eine rechtliche Verpflichtung der IV-Stelle, dem Sozialdienst unter diesen Umständen sämtliche Mitteilungen, Vorbescheide und Verfügungen direkt zuzustellen? Falls ja, auf welcher rechtlicher Grundlage? Oder handelt es sich hierbei lediglich um eine freiwillige Praxis (Goodwill) der IV-Stelle?
  2. Welche rechtlichen Möglichkeiten bestehen, gegen bereits in Kraft getretene Vorbescheide oder Verfügungen vorzugehen, falls wir trotz vorliegender Vollmacht keine Kopien davon erhalten haben?
  3. Falls die Rechtslage unklar ist, wären wir auch an Ihrer Einschätzung zu möglichen rechtlichen Argumentationen oder Ansätzen interessiert.

Besten Dank für Ihre Unterstützung.

    Guten Tag!

    Im Kern besteht ein Sozialversicherungsrechtsverhältnis zwischen der Klientin und der IV-Stelle.

    Eine Weitergabe von Informationen, Entscheidungen, Akten etc. an Dritte, wie an einen Sozialdienst, bedarf eines gesetzlichen (etwa Eltern), behördlichen .(etwa Beistandschaften) oder gewillkürten Vertretungsrechts. Ansonsten würde die IV-Stelle das Sozialversicherungsgeheimnis verletzen (Art. 33 ATSG).

    Art. 37 Abs. 2 ATSG schafft explizit das Recht sich vertreten zu lassen. Das ist im Weiteren Teil des Anspruchs auf rechtliches Gehör.

    Einschränkungen sind nur zulässig, wenn die Person von der Sache her selber zu handeln hat, namentlich bei medizinischen Abklärungen.

    Art. 37 Abs. 2 ATSG sieht vor, dass der Versicherungsträger die Vertretung auffordern kann, sich durch schriftliche Vollmacht auszuweisen. 

    Und Art. 37 Abs. 3 ATSG besagt explizit, dass der Versicherungsträger seine Mitteilung an die Vertretung macht solange die Partei die Vollmacht nicht widerrruft.

    Zur Klärung der genannten Problematik der Verweigerung der Herausgabe an Dritte wäre die Argumentation der IV-Stelle zu prüfen. Mit Blick auf Art. 37 Abs. 3 ATSG wäre dies höchstens zulässig, wenn die benutzte Vorlage unklar wäre. Mit Blick darauf, worauf sich das Vertretungsrecht bezieht. Dann könnte die Vollmacht ev. entsprechend angepasst werden.

    Bei einer Verweigerung der Berücksichtigung einer korrekten Bevollmächtigung wäre dies ein Verstoss gegen das rechtliche Gehör und Treu und Glauben. Und führt dazu, dass die betroffene Person schadenersatzberechtigt werden könnte, bzw. keinen Rechtsnachteil aus dem Fehler haben dürfte.

    Genügt das so?

    Beste Grüsse

    Prof. Peter Mösch Payot 

    Guten Abend

    Besten Dank für Ihre Rückmeldung vom 19.02.25. Wir verstehen Ihre Ausführungen so, dass wir als Sozialdienst die rechtliche Vertretung ausüben. Unser Sozialdienst verfügt lediglich über eine Auskunftsvollmacht sowie eine Vollmacht für den Austausch und die Zustellung von Akten und Entscheiden verfügen.

    Wir haben folgende Rückfragen:

    1. Zustellung der Verfügung:
      Gemäss BGE 149 V 49 hat die Sozialhilfebehörde, die eine versicherte Person regelmässig unterstützt, die Legitimation, eine rentenablehnende Verfügung im eigenen Namen anzufechten. Zudem sollte gemäss Art. 49 Abs. 4 ATSG die erlassene Verfügung auch an die vorleistende Sozialhilfebehörde zugestellt werden. Ist es korrekt, dass dies in unserem Fall ebenfalls gelten würde?
    2. Rechtsmittelmöglichkeit:
      Falls die Verfügung trotz vorliegender Vollmacht nur an die versicherte Person zugestellt wurde, möchten wir klären:
      • Besteht für den Sozialdienst oder für die/den Klient:in eine Möglichkeit, ein Rechtsmittel gegen diesen in Kraft getretenen Entscheid einzulegen? Wenn ja, Welches?
      • Falls die Verfügung aufgrund dieses Verfahrensfehlers nicht nichtig ist, bleibt dann allein der Weg der Wiederanmeldung?

    Für Ihre Klärung und Rückmeldung danken wir Ihnen im Voraus. 

    Freundliche Grüsse