Zum Inhalt oder zum Footer

Zustellung Beschluss Sozialamt durch die Beiständin - Ab wann ist der Beschluss rechtskräftig?

Veröffentlicht:
17.05.2022
Kanton:
Zürich
Status:
Beantwortet
Rechtsgebiet:
Sozialhilferecht

Sehr geehrte Damen und Herren

Meine Klientin ist obdachlos. Termine auf dem Sozialamt hat sie keine. Ihren Lebensunterhalt bezieht sie jede Woche bei uns am Schalter der Berufsbeistandschaft.

Den Leistungsentscheid (Verfügung der Sozialvorsteherin) habe ich einerseits als Beiständin erhalten. Das Exemplar für die Leistungsbezügerin wird mir auch geschickt. Unter Mitteilung an, steht xy (Übergabe des Exemplars durch die Beiständin). Es ist kein, wie z.B. bei der Staatsanwaltschaften üblich, Empfangsschein welcher die Klientin unterschreiben könnte, beigelegt. Das Sozialamt hat demzufolge keine Kenntnisse wann der Beschluss von mir der Sozialhilfeempfängerin übergeben worden ist.

Meine Frage ist nun, ab wann kann das Sozialamt mit einer Rechtskraft des Beschlusses ausgehen? 

Frage beantwortet am

Anja Loosli

Expert*in Sozialhilferecht

Guten Tag

Vielen Dank für Ihre Frage. Darf ich eine Rückfrage stellen? Was für eine Art von Beistandschaft besteht? Eine Begleit-, eine Vertretungs-, eine Mitwirkungs- oder eine vollumfängliche Beistandschaft?

Ich bedanke mich für Ihre Unterstützung. 

Freundliche Grüsse

Anja Loosli Brendebach

Vertretungsbeistandschaft ZGB 394/395

Guten Tag

Bei einem anderen Klienten, welche eine Zustelladresse vorhanden ist (Bewo) wird mir als Beiständin ebenfalls der Beschluss der Sozialbehörde für den Klienten mit der Bitte der Weiterleitung zugestellt.

Auch hier stellt sich für mich die Frage ab wann der Beschluss der Sozialbehörde rechtskräftig ist. Die Behörde kann nicht prüfen wann ich den Beschluss meinem Klienten zugestellt habe. Es könnte ja sein, dass ich den Beschluss nicht weiterleite, erst bei einem Standortgespräch im nächsten Jahr oder per Post sende. 

Auch hier eine Vertretungsbeistandschaft nach 394/395 ZGB.

Vielen Dank für die Antwort. 

Frage beantwortet am

Anja Loosli

Expert*in Sozialhilferecht

Guten Tag

Vielen Dank für Ihre Frage. Ich beantworte diese gerne wie folgt:

Die Frage, wer Verfügungsadressat bei einer Vertretungsbeistandschaft sein soll und muss, ist keine einfache und einiges ist unklar.

Es herrscht folgende Meinung vor:

1. Hat ein Vertretungsbeistand ein Mandat in administrativen Belangen und auch die Aufgabe der Geltendmachung von Ansprüchen (z.B. gegenüber der Sozialhilfe) gilt Folgendes:

- Die verbeiständete Person ist handlungsunfähig: Die Verfügung ist alleine an den Beistand zu eröffnen. Nur er und nicht die verbeiständete Person kann im Namen der handlungsunfähigen Person ein Rechtsmittel ergreifen.

- Die verbeiständete Person ist handlungsfähig: Die Verfügung ist sowohl dem Beistand wie auch der verbeiständeten Person zu eröffnen. Beide können unabhängig voneinander ein Rechtsmittel ergreifen. Die Rechtsmittelfrist für die verbeiständete Person beginnt erst zu laufen, wenn ihr die Verfügung nachweislich eröffnet bzw. zugestellt wurde. Der Beweis, dass die Verfügung eröffnet wurde bzw. zugegangen ist, obliegt der verfügenden Behörde. Stellt sie die Verfügung dem Beistand zu mit dem Auftrag, die Verfügung der verbeiständeten Person weiterzuleiten, ohne z.B. eine Zustellungsquittung zu verlangen, erschwert sie sich selbst den Beweis, dass die Zustellung erfolgt ist und kann damit allenfalls nicht beweisen, wann die Rechtsmittelfrist zu laufen begonnen hat (BGE 5A_232/2018).

- Die verbeiständete Person ist beschränkt handlungsfähig: Hat die KESB spezifisch im Bereich des Verkehrs mit der Sozialhilfe oder den Behörden die Handlungsfähigkeit eingeschränkt, ist die Verfügung ausschliesslich dem Beistand zuzustellen. Ist die Handlungsfähigkeit zwar eingeschränkt aber nicht im fraglichen Bereich, ist die Verfügung sowohl dem Beistand wie der verbeiständeten Person zu eröffnen. Bezüglich des Beweises der Zustellung und des Beginns der Rechtsmittelfrist gilt dann das unter «handlungsfähiger verbeiständeter Person» Ausgeführte (siehe auch BGE 5A_456/2017).

2. Hat ein Vertretungsbeistand kein Mandat betreffend Geltendmachung von Ansprüchen (z.B. gegenüber der Sozialhilfe) gilt Folgendes:

- Die verbeiständete Person ist handlungsunfähig: Die Verfügung ist dennoch alleine an den Beistand zu eröffnen.

- Die verbeiständete Person ist handlungsfähig: Die Verfügung ist von der Behörde (z.B. der Sozialhilfe) nur der handlungsfähigen Person zu eröffnen bzw. zuzustellen und der Beistand darf nicht beauftrag werden, die Zustellung vorzunehmen (sinngemäss BGE 5A_232/2018).

- Die verbeiständete Person ist beschränkt handlungsfähig: Ist die verbeiständete Person bezüglich der Geltendmachung von Ansprüchen (z.B. gegenüber der Sozialhilfe) handlungsfähig, ist die Verfügung alleine ihr zu eröffnen bzw. zuzustellen und der Beistand darf nicht beauftragt werden, die Zustellung vorzunehmen.

Ich hoffe, Ihnen mit dieser Antwort weiterhelfen zu können.

Freundliche Grüsse

Anja Loosli Brendebach