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Zuständigkeit WSH Wohngemeinde oder Dienststelle Asyl- und Flüchtlingswesen

Veröffentlicht:
09.11.2022
Kanton:
Luzern
Status:
Beantwortet
Rechtsgebiet:
Sozialhilferecht

Sehr geehrte Damen und Herren

Es hat sich eine Klientin bei uns auf dem Sozialamt gemeldet für den Bezug von wirtschaftlicher Sozialhilfe. Die Klientin reiste ab 2009 mit Touristen-Visa wiederholt in die Schweiz ein und aus. Seit dem 26. März 2014 lebt sie durchgehend in der Schweiz. Sie erhielt jeweils vom Amigra des des Kantons Luzern eine Kurzaufenthaltsbewilligung L, welche auf Gesuch hin jedes Mal verlängert wurde, zuletzt bis am 31. Juli 2019. Mit Verfügung vom 30. September 2022 lehnte das Amigra des Kantons Luzern das Gesuch um Verlängerung des Besuchsaufenthalter resp. um Verlängeruung der Kurzaufenthaltsbewilligung und Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung ab. Dagegen führte die Klientin Beschwerde beim Regierungsrat des Kantons Luzern, welcher die Beschwerde mit Entscheid vom 2. August 2022 ebenfalls abwies und bestimmte, dass die Klientin die Schweiz bis spät zum 31. Oktober 2022 zu verlassen habe. Nun hat die Klientin am 17. Oktober 2022 ein Asylgesuch beim Staatssekretariat für Migration eingereicht.

Gemäss LuReg vom 8. November 2022 hat die Klientin nach wie vor die Ausländerkategorie Kurzaufenthalterin, gültig bis 31. Juli 2019, mit Einreisedatum vom 26. März 2014.

Es stellt sich für mich die Frage nach der Anspruchsberechtigung für Sozialhilfe und nach der Zuständigkeit (Dienststelle Asyl- und Flüchtlingswesen Kanton Luzern oder Gemeinwesen).

Mit Schreiben vom 8.11.22 lehnt die Dienststelle Asyl- und Flüchtlingswesen den Antrag um wirtschaftliche Sozialhilfe ab mit der Begründung, dass bei Personen aus dem Asyl- und Flüchtlingsbereich, die seit mehr als zehn Jahren wohnfhaft in der Schweiz sind, die Einwohnergemeinde zuständig ist. Gemäss LuReg ist die Klientin am 26. März 2014 in die Schweiz eingereist, dann wäre sie noch nicht zehn Jahre wohnhaft in der Schweiz. Meines Erachtens wäre dann auch die Dienststelle Asyl- und Flüchtlingswesen zuständig.

Besten Dank im Voraus für Ihre Rückmeldung.

Frage beantwortet am

Melanie Studer

Expert*in Sozialhilferecht

Guten Tag 

Sie erhalten in den nächsten Tagen eine Rückmeldung - danke für die Geduld.

Beste Grüsse

Melanie Studer 

Frage beantwortet am

Melanie Studer

Expert*in Sozialhilferecht

Guten Tag

So, jetzt noch die eigentliche Antwort auf Ihre Frage:

Die Kurzfassung vorweg: ich teile Ihre Einschätzung, dass die Einwohnergemeinde nicht zuständig ist.

Begründen lässt sich das aufgrund der gesetzlichen Ausgangslage im Kanton Luzern wie folgt:

Gemäss § 53 Abs. 1 des Sozialhilfegesetzes des Kantons Luzern gewährt der Kanton Asylsuchenden wirtschaftliche Sozialhilfe. In § 3 der kantonalen Asylverordnung wird festgehalten, dass als Asylsuchende Personen gelten, die gem. Art. 42 des Asylgesetzes des Bundes (AsylG) in der Schweiz aufhalten. Gemäss Art. 42 AsylG dürfen sich Personen, die ein Asylgesuch gestellt haben, sich bis zum Abschluss des Verfahrens in der Schweiz aufhalten.

Nun wurde die Klientin im Moment, in dem sie beim SEM ein Asylgesuch gestellt hat, zur Person, die sich Art. 42 AsylG in der Schweiz aufhält und damit grundsätzlich in den Anwendungsbereich der kantonalen Asylverordnung und somit grundsätzlich in den Zuständigkeitsbereich des Kantons.

Zur Argumentation mit den 10 Jahren: § 53Abs. 6 des Sozialhilfegesetzes des Kantons Luzern sieht vor: «Halten sich vorläufig aufgenommene Personen mehr als zehn Jahre in der Schweiz auf, ist für die persönliche und wirtschaftliche Sozialhilfe die Einwohnergemeinde zuständig.» § 54 Abs. 6 SHG Luzern sieht analoges für Flüchtlinge vor. Nun hält sich aber die Klient*in nicht seit 10 Jahren als vorläufig aufgenommene Person in der Schweiz auf. Vielmehr hat sie gemäss Ihren Angaben ihr Anwesenheitsrecht bisher aus (Kurz-)Aufenthaltsbewilligungen abgeleitet – sie war nie vorläufig aufgenommene Person i.S. des Asylgesetztes oder Ausländer- und Integrationsgesetztes (vgl. Art. 83 AIG). Eben so wenig ist sie «Flüchtling». Diesen Status würde sie erst erhalten, wenn ihr Asylgesuch angenommen würde und mit der Asylgewährung der Flüchtlingsstatus zuerkannt. Mit anderen Worten: die Klientin wurde erst mit der Stellung des Asylgesuchs eine «Person aus dem Asyl- und Flüchtlingsbereich». Vorher war sie eine Person aus dem «AusländerInnen Bereich». Also ungeachtet der Frage, ob die Anwesenheit 2009 oder 2014 begonnen hat, kommen diese Bestimmungen (§ 53 Abs. 6 und § 54 Abs. 6), die die Zuständigkeit der Gemeinde vorsehen, noch (lange) nicht zur Anwendung.

Was es allerdings zu beachten gilt: An sich sieht das Asylgesetz vor, dass Asylsuchende in einer ersten Phase in einem Zentrum des Bundes (Bundesasylzentrum, BAZ) untergebracht werden und nach spätestens 140 Tagen einem Kanton zugeteilt werden, sofern das Asylverfahren noch nicht abgeschlossen ist (vgl. Art. 24 Abs. 3 und Abs. 4 AsylG). Wie dies allerdings vom SEM in Konstellationen, wie der vorliegenden – eine Person ist bereits längere Zeit in der Schweiz und stellt erst später ein Asylgesuch – gehandhabt wird, ist mir nicht bekannt, respektive handelt es sich dabei um eine Migrationsrechtliche Fragestellung, die ich hier nicht abschliessend beantworten kann. Wahrscheinlich dürfte sich hier die Kontaktaufnahme mit dem SEM lohnen.  

Ich hoffe, das hilft Ihnen.

Beste Grüsse

Melanie Studer