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Zuständigkeit und Nachdeckung bei 2 Krankentaggeldversicherungen

Veröffentlicht:
13.06.2022
Kanton:
Luzern
Status:
Beantwortet
Rechtsgebiet:
Sozialversicherungsrecht

Guten Tag

Meine Patientin ist seit über 20 Jahr in einem 100% Pensum in einem Anstellungsverhältnis (AG 1). Im September 2021 wurde ihr dort gekündigt. Im Anschluss wurde ihr eine arbeitsplatzbezogene Arbeitsunfähigkeit attestiert, welche bis Ende Juli 2022 verlängert wurde. Unter Einhaltung der Sperrfrist endet das Arbeitsverhältnis per Ende Juli 2022.

Die Pat. erhält Krankentaggelder der Basler Versicherung.

Von Dezember 2021 bis Mitte April 2022 war sie zu 60% AUF (allgemein). Die Pat. meldete sich anfangs Dezember beim RAV und fand per Mitte Dez. 2021 eine 30% Anstellung (AG 2). Ab diesem Zeitpunkt leistete die Basler Versicherung ein Krankentaggeld analog der 60% AUF.

Beim AG 2 ist die Pat. in der Krankentaggeldversicherung der Zürich Versicherung. Das Ereignis wurde letzte Woche durch den AG 2 bei der Zürich Versicherung angemeldet.   

Seit Mitte April ist die Pat. aufgrund einer Verschlechterung des bisherigen Gesundheitszustandes wieder zu 100% AUF. Die Basler Versicherung leistet wieder das volle Krankentaggeld. IV Anmeldung ist erfolgt.

Es ist damit zu rechnen, dass die Pat. per Ende Juni 2022 die Kündigung vom AG 2 erhält und damit ab 1. August 2022 keine Anstellung mehr hat.

  1. Was geschieht bei einer AUF mit zwei involvierten Krankentaggeldversicherer (Koordination, Zuständigkeit, wer leistet was wofür und in welchem Umfang)?
  2. Aktuell erhält die Pat. das volle Taggeld für den versicherten Verdienst der 100% Anstellung (1. AG). Beim 2. AG ist der Verdienst deutlich schlechter und das Arbeitspensum ist mit 30% tief. Was geschieht ab August 2022, wenn die Anstellung beim AG 1 beendet ist und die Pat. weiterhin zu 100% AUF ist. Wer bezahlt das Krankentaggeld und nach welchem Lohn bemisst sich die Höhe des Krankentaggeldes?
  3. Analog der 2. Frage: Welche Versicherung übernimmt die Nachdeckung und in welchem Umfang, falls auch das 2. Arbeitsverhältnis per Ende Juli 2022 endet?
  4. Kann / muss die Pat. etwas unternehmen, damit die Krankentaggeldhöhe auch ab August 2022 zu den bisherigen Konditionen weiterbesteht?

Vielen Dank für Ihre Rückmeldung

Mit besten Grüssen

Frage beantwortet am

Peter Mösch Payot

Expert*in Sozialversicherungsrecht

Guten Tag! Gerne beantworte ich Ihre Fragen.

Guten Tag!

 

Zu Frage 1

A. Bestehen zwei Krankentaggeldversicherungen (Kollektivtaggeldversicherungen nach VVG, so meine Annahme) so ist primär zu prüfen, wie die jeweiligen konkret mit dem Arbeitgeber vereinbarten Versicherungsbedingungen der Kollektivtaggeldversicherung ausgestaltet sind und welche Leistungen sie unter welchen Voraussetzungen mit welchen Karenzfristen und ev. Auschlüssen etc. vorsehen.

B. Auch für die Frage der Koordination und der Beschränkung vor einer allfälligen Überentschädigung sind primär die Versicherungsbedingungen (AVB) von Relevanz.  Diese wären also hier primär zu konsultieren. Neben  allgemeinen Rechtsgrundsätzen des Versicherungsrechts wie dem Überentschädigungsverbot (keine Versicherungsleistungen, die höher sind als der versicherte Erwerb und dem Rückversicherungsverbot (keine Versicherung für Risiken, die vor dem Versicherungsabschluss eingetreten sind). 

C.  In einem Fall wie vorliegend, wo zwischen Dezember und April eine Teilarbeitsunfähigkeit bestand (mit entsprechenden Taggeldleistungen) und dann eine neue Tätigkeit aufgenommen wurde, die dann auch wegen einer entsprechenden AUF aufgeben werden musste, ist im Regelfall Folgendes entscheidend:  WANN zeitlich die Ursache entstand, welche die entsprechende Arbeitsunfähigkeit bewirkte. Sollte sich der Gesundheitszustand aus einer Ursache verschlechtern, die schon zuvor bestand (Rückfall), so dürfte die  bisherige, frühere Taggeldversicherung nach ihren Regeln leistungspflichtig sein. Das scheint hier der Fall zu sein, wenn die Taggeldversicherung des AG 1 die vollen Leistungen wieder aufgenommen hat.

Zu Frage 2, 3 und 4 

A. Bei Krankentaggeldversicherungen wird in aller Regel (entscheidend auch hier die AVB) der durch die Arbeitsunfähigkeit bewirkte Erwerbsausfall versichert (so genannte Schadenversicherungen).

Das scheint vorliegend auch bzgl. der Taggeldversicherung des AG 1 der Fall zu sein. 

Diese Versicherung leistet also wohl ein Taggeld in der Höhe eines Prozentsatzes des Erwerbsausfalles  für eine gemäss den AVB beschränkte Zeit. Details sind wie gesagt aus den AVB und direkt mit der Taggeldversicherung zu entnehmen. 

Wenn Ende Juli 2022 die Anstellung beendet ist, so ist diese Beendigung ebenfalls ein Faktor, der auf die Weitergewährung der Taggelder einen Einfluss haben kann: Im Regellfall laufen aber Taggelder, falls die Arbeitsunfähigkeit, bzw. die Verschlechterung WAEHREND der Anstellung eintrat, auch nach Beendigung der Anstellung, weiter. Zu beachten sind aber die AVB bzgl. allfälliger Beschränkungen der Anzahl Taggelder nach einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses.

B) Aus den AVB kann sich eventuell die Verpflichtung zum Übertritt in die Einzelversicherung ergeben, damit weitere Taggelder gewährt werden können. Das ist hier unbedingt zu überprüfen, bzw. beim Versicherer nachzufragen.  

Ein solcher Übertritt in die Einzelversicherung wäre auf jeden Falll zwingend, wenn auch NEUE Gesundheitsbeeeinträchtigungen und ihre Auswirkung auf den Erwerb versichert werden sollen. Die Prämien dafür sind meist hoch. Aber es dürfen im Rahmen des Übertritts in die Einzelversicherung KEINE neuen Vorbehalte angebracht werden.

Der Übertritt in die Einzelversicherung wird von den genannten Versicherungen in der Regel im Rahmen eines so genannten Freizügigkeitsabkommens der Versicherer angeboten (vgl. dazu Freizügigkeitsabkommen in der Kollektiv-Krankentaggeldversicherung | SVV) und ist gesetzlich verpflichtend, wenn der Betroffene arbeitslos wird (Art 100 Abs. 2 VVG). 

C) Da die Taggeldversicherung des Arbeitgebers 1 aktuell wieder die vollen Taggelder bewährt gehe ich wie dargestellt davon aus, dass die Ursache der AUF noch von der Zeit herrührt, als der Klient NICHT eine Teilzeitanstellung hatte (AG 2). Vor diesem Hintergrund kommt die allfällige Taggeldversicherung des AG 2 hier auch nicht bei der Kündigung ins Spiel.

D) Es ist vorliegend vorerst bei der KTV abzuklären, ob die laufenden Taggelder auch ohne Übertritt weiterlaufen bei einer Kündigung (und wie lange). Ein Übertritt kann sich nur lohnen, wenn die Prämie tragbar ist, wenn auch bezüglich NEUEN Krankheitsereignissen noch ein Erwerbsausfall versichert werden soll.

Ich hoffe, das dient Ihnen.

Prof. Peter Mösch Payot