Sehr geehrte Damen und Herren
Ich habe eine Frage zur Zuständigkeit im Zusammenhang mit dem Zeitpunkt der Einreichung des Gesuchs und der Abmeldung der Klientin.
Am 24. März 2020 wurde Frau X telefonisch von ihrer Beiständin per 1. März 2020 in der Gemeinde D angemeldet. Das Gesuch um Wirtschaftliche Sozialhilfe bei der Gemeinde D. ging am 31. März im Sozialdienst ein (Poststempel). Der Übergangsmonat März 2020 wurde von der Gemeinde M. (ausserkantonal) bezahlt.
Per 31. März meldete sich Frau X. in der Gemeinde D. ab bzw. wurde dies am 9. April 2020 bei der Einwohnerkontroll gemeldet. Frau X zog in die Gemeinde W. (ausserkantonal) per 31. März 2020
Das Gesuch um Wirtschaftliche Sozialhilfe ist praktisch vollständig eingegangen. Die Beiständin vermerkte, dass Frau X. beabsichtige, in der Region zu verbleiben. Frau X. lebte zur Untermiete bei einem Bekannten. Der Untermietvertrag wurde zugestellt, jedoch wurde vom Vermieter nicht bestätigt, dass er von dieser Untermiete weiss.
In wessen Zuständigkeit liegt nun die Sozialhilfe, wenn das Gesuch am selben Tag eingegangen ist, an welchem die Klientin wieder weggezogen ist und scheinbar nur vorübergehend hier war?
Besten Dank
Frage beantwortet am
Ruth Schnyder
Expert*in Sozialhilferecht
Guten Morgen Herr Zelger
Gerne beantworte ich Ihre Anfrage. Ich habe folgende Klärungsfragen:
- Verstehe ich das richtig: Frau X. hat sich nie in der Gemeinde D. aufgehalten? Sie ist direkt von der ausserkantonalen Gemeinde M. in die anderere ausserkantonale Gemeinde W gezogen?
- In welcher Gemeinde befindet sich der Untermietvertrag?
- Falls sich die Untermiete in der Gemeinde D. befindet: Welche Wohnsituation hat sie in der Gemeinde W.? Hat sie ihren ganzen Hausrat nach W. mitgenommen? Was waren ihre Beweggründe nach W. zu ziehen statt nach D.?
Besten Dank für Ihre Antwort.
Freundliche Grüsse
Ruth Schnyder
Hallo Ruth
Frau X. hat sich in der Gemeinde D. aufgehalten. Sie kam irgendwann im März 2020 in die Gemeinde D. und ist per 31. März wieder weggezogen. Sie wurde von der Beiständin am 9. April rückwirkend auf 31. März abgemeldet. Der Untermietvertrag befand sich in der Gemeinde D. Die Beiständin gab an, dass sie von dort aus eine Wohnung in der Region suchen möchte. In der Gemeinde W. konnte sie nun übergangsmässig zu ihrer Mutter, da es ihr - aus uns unbekannten Gründen - nicht mehr möglich war in D. zu wohnen. Es scheint, als wäre kein grosser Hausrat vorhanden und der Umzug so sehr schnell vollzogen gewesen. Evtl. hat sie sogar noch einiges in der Gemeinde M., was aber nicht sicher ist.
Warum Klientin X. beabsichtig,bei uns in der Region (undefiniert) zu bleiben, ist nicht bekannt.
Reicht dir das so?
Liebe Grüsse
Christoph
Frage beantwortet am
Ruth Schnyder
Expert*in Sozialhilferecht
Lieber Christoph
Danke für deine ergänzenden Informationen. Ausschlaggebend erscheint mir, dass laut Beiständin Frau X. von der Gemeinde D. aus in der Region eine Wohnung suchen wollte. D.h. sie hatte offenbar keine klare Absicht, in der Gemeinde D. dauernd zu verbleiben. Denn für die Begründung eines Unterstützungswohnsitzes (Art. 4 ZUG) muss sich die Absicht dauernden Verbleibens auf einen bestimmten Ort bzw. eine bestimmte Gemeinde beziehen. Fehlt diese konkrete Absicht, bezieht sich diese wie im vorliegenden Fall auf eine Region bzw. mehrere Ortschaften, dann ist dies meiner Meinung nach nicht ausreichend, um die erforderliche Absicht begründen zu können. Hatte Frau X. tatsächlich nicht die konkrete Absicht, sich dauernd in D niederzulassen, sondern von dort aus in der Region eine Wohnung zu suchen, dann verfügte sie lediglich über einen Aufenthalt im Sinne von Art. 11 ZUG in der Gemeinde D., in der Zeit als sie bei ihrem Bekannten effektiv (in Untermiete) wohnte. Die Annahme eines Aufenthaltes nach Art. 11 ZUG hat zur Folge, dass dieser beim effektiven Umzug zur Mutter nach W. auch wechselt. Bei der Annahme lediglich des Aufenthaltes im Sinne von Art. 11 ZUG scheint zudem die Bezahlung des Übergangsmonates (Kap. B. 3 SKOS-RL i.V.m. § 31 Abs. 1 SHG) nicht angezeigt, da die wirtschaftliche Hilfe eng mit der tatsächlichen Anwesenheit verknüpft ist. D.h. ab dem Zeitpunkt, zu dem Frau X. bei der Mutter unterkam (31.3.), hat sie Aufenthalt im Sinne von Art. 11 ZUG in der Gemeinde W. begründet oder Unterstützungswohnsitz im Sinne von Art. 4 ZUG, wenn sie neu die Absicht dauernden Verbleibens in W. hat. D.h. ab diesem Zeitpunkt ist die Gemeinde W. zuständig.
Anders würde es sich verhalten, wenn sie die Absicht hatte, sich in D. niederzulassen, ihre Pläne aber ändern musste, weil es mit dem Bekannten in D. nicht klappte. Dann hätte sie den Unterstützungswohnsitz im Sinne von Art. 4 ZUG in der Gemeinde D. begründet als sie zum Bekannten zog (selbst, wenn sie nur vorübergehend beim Bekannten hätte bleiben können, aber von dort aus klar eine Wohnung in D. suchen wollte). In diesem Fall müsste zunächst nachgegangen werden, mit welchen Absichten das Unterkommen bei der Mutter verbunden war. War damit eine kurzfristige Behebung von Obdachlosigkeit verbunden mit dem Wunsch wieder nach D. zurückzukehren, würde die Gemeinde D. weiterhin zuständig bleiben, da es sich beim Unterkommen in W. um einen Sonderzweck handelt. Die Gemeinde D. müsste also für die Zeit in der Gemeinde W. für Frau X. aufkommen, wobei der Sonderzweck der Behebung der Obdachlosigkeit nicht zum Dauerzustand werden dürfte, andernfalls zumindest mittelfristig von einem Wegzug nach W. ausgegangen werden müsste (Art. 9 ZUG). D.h. Frau X. müsste nachweislich eine Wohnung in D. suchen. Gegen die Absicht, nach D. zurückzukehren spricht aber, dass sie sich in D. abgemeldet hat. Ist sie nach W. tatsächlich weggezogen und hat den Bezug zu D. als (angenommener) ursprünglicher Unterstützungswohnsitz aufgegeben, stellt sich die Frage, ob D. für den Übergangsmonat aufkommen muss. Ist Frau X. tatsächlich am 31.3. zur Mutter gezogen, dann fehlt der Bezug von wirtschaftlicher Hilfe in der Gemeinde D., da das Gesuch erst nach Ende des Unterstützungswohnsitzes gestellt wurde. Der Bezug von wirtschaftlicher Hilfe bedingt meiner Meinung nach aber die Finanzierung des Übergangsmonats. Denn der Übergangsmonat ist dafür gedacht, dass keine Lücke entsteht aufgrund von Abklärungen und Entscheidungswegen in der neuen Wohngemeinde. Im vorliegenden Fall müsste ja auch die Gemeinde D. die nötigen Abklärungen treffen.
Im konkreten Fall scheint es so, dass Frau X. nur Aufenthalt in der Gemeinde D. begründet hat, im Fall der Begründung eines Unterstützungswohnsitzes in D. aber nun nach W. weggezogen ist, so dass die Gemeinde W. bei beiden Varianten ab effektivem Wegzug zuständig ist, und zwar ohne Übergangsmonat. Falls diese Annahme von der Beiständin bestritten und die Variante Obdachlosigkeit behauptet wird, dann ist notwendig, die Absichten mit Frau X., wie oben dargelegt, sorgfältig zu klären, auch weshalb sie sich von D. abgemeldet hat. Am Schluss müssen die Absichten mit den äusserlichen Umständen, die auf den Lebensmittelpunkt schliessen lassen (wo Frau X. z.B. die Beziehungen pflegt, Wohnungssuche usw.), ein deckungsgleiches Bild geben. Im Zweifelsfall ist von Abmeldung auszugehen (Art. 9 Abs. 3 ZUG), wenn Frau D. ursprünglich einen Unterstützungswohnsitz in der Gemeinde D. begründet hat. Für weitere Informationen ist der Kommentar zum ZUG von Werner Thomet (Schulthess 1994) hilfreich, insb. Rz. 94 ff., 166 ff. und 148 zu Art. 4, 9 und 11 ZUG.
Ich hoffe, die Antwort hilft dir im konkreten Fall weiter, und wünsche dir schöne und erholsame Pfingsten.
Herzliche Grüsse, Ruth