Meine Rolle: Beiständin, Kindesschutzmandat
Kind, Jg. 2016 lebt in Langzeitpflege bei Grosseltern ms., whf in Gemeinde X.
KM alleinige elterliche Sorge und Aufenthaltsbestimmungsrecht (Kind freiwillig in Langzeitpflege). Whf. in ebenfalls X, bezieht WSH.
KV wohnhaft in Gemeinde Y. Bezieht WSH.
Gemäss Pflegevertrag CHF 780.- Pflegekosten, welche den Pflegeeltern zu überweisen sind.
Gemeinde X übernimmt für Kind Krankenkassenkosten sowie die Krankenkassenadministration und überweist hälftig das Pflegegeld den Pflegeeltern.
Es gibt ein Gerichtsurteil, wo festgehalten wird, dass die KM ein Gesuch, um Übernahme der hälftig anfallenden Pflegekosten bei der Gemeinde am Wohnsitz des KV zu stellen hat.
Gemeinde Y hat hälftige Übernahme abgelehnt. Gemeinde X lehnt die vollumfängliche Übernahme der Pflegekosten ab, übernimmt nur Anteil KM.
Argumentation Gemeinde Y: Die Entrichtung von Unterhaltsbeiträgen sei am Wohnsitz des Kindes zu beantragen.
Argumentation Gemeinde X: für die Auszahlung von Pflegekosten sei der Gerichtsentscheid ausschlaggebend. Der zivilrechtliche Wohnsitz des Vaters liege in der Gemeinde Y. Daher sei Gemeinde Y verpflichtet, die Hälfte des Pflegegeldes an die Pflegeeltern zu übernehmen.
Ich bitte um rechtliche Unterstützung in meiner Argumentation gegenüber der Gemeinde. Zurzeit ist die Situation desolat, da den Pflegeeltern das Geld fehlt und sich niemand zuständig fühlt.
Frage beantwortet am
Anja Loosli Brendebach
Expert*in Sozialhilferecht
Guten Tag
Ich bedanke mich für Ihre Frage, die ich gerne folgendermassen beantworte:
Ich bin aufgrund der Schilderung des Sachverhalts unsicher, ob das Pflegeverhältnis von der KESB oder dem Gericht empfohlen oder angeordnet ist oder nicht. Ich gebe deshalb eine Antwort für beide Konstellationen.
Ist das Pflegeverhältnis von der KESB empfohlen oder entschieden oder von einem Gericht entschieden worden, so handelt es sich um eine Kindesschutzmassnahme und Art. 63a des Einführungsgesetzes zum Zivilschutzgesetzes (EGzZGB) kommt zur Anwendung. Nach Abs. 3 trägt in diesem Fall die Gemeinde am zivilrechtlichen Wohnsitz des Kindes die Kosten für die Kindesschutzmassnahmen. Die Inhaber der elterlichen Sorge haben sich in diesem Fall nach Abs. 4 im Umfang von mindestens Fr. 10.-- pro Tag an den Kosten zu beteiligen. Sind sie dazu nicht in der Lage, kommt das Gemeinwesen dafür auf, welches für die öffentliche Unterstützung der pflichtigen Person zuständig ist. Da vorliegend beide Elternteile von der Sozialhilfe unterstützt werden, sind beide Gemeinwesen (also die Gemeinde X und die Gemeinde Y), die für ihre Unterstützung zuständig sind, verpflichtet, den Mindestanteil von Fr. 10.-- hälftig, d.h. im Umfang von je täglich Fr. 5.-- zu bezahlen. Der Rest bezahlt, wie oben ausgeführt, die Gemeinde am zivilrechtlichen Wohnsitz des Kindes. Detaillierte Ausführungen zu diesem Thema finden Sie auf
Kindes- und Erwachsenenschutz – Finanzierung Massnahmen.
Ist das Pflegeverhältnis nicht von der KESB oder dem Gericht empfohlen bzw. angeordnet, so kommen die grundsätzlichen Regeln des Sozialhilferechts zur Anwendung. Demgemäss hat das Kind einen eigenen Unterstützungswohnsitz am letzten Ort, an dem es mit dem sorgeberechtigen Elternteil zusammengewohnt hat, wenn es dauerhaft nicht bei den Eltern wohnt (Art. 7 Abs. 3 ZUG). Diese Gemeinde am Unterstützungswohnsitz des Kindes muss dann die Unterhaltsbeiträge, um welche es sich bei Pflegegeld grundsätzlich handelt (Art. 294 ZGB), bevorschussen. Das wäre vorliegend dann die Gemeinde X, in der das Kind bei den Pflegeeltern dauerhaft wohnt. Diese Gemeinde hat auch den sämtlichen weiteren sozialhilferechtlichen Bedarf des Kindes zu finanzieren.
Zum Thema "Finanzierung von Kindesschutzmassnahmen" gibt es ein Merkblatt der KESB: https://www.gr.ch/DE/institutionen/verwaltung/djsg/kesb/kinderjugendliche/Kindesschutz/Documents/Merkblatt%20Finanzierung%20von%20Massnahmen%20im%20Kindesschutz.pdf
Ich hoffe, Ihnen mit meiner Antwort helfen zu können.
Freundliche Grüsse