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Zuständigkeit bei freiwilligem Aufenthalt in Pflegefamilie

Veröffentlicht:
03.09.2021
Kanton:
Thurgau
Status:
Beantwortet
Rechtsgebiet:
Sozialhilferecht

Guten Tag

Ich habe eine Frage zu folgendem Sachverhalt.

Mutter und Kind wohnen gemeinsam in der Gemeinde Z im Kanton Thurgau. Für das Kind besteht eine Beistandschaft. Das Kind wird im Einverständnis der Eltern und des Beistandes dauerhaft in einer Pflegefamilie untergebracht, ohne Anordnung der KESB. Für die Finanzierung kommt die Sozialhilfe der Gemeinde Z auf. Die Mutter zieht in den Kanton Schaffhausen, das Kind verbleibt in der Pflegefamilie. Ändert sich durch den Wegzug der Mutter auch die Zuständigkeit für die Finanzierung des Pflegeplatzes oder bleibt die Gemeinde Z für die Finanzierung zuständig? 

Frage beantwortet am

Ruth Schnyder

Expert*in Sozialhilferecht

Guten Tag

Gerne beantworte ich Ihre Frage. Es geht dabei um die interkantonale Zuständigkeit zwischen Thurgau und Schaffhausen. Massgebend für diese Frage ist das Bundesgesetz vom 14.6.77 über die Zuständigkeit für die Unterstützung Bedürftiger (SR 851.1; ZUG). Nicht zur Anwendung gelangt die IVSE, welche bei sozialen Einrichtungen im interkantonalen Kontext eine Rolle spielen kann, da die Pflegefamilie kein von der IVSE erfasster Bereich ist.

Das ZUG regelt in Art. 7 Abs. 3 lit. c den Fall, wo Kinder dauerhaft nicht bei den Eltern wohnen. In diesem Fall hat das Kind einen eigenen Unterstützungswohnsitz, der sich am letzten Unterstützungswohnsitz nach Art. 7 Abs. 1 oder 2 ZUG richtet. Entscheidend ist demnach der Unterstützungswohnsitz des Kindes vor der dauerhaften Trennung: Wies das Kind einen Unterstützungswohnsitz nach Abs. 1 auf, abgeleitet vom gemeinsamen zivilrechtlichen Wohnsitz der Eltern, oder, wenn kein gemeinsamer zivilrechtlicher Wohnsitz der Eltern bestand, nach Abs. 2, vom Wohnsitz des Elternteils bei dem es überwiegend wohnte, dann bleibt dieser Wohnsitz während der dauerhaften Trennung weiterhin bestehen. Er wird zudem zum eigenen Unterstützungswohnsitz des Kindes mit der Folge, dass sich nachträgliche Veränderungen des Wohnortes auf Seiten der Eltern nicht mehr auf seinen Unterstützungswohnsitz auswirken können oder mit anderen Worten, Wohnortswechsel der Eltern bzw. eines Elternteils nach dem Zeitpunkt der dauerhaften Trennung verändern den Unterstützungswohnsitz nach Art. 7 Abs. 3 lit. c ZUG nicht.

Damit Art. 7 Abs. 3 lit. c ZUG zur Anwendung gelangt, braucht es für die dauerhafte Trennung keinen Entscheid der KESB, sie kann auch freiwillig erfolgen. Entscheidend ist vielmehr, dass die Dauerhaftigkeit gegeben ist, wofür natürlich eine von der KESB angeordnete Fremdplatzierung ein Indiz sein kann, aber nicht Voraussetzung (siehe zu den Kriterien «pro dauerhaft» bzw. «pro vorübergehend» mein Referatshand-Out (Folie 14 und die Quelle Folie 38) an der Sozialhilferechtstagung vom Oktober 2016 an der HSLU.

Wenn demnach in Ihrem Fall das Kind dauerhaft in der Pflegefamilie untergebracht wurde, dann begründet es ab dem Zeitpunkt der dauerhaften Unterbringung einen Unterstützungswohnsitz nach Art. 7 Abs. 3 lit. c ZUG. Sie erwähnen, dass es vor der dauerhaften Unterbringung gemeinsam mit der Mutter in der Gemeinde Z im Kanton Thurgau gelebt hat. Demnach hat das Kind ab dauerhafter Unterbringung einen eigenen Unterstützungswohnsitz in der Gemeinde Z., der vom Wohnortswechsel der Mutter nicht berührt wird. Aus diesem Grund bleibt der Kanton Thurgau weiterhin der zuständige Wohnkanton des Kindes und damit auch für die Finanzierung der Pflegefamilienkosten zuständig (Art. 12 oder 20 ZUG), solange die dauerhafte Trennung anhält.

Ich hoffe, Ihnen damit Ihre Frage beantwortet zu haben.

Freundliche Grüsse

Ruth Schnyder