Guten Tag Miteinander
Ich habe eine Zuständigkeitsfrage.
Ein Klient von mir lebte bisher in einem Motelzimmer. Dieses Motel schliesst per ende April 2020 definitiv und kündigte allen Mietern. Der Klient musste sich also auf Wohnungssuche begeben.
Er hat per 01. März 2020 auf einem Campingplatz in einem anderen Kanton einen Stellplatz gemietet, wo er nun sein Zelt aufgestellt hat. Der Camping schliesst im Oktober über den Winter. Das Mietverhältnis ist also bis ende Oktober 2020 befristet. Die Einwohnerkontrolle sagt, dass er sich in der neuen Gemeinde nicht anmelden kann, der Campingplatz gelte nicht als Wohnadresse.
Wie sieht es bezüglich des Unterstützungswohnsitzes aus? Bleiben wir als Sozialdienst zuständig oder geht die Zuständigkeit auf den neuen Sozialdienst über?
Wir tendieren eher zur Haltung, dass aufgrund des befristeten Mietverhältnisses die Zuständigkeit bei uns bleibt, möchten es aber gerne durch sie noch überprüfen lassen.
Besten Dank und freundliche Grüsse
Fabienne Mattmann
Frage beantwortet am
Ruth Schnyder
Expert*in Sozialhilferecht
Liebe Frau Mattmann
Gerne beantworte ich Ihre Frage. Ich hoffe, es geht Ihnen gut. Es stellt sich in Ihrem Fall die Frage, ob mit der Miete des Stellplatzes in einem anderen Kanton der Klient seinen Unterstützungswohnsitz im Kanton Zug verloren hat und damit ein Wegzug vorliegt. Es handelt sich um eine interkantonale Zuständigkeitsfrage, so dass ZUG zur Anwendung gelangt. So wie Sie die Situation schildern, hatte der Klient trotz Motelunterkunft seinen Lebensmittelpunkt im Kanton Zug und damit Unterstützungswohnsitz im Sinne von Art. 4 ZUG im Kanton Zug. Er verfügte somit nicht nur über einen Aufenthalt im Kanton Zug im Sinne von Art. 11 ZUG. Falls ich das falsch einschätze, bitte ich um Mitteilung.
Hatte der Klient Unterstützungswohnsitz im Kanton Zug, entfällt die Zuständigkeit dann, wenn er nach Art. 9 ZUG weggezogen ist. Entscheidend ist dabei, dass die unterstützte Person die Absicht dauernden Verbleibens nicht mehr im Wegzugskanton hat und beim Zuzugskanton kein Heimeintritt o.ä. (Art. 9 Abs. 3 ZUG) vorliegt. Die Absicht dauernden Verbleibens beurteilt sich gemäss Rechtsprechung nach dem Willen der betreffenden Person und nach den äusserlich erkennbaren Umständen (Urteil Bundesgericht 8C_223/2010 vom 5.7.2010 E. 3 f.). Dabei wird bei Aufenthalten ausserhalb des Unterstützungswohnsitzes bzw. Wohnkantons zu Sonderzwecken (z.B. Vermeidung Obdachlosigkeit, Schulbesuch) angenommen, dass sich dadurch die Absicht dauernden Verbleibens nicht ändert, d.h. die bisherige Zuständigkeit bleibt. Im Kontext der Vermeidung der Obdachlosigkeit ist zudem zu beachten, dass der Wohngemeinde die Pflicht zukommt, der betroffenen Person eine Notunterkunft zu stellen, d.h. in einer entsprechenden Einrichtung oder Pension unterzubringen (Kap. B 3 SKOS-Richtlinien, Claudia Hänzi, in: Christoph Häfeli [Hrsg.], Das Schweizerische Sozialhilferecht, Luzern 2008, S. 122, mit Hinweis; zum Beispiel Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Zürich VB.2011.00333 vom 18. August 2011, E. 4.3).
In Ihrem Fall wäre also zu untersuchen, ob der Wille frei gebildet werden konnte, ob äusserliche Bezugspunkte zum Kanton Zug aufgegeben wurden und wie nachhaltig die Anschlusslösung ist.
Letzteres muss wohl verneint werden. Inwieweit der Klient bewusst und frei diese Lösung angestrebt hat, muss mit ihm geklärt werden. Hätte er beispielsweise eine Notunterkunft im Kanton Zug gehabt, diese aber ausgeschlagen, oder hat er bei dieser Gelegenheit dem Kanton Zug bewusst den Rücken gekehrt, um neu woanders bzw. auf einem Zeltplatz leben zu können, und weisen die äusserlichen Bezugspunkt weg vom Kanton Zug hin zum Zuzugskanton, dann bin ich der Meinung, dass er vom Kanton Zug weggezogen somit die Zuständigkeit des Kantons Zug entfallen ist. Der Vollständigkeit halber ist zu erwähnen, dass der Eintrag bei der Einwohnerkontrolle für die Begründung eines Unterstützungswohnsitzes nach Art. 4 Abs. 2 ZUG im Zuzugskanton nicht ausschlaggebend ist, sondern nur ein Indiz. D.h. auch wenn ihm dieser verweigert wird, kann er neu Unterstützungswohnsitz nach Art. 4 Abs. 1 ZUG im Zuzugskanton begründen, oder auch einfach Aufenthalt nach Art. 11 ZUG.
Wenn von ihm jedoch primär die Behebung der Obdachlosigkeit mit dem Stellplatz verfolgt wurde, dann handelt es sich um einen Sonderzweck und es fand kein Wegzug aus dem Kanton Zug statt, so dass der Kanton Zug vorderhand weiterhin zuständig bleibt.
Der geschilderte Fall verlangt demnach nach weiteren Sachverhaltsabklärungen. Die dadurch erhaltenen Erkenntnisse sind anschiessend zueinander abzuwägen. Ich hoffe, Ihnen den rechtlichen Rahmen dazu aufgezeigt zu haben.
Herzliche Grüsse und bleiben Sie gesund!
Ruth Schnyder