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zusätzliche Elternbeiträge bei gerichtlich vereinbartem Unterhalt

Veröffentlicht:
18.05.2021
Status:
Beantwortet
Rechtsgebiet:
Kindes- und Erwachsenenschutz

Guten Tag

Vorliegend haben wir einen gerichtlich geregelten Unterhalt bei gemeinsamer Sorge. Nun fallen zusätzlich Massnahmekosten im einvernehmlichen Kindesschutz an (Familienbegleitung). Die Begleitung richtet sich vorwiegend an die Kinder und Mutter (Obhut). 

Der Kindsvater weigert sich, über die gerichtlich vereinbarten Unterhaltszahlungen hinaus Kosten zu übernehmen, weil er nichts mit der Indikation zu tun habe. Wirtschaftlich wäre er in der Lage. Die Kindsmutter hat bei der Berechnung der Elternbeiträge eine Unterdeckung. 

Können die Massnahmekosten im einvernehmlichen Kindesschutz beim Vater gerichtlich eingefordert werden resp. was sind die gerichtlichen Kriterien zur Beurteilung  des Sachverhaltes? 

Besten Dank für die Rückmeldung. 

Stefan Lerch

Frage beantwortet am

Karin Anderer

Expert*in Kindes- und Erwachsenenschutz

Sehr geehrter Herr Lerch

Hier wurde der Kindesunterhalt bereits in einem Urteil für die Zukunft festgelegt. Bei der Bemessung wird auf die die Umstände abgestellt, welche zum Zeitpunkt der Festlegung bestehen oder für die Zukunft vorhergesehen werden.

Nach Art. 276 Abs. 2 ZGB sorgen die Eltern gemeinsam, ein jeder Elternteil nach seinen Kräften, für den gebührenden Unterhalt des Kindes und tragen insbesondere die Kosten von Betreuung, Erziehung, Ausbildung und Kindesschutzmassnahmen. Es spielt grundsätzlich keine Rolle, ob der Vater mit der Indikation der SPF „etwas zu tun hat“, der Kindesunterhalt ist verschuldensunabhängig ausgestaltet. Das bringt das Gesetz auch mit „ein jeder Elternteil nach seinen Kräften“ zum Ausdruck. Die SPF dient dem Wohle des gemeinsamen Kindes und die Kosten werden im Interesse des Kindes aufgewendet. Anders kann es aussehen, wenn es um das Besuchsrecht geht und eine bestimmte Verhaltensweise eines Elternteils Grund für die Kindesschutzmassnahme ist (vgl. Urteil des Obergerichts des Kantons Zürich PQ160053-O/U vom 29. September 2016, (Schwenzer/Cottier, BSK ZGB I, 6. A., Art. 273 N 28; Häfeli, Kosten für begleitete Besuchstage von unmündigen Kindern mit ihrem nicht obhutsberechtigten Elternteil, in: ZVW 2001, S. 198 f.).

Nach Art. 286 ZGB kann der Kindesunterhalt mit der Abänderungsklage angepasst werden, wenn sich die Verhältnisse verändert haben. Die Veränderung nach Art. 286 Abs. 2 ZGB muss erheblich, auf Dauer angelegt und nicht vorhersehbar sein.

Hier sind zusätzliche Kindesunterhaltskosten entstanden, konkret hat sich der Bedarf des Kindes erhöht.

Eine Abänderungsklage ist hier grundsätzlich möglich, wenn Sie mit dem Vater keinen zusätzlichen Elternbeitrag vereinbaren können. Generelle Kriterien zur Beurteilung lassen sich allerdings nicht machen, da es immer um eine Würdigung des Einzelfalls geht. Dem Gericht kommt bei einem Abänderungsprozess ein Ermessen zu (vgl. CHK Roelli ZGB I, 286 N. 5). Eine gute Übersicht über die Voraussetzungen finden Sie auf der Website https://www.geissmannlegal.ch/publikationen/abaenderung-des-kindesunterhalts/ - insbesondere betreffend Erheblichkeit der Veränderungen. Zu prüfen ist des Weiteren, ob die SPF-Kosten bei der Festlegung des Unterhalts nicht schon berücksichtigt bzw. vorhergesehen wurden.

Möglich ist auch, dass es sich auch um einen Fall nach Art. 286 Abs. 3 ZGB handelt. Die SPF könnte als nicht vorhergesehenes ausserordentliches Bedürfnis beurteilt werden, das nur vorübergehend anfällt und nach absehbarer Zeit voraussichtlich wieder entfällt (vgl. CHK Roelli ZGB I, 286 N. 6). In diesem Fall könnte der Vater zu einem besonderen Beitrag verpflichtet werden.

Um die Prozesschancen und -risiken auszuloten, ist ein gründliches Aktenstudium notwendig. Wenn sich der Sozialdienst in Sachen Unterhaltsklagen anwaltlich vertreten lässt, kann es ratsam sein, hier eine Einschätzung einzuholen.

Betreffend die Finanzierung einer SPF im Kanton Bern, vgl. Metzger Marius, Masoud Tehrani Anoushiravan, Habersaat Cathrin, Ribaut Gabriela, Finanzierung Sozialpädagogischer Familienbegleitung in der Schweiz, in: ZKE 2021, S. 134 ff., S. 140.

Ich hoffe, die Angaben sind nützlich und ich grüsse Sie freundlich.

Luzern, 21.5.2021

Karin Anderer