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ZUG - Zuständigkeit Kanton für die Unterstützung Bedürftiger

Veröffentlicht:
18.12.2018
Status:
Beantwortet
Rechtsgebiet:
Sozialhilferecht

Sehr geehrte Damen und Herren
Gerne wende ich mich mit folgendem Anliegen an Sie:
Ein Patient (Schweizer Bürger), welcher zur Zeit bei uns im Kanton St. Gallen stationär in psychiatrischer Behandlung ist, ist uns durch einen Arzt aus dem Kanton Zürich zugewiesen worden. Der Patient lebt seit seiner Kindheit in der Schweiz als Fahrender. Dies bedeutet, dass der Patient keinen gesetzlichen Wohnsitz hat bzw. bis anhin auch nie hatte. Die Schriften sind an seinem Heimatort, eine Gemeinde im Kanton Graubünden, hinterlegt. Bevor der Patient bei uns stationär eingetreten ist, ist er notfallmässig für ca. drei Monate bei seiner Ehefrau, mit welcher er jedoch in Trennung lebt, untergekommen (Ehefrau wohnt in einer Gemeinde im Kanton St. Gallen). Die Ehefrau wird vom Sozialamt unterstützt. Allerdings hat der Patient nicht die Absicht, dort dauernd zu verbleiben, da er mit seiner Ehefrau in Trennung lebt. Infolge Krankheit ist es dem Patient aktuell nicht möglich, für seinen Lebensunterhalt aufzukommen und ist auf finanzielle Unterstützung angewiesen.
Nun zu meiner Frage: Aus dem Bundesgesetz über die Zuständigkeit für die Unterstützung Bedürftiger ist für mich unter den gegebenen Umständen nicht klar ersichtlich, welcher Kanton bzw. Gemeinde nun für den Patienten zuständig ist. Ist es in diesem Fall der Aufenthaltsort bzw. betrifft es diese Gemeinde, in welcher der Patient aktuell hospitalisiert ist?
Besten Dank und freundliche Grüsse
Gabriela Huldi

Frage beantwortet am

Ruth Schnyder

Expert*in Sozialhilferecht

Sehr geehrte Frau Huldi
Gerne beantworte ich Ihre Anfrage. Ich entnehme Ihren Ausführungen, dass sich der Patient in St. Gallen aufgehalten hat, als er der psychiatrischen Klinik zugewiesen wurde. Die Zuweisung erfolgte jedoch durch einen Zürcher Arzt.
Für die Bestimmung des unterstützungspflichtigen Kantons ist bei bedürftigen Schweizer und Schweizerinnen Art. 12 ZUG massgebend. Danach obliegt dem Wohnkanton die Unterstützung. Der Wohnkanton ist derjenige, wo sich der Unterstützungswohnsitz gemäss Art. 4 ZUG befindet. Hat der Bedürftige keinen Unterstützungswohnsitz, so wird er vom Aufenthaltskanton unterstützt. Als Aufenthaltskanton wird jener Kanton bezeichnet, wo die bedürftige Person tatsächlich anwesend ist (Art. 11 Abs. 1 ZUG).
Das notfallmässige Wohnen bei seiner Ehefrau, von welcher er aber an sich getrennt lebt, und die fehlende Absicht dort länger zu bleiben, legen den Schluss nahe, dass der Patient sich in der betreffenden St. Galler Gemeinde lediglich aufgehalten hat. Das hat zur Folge, dass St. Gallen als Aufenthaltskanton zu betrachten ist. Nach der vorstehend dargelegten Rechtslage hat demnach St. Gallen als Aufenthaltskanton des Patienten für dessen Unterstützung aufzukommen. Dabei spielt aus meiner Sicht keine Rolle, dass ein Zürcher Arzt die Zuweisung angeordnet hat. Denn Art. 11 Abs. 2 ZUG regelt die Verbringung von einer erkrankten bzw. verunfallten Personen in einen anderen Kanton und ordnet für diesen Fall die Zuständigkeit des Zuweisungskantons an. Diese Regelung will demnach verhindern, dass in bestimmten Fällen ein Aufenthaltskanton durch Zuweisung in einen anderen Kanton sich seiner Unterstützungspflicht entledigen kann. In Ihrem Fall wurde der Patient jedoch nicht in einen anderen Kanton verbracht, vielmehr wurde er im gleichen Kanton, wo er sich aufhält, hospitalisiert, womit Zürich keine Zuständigkeit treffen kann.
Nach dem Gesagten kann St. Gallen als Aufenthaltskanton betrachtet werden und wird dadurch unterstützungspflichtig. Zum gleichen Ergebnis käme man, wenn der Patient zwar nicht bei seiner Ehefrau hätte bleiben, aber in der gleichen Gemeinde hätte Fuss fassen wollen. Diesfalls hätte er wohl einen Unterstützungswohnsitz in der betreffenden Gemeinde begründet, und St. Gallen wäre wiederum der unterstützungspflichtige Kanton.
Selbst wenn der Patient in einem anderen Kanton seinen Unterstützungswohnsitz hätte, wäre St. Gallen als Aufenthaltskanton zuständig. Nach Art. 13 ZUG muss der Aufenthaltskanton sofortige Hilfe leisten, wenn ein Schweizer oder eine Schweizerin ausserhalb seinen Wohnkantons in Not gerät. Ob Ihr Patient aber tatsächlich über keinen Unterstützungswohnsitz in einem anderen Kanton verfügt, kann ich nicht abschliessend beurteilen. Denn der besonderen Situation von Fahrenden wird damit Rechnung getragen, dass ihnen trotz nomadischer Lebensweise die Etablierung eines Unterstützungswohnsitzes rmöglicht wird. Verfügen Fahrende über einen Winterstandplatz und kehren sie regelmässig dahin zurück, begründen sie dort ihren Unterstützungswohnsitz, welcher während der Reisezeiten im Sommer bestehen bleibt (siehe dazu Ziff. 5.2 des Merkblatts der SKOS «Örtliche Zuständigkeit in der Sozialhilfe» https://skos.ch/fileadmin/userupload/public/pdf/RechtundBeratung/Merkblaetter/2017RBMerkblatt-OErtlicheZustaendigkeit-d.pdf.pdf. Zwar ist der Patient während der Wintermonate nun bei seiner Ehefrau untergekommen. Es handelte sich Ihren Schilderungen aber um eine Notsituation. Es wäre demnach zu klären, ob der Patient tatsächlich nicht über einen Winterstandplatz verfügt. Falls ein solcher doch vorhanden und das Unterkommen bei seiner Ehefrau nur eine Ausnahmesituation wäre, dürfte St. Gallen als sofortige Hilfe leistender Aufenthaltskanton mit dem Wohnkanton abrechnen. In diesem Fall sollte St. Gallen jedoch raschmöglichst mit dem Wohnkanton in Kontakt treten können.
Da in allen Fällen St. Gallen der Adressat für die Ausrichtung der Unterstützungsleistungen ist, ist ein Unterstützungsgesuch an die zuständige St. Galler Gemeinde zu stellen. Zuständig ist die Aufenthaltsgemeinde vor Klinikeintritt. Denn nach Art. 3 Abs. 2 des Sozialhilfegesetzes vom 27.9.1998 des Kantons St. Gallen kommen die Regeln des ZUG auch innerkantonal zur Anwendung. So führt die ärztliche Verbringung in die Standortgemeinde der psychiatrischen Klinik zu keinem Zuständigkeitswechsel, sondern belässt die Zuständigkeit im Sinne von Art. 11 Abs. 2 ZUG bei der Gemeinde, von wo aus die Zuweisung erfolgte. D.h. zuständig ist die Gemeinde, in welcher die Ehefrau lebt, bei welcher sich der Patient aufgehalten hat.
Ich hoffe, Ihnen mit diesen Ausführungen Ihre Frage beantwortet zu haben.
Freundliche Grüsse
Ruth Schnyder

Grüezi Frau Schnyder
Vielen herzlichen Dank für die ausführliche und sehr informative Rückmeldung.
Beste Grüsse
Gabriela Huldi