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Zeitliche Kongruenz Sozialhilfe/Arbeitslosentaggeld

Veröffentlicht:
18.10.2021
Kanton:
Solothurn
Status:
Beantwortet
Rechtsgebiet:
Sozialhilferecht

Unser Klient wurde per 27.03.2020 fristlos entlassen und erhielt die letzte Lohnzahlung am 09.04.2020. Am 17.04.2020 stellte er bei der Syna ALK einen Antrag auf ALE. Da aufgrund der fristlosen Kündigung etliche Abklärungen getroffen werden mussten, blieb die Berechnung und Auszahlung der Taggelder vorerst aus, Vermögen war keines vorhanden, so dass der Klient am 26.05.2020 Sozialhilfe beantragte. Diese wurde ihm ab Antragstellung bis zum 30.06.2020 gewährt und ausbezahlt (Unterstützung Mai 2020: CHF 118.35 / Unterstützung Juni 2020: CHF 1'211.35). Per 01.06.2020 fand er eine neue Anstellung und meldete sich sowohl bei uns wie auch beim RAV/der ALK ab. Mittels Lohneinnahmen konnte er ab Juli 2020 den Lebensunterhalt selbst finanzieren. Die Abtretungserklärung für die (noch nicht gewährten) Arbeitslosentaggelder hoben wir für die Zahlungen ab Juli 2020 (= allfälliges Taggeld ab Kontrollmonat Juni 2020) auf, nicht jedoch für die zu erwartende Nachzahlung der Taggelder der Kontrollmonate April und Mai 2020 im Umfang der bezogenen Sozialhilfe von CHF 1’329.70.

Mit Verfügung vom 23.07.2020 stellte die Syna ALK den Klienten ab dem 28.03.2020 während 32 Tagen in seiner Anspruchsberechtigung auf Taggelder der ALV ein. Dagegen erhob er Einsprache, welche mit Entscheid vom 22.12.2020 gutgeheissen wurde. Die Nachzahlung der Taggelder April und Mai 2020 (CHF 646.20 resp. 2'342.00) erfolgte an den Klienten. Eine Nachfrage unsererseits im Juli 2021 bei der Syna ALK ergab, dass die Abtretungserklärung nicht beachtet wurde. Da der Klient sich unterdessen wieder zum Bezug von ALE angemeldet hatte, nahm die Syna ALK bei der Auszahlung des Taggeldes am 21.07.2021 einen Abzug in der Höhe der bezogenen Sozialhilfe von CHF 1'329.70 vor und überwies und den Betrag. Dies hatte für den Klienten zur Folge, dass die Auszahlung nicht zur Existenzsicherung ausreichte und er sich bei der Syna ALK und uns meldete, worauf wir ebenfalls mit der Syna ALK Kontakt aufnahmen und auf die zeitliche Kongruenz hinwiesen (kein Direktabzug an laufenden Taggeldern). Daraufhin begann sich der Rechtsdienst mit dem Fall zu befassen, welcher am 11.08.2021 die Rückzahlung der Taggelder Mai 2020 im Betrag von CHF 1'211.35 (Umfang der bezogenen Sozialhilfe Juni 2020) verfügte. Die zeitliche Kongruenz sei nicht gegeben. Dagegen erhoben wir Einsprache und argumentierten wie folgt: In der Beurteilung der zeitlichen Kongruenz sei anzuerkennen, dass – analog einer Lohnzahlung – mit dem Taggeld April 2020 der Lebensbedarf des Monats Mai 2020 und mit dem Taggeld Mai 2020 der Lebensbedarf des Monats Juni 2020 zu decken ist. Wären dem Klienten die Taggelder April und Mai 2020 rechtzeitig zur Verfügung gestanden, hätte er für die Monate Mai und Juni 2020 gar nicht erst Sozialhilfe beantragen und beziehen müssen, woraus sich sowohl die sachliche wie auch die zeitliche Kongruenz ableiten lässt.

Im Einspracheentscheid der Syna ALK, zugestellt am 01.10.2021, wird die Einsprache wiederum mit dem Hinweis auf die fehlende zeitliche Kongruenz abgewiesen (rechtliche Grundlagen in Art. 94 Abs. 3 AVIG und Art. 124 Abs. 1 AVIV). Es wäre nun an uns, beim Obergericht/Versicherungsgericht Beschwerde zu erheben.

Wie beurteilen Sie die zeitliche Kongruenz der ausgerichteten Leistungen in diesem Fall?

Frage beantwortet am

Anja Loosli

Expert*in Sozialhilferecht

Sehr geehrte Frau Werfeli

Vielen Dank für Ihre Frage. Ich beantworte diese gerne wie folgt:

Es entspricht der Rechtsprechung und der gängigen Praxis, dass Arbeitslosentaggelder zum Leben im kommenden Monat bestimmt und deshalb im Folgenonat anzurechnen sind. Exemplarisch sei der Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Zürich vom 12.09.2018 (VB.2018.00245) genannt. Leider habe ich keinen entsprechenden Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Solothurn gefunden. In der Praxis Sozialhilfe des Kantons Solothurn findet sich unter dem Titel „Anrechnung von Einkommen“ unter Ziffer 3 das Thema Erwerbsersatzeinkommen. Auch dort ist klar ausgeführt, dass Taggelder von Sozialversicherungen dem Lebensunterhalt des kommenden Monats dienen und entsprechend im Budget zu berücksichtigend, also im Folgemonat anzurechnen sind.

Die Taggelder April sind deshalb im Mai und die Taggelder Mai im Juni anzurechnen. Oder mit anderen Worten: Die zeitliche Kongruenz ist vorliegend gegeben.

Ich empfehle Ihnen deshalb sehr, den Entscheid den Versicherung anzufechten. 

Ich hoffe, Ihnen mit meiner Antwort weiterhelfen zu können.

Freundliche Grüsse 

Anja Loosli Brendebach