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WSH bei Person ohne Aufenthaltsbewilligung

Veröffentlicht:
24.02.2021
Kanton:
Freiburg
Status:
Beantwortet
Rechtsgebiet:
Sozialhilferecht

Eine Person aus Afrika hat ihre Aufenthaltsbewilligung durch die Scheidung verloren. Ein diesbezügliches Rekursverfahren läuft via seinen Anwalt. Er hat seine Wohnung gekündigt und ist ausgezogen, sich bei der Gde. jedoch nicht abgemeldet. Gemäss Auskunft der Gemeinde hat er sich abgemeldet, daher sehen sich als nicht zuständig. Er wohnte anschliessend bei seinem Bruder und war zu diesem Zeitpunkt erwerbslos. Der Unfall ereignete sich während des Ferienaufenthaltes in seinem Heimatland. Er wurde in die Schweiz repatriiert und später ins SPZ verlegt.

Anfänglich sagte die SUVA die Versicherungszuständigkeit zu (Nachdeckungfrist), zog diese mit dem Fehlen dieser wieder zurück und stellte Rückerstattungsforderungen. Aufgrund einer Lohnabrechnung konnte die Ablehnung, mit Hilfe seines Anwalts widerlegt werden. Die SUVA erklärte jedoch, dass der Rekursentscheid frühestens in vier Monaten vorliege. Mit dem Taggeld wäre der Betroffene finanziell unabhängig. Aufgrund dieser Situation hat der Patient kein Einkommen und auch die Kostenübernahme für eine Anschlusslösung ist völlig offen.

Der Kanton (FR) hat die Kostengutsprache für den Spitalaufenthalt in Nottwil mit der Begründung, der Patient sei nicht mehr im Kanton gemeldet, abgelehnt. Die Krankenversicherung hat für ihren Teil KOGU erteilt.

Nach meinem Verständnis ist Nottwil (Aufenthalt), bis zur Klärung der Zuständigkeit, subsidär für den Lebensunterhalt (WSH oder nur Nothilfe?) und die Kostengutsprache für eine Anschlusslösung zuständig, richtig? oder muss das Gesuch (WSH) zuerst bei der Gemeinde des letzten zivilrechtlichen Wohnsitzes eingereicht werden? Wie ist das Vorgehen, wenn sowohl Nottwil als auch die eigentlich zuständige Gde. den Antrag ablehnen, resp. einen Nichteintretensentscheid fällen? Wer ist zuständig betr. Ablehnung Kostengutsprache Spitalaufenthalt und wie ist das konkrete Vorgehen?

Für eine Rückmeldung bedanke ich mich bestens.

Freundliche Grüsse

Cordula Ruf

Frage beantwortet am

Ruth Schnyder

Expert*in Sozialhilferecht

Guten Tag Frau Ruf

Danke für Ihre Anfrage. Ich habe folgende Rückfragen dazu:

- Befand sich die gekündigte Wohnung im Kanton FR? Ist das die Gmde, wo der Klient nun abgemeldet ist? Hat er sich selber abgemeldet?

- Wo befindet sich die Wohnung des Bruders? Gleiche/andere Gmde? Kanton? Hat er sich in der Gmde des Bruders angemeldet oder zumindest versucht anzumelden?

- Mit welcher Motivation lebte er beim Bruder? Wollte er einstweilen bei ihm bleiben? Wollte er in derselben Gde Fuss fassen? Oder wollte er sich in einer anderen Gemeinde niederlassen (aktive Wohnungssuche)?

- Wo wohnte der Klient, als er in den Ferien verunfallte? 

- Wohin wurde er zunächst in der Schweiz hospitalisiert, bevor er nach Nottwil kam?

Besten Dank für Ihre Antworten. 

Freundliche Grüsse

Ruth Schnyder

Grüezi Frau Schnyder

Ihre Fragen kann ich wie folgt beantworten:

Die gekündigte Whg. befand sich im Kt. FR. Er hat sich nicht abgemeldet. Die Whg. hatte er aufgrund der Erwerbslosigkeit aufgelöst.
Die Auskunft er sei nicht mehr angemeldet und sein Aufenthalt sei ungültig, wurde seitens Kanton via Gde. mitgeteilt.

Die Whg. des Bruders befindet sich im selben Kanton, aber in einer anderen Gde. Er hatte sich dort nicht anmelden wollen. Es war nur als temporärer Aufenthalt geplant. Er reiste von da aus in sein Heimatland für Ferien und Teilnahme an einer Hochzeit und lebte in dieser Zeit bei seiner Familie.

Sein Plan war, die zukünftige Whg. von einem Erwerbsort abhängig zu machen.

Er war zuerst im Unispital Genf hospitalisiert und von da nach Nottwil verlegt.

Freundliche Grüsse
Cordula Ruf

Frage beantwortet am

Ruth Schnyder

Expert*in Sozialhilferecht

Sehr geehrte Frau Ruf

Gerne beantworte ich Ihre Anfrage.

 

  • Nottwil (Aufenthalt) zuständig für subs Kogu?

Grundsätzlich gilt, dass der Aufenthaltskanton im Notfall die sofortige Hilfe (Notfallhilfe) leisten muss (vgl. Art. 20 Abs. 2 i.V.m. Art. 13 ZUG sowie Art. 21 ZUG). Als Aufenthaltskanton gilt jener Kanton, wo sich die bedürftige Person tatsächlich aufhält (Art. 11 Abs. 1 ZUG). Ist aber eine offensichtlich hilfsbedürftige, insbesondere eine erkrankte oder verunfallte Person auf ärztliche Anordnung in einen anderen Kanton verbracht worden, so gilt der Kanton als Aufenthaltskanton, von dem aus die Zuweisung erfolgte. Wurde demnach der Klient auf ärztliche Anordnung des Unispitals Genf nach Nottwil verlegt, weil der Kanton Genf über kein entsprechendes Reha-Angebot verfügt, bleibt Genf als Aufenthaltskanton bestehen und damit auch für die Notfallhilfe. Wenn aber dem Klienten aus medizinischer Sicht offen gestanden hätte, im Kanton Genf in die Reha zu gehen und er selbständig entschieden hat, nach Nottwil zur Rehabilitation zu gehen, würde meiner Meinung nach der Aufenthalt nach Nottwil wechseln, da nicht die ärztliche Zuweisung ausschlaggebend war. In diesem Fall wäre der Kanton Luzern für die Notfallhilfe zuständig.

 

  • Oder Gesuchseinreichung am zivilrechtlichen Wohnsitz?

Nein, der zivilrechtliche Wohnsitz spielt für die Frage der Notfallhilfe keine Rolle. Massgebend ist das ZUG, da sich der Klient in einer finanziellen Notlage befindet und demnach nach Art. 2 Abs. 1 ZUG als bedürftig gilt.

 

  • Vorgehen, wenn die Gemeinde Nottwil als auch die zuständige Gemeinde den Antrag ablehnen?

Es handelt sich dabei um einen negativen Kompetenzkonflikt, der rechtlich verpönt ist, wenn kein Gemeinwesen in einem solchen Fall auch nur vorläufig (bis zur Klärung) unterstützen will. Letztlich ist aber der Aufenthaltskanton gesetzlich zur Leistung der Notfallhilfe verpflichtet. Er hat nach ZUG die rechtlichen Instrumente, die geleistete Notfallhilfe dem zuständigen Kanton in Rechnung zu stellen (Art. 23 ZUG), indem der diesem eine Unterstützungsanzeige nach Art. 30 ZUG zukommen lässt.

Das Gesuch um Notfallhilfe wäre bei der innerkantonalen Gemeinde zu stellen, d.h. im Kanton Genf bei der Standortgemeinde des Unispitals Genf bzw. in Luzern bei der Gemeinde Nottwil. Diese müssten die Notfallhilfe leisten und via ihre kantonale ZUG-Stelle die Unterstützungsanzeige dem zuständigen Kanton zukommen lassen.

Würde aber bspw. der Kanton Genf die Zuständigkeit für die Notfallhilfe ablehnen, könnte immerhin die Gemeinde Nottwil um Notfallhilfe ersucht werden. Beiden Gemeinden wäre das Merkblatt zum negativen Kompetenzkonflikt (2012) gemäss SKOS zu unterbreiten, das in solchen Fällen eine vorsorgliche Unterstützung empfiehlt. Würden sich aber beide Gemeinden weigern, müssten sie jeweils eine anfechtbare Verfügung erlassen, wogegen der Rechtsweg beschritten werden sollte. Für die Dauer des Verfahrens wäre dann im Rekurs eine vorsorgliche Unterstützung zu beantragen. Parallel wäre aber der Kanton FR (wohl am ehesten Gemeinde 2) noch anzugehen, damit dieser allenfalls vorsorglich die Unterstützung aufnehmen würde. Allenfalls könnte beschleunigen, wenn die zuständige ZUG-Stelle der jeweiligen Kantone kontaktiert würde, das wäre bspw. im Kanton Luzern die DISG .

 

Der Vollständigkeit halber möchte ich festhalten, dass es bei der Notfallhilfe-Zuständigkeit und Rückvergütung durch die zuständige Gemeinde zwei Varianten gibt:

  • Jemand gerät ausserhalb des Wohnkantons in Not und der Aufenthaltskanton ist zur sofortigen Hilfe verpflichtet. Das ist der Fall von Art. 20 Abs. 2 ZUG (bei ausländischen Personen) mit Verweis auf Art. 13 ZUG.
  • Jemand gerät ausserhalb des Aufenthaltskantons in Not und der aktuelle (kurzfristige) Aufenthaltskanton ist zur sofortigen Hilfe verpflichtet. Dieser Fall ist im ZUG nicht geregelt, jedoch wird Art. 20 Abs. 2 ZUG bzw. Art. 13 ZUG analog angewendet. D.h. der aktuelle (kurzfristige) Aufenthaltskanton ist zur Notfallhilfe verpflichtet und kann diese vom ursprünglichen Aufenthaltskanton zurückgefordert werden. Ich lege Ihnen ein Urteil des Bundesgerichts bei, dem ein solcher Fall entnommen werden kann (Urteil 8C_852/2008 vom 25. Februar 2008).

In Ihrem Fall scheint mir klärungsbedürftig, ob der Klient im Zeitpunkt des Unfalls noch über einen Wohnkanton bzw. Unterstützungswohnsitz gemäss Art. 4 ZUG verfügte. In Frage käme die ursprüngliche Wohngemeinde im Kanton FR (Gemeinde 1), aber auch jene des Bruders ebenfalls im Kanton FR (Gemeinde 2). Wenn er tatsächlich von der Gemeinde 1 weggezogen ist, seinen Lebensmittelpunkt dort aufgegeben hat, dann kann von einem Wegzug nach Art. 9 Abs. 1 ZUG ausgegangen werden, unabhängig der polizeilichen An- bzw. Abmeldung, unabhängig vom hängigen Rekursverfahren betreffend Aufenthaltsbewilligung, so dass die Gemeinde 1 nicht mehr Anknüpfungspunkt für den Kanton FR als Wohnkanton bilden kann (Unterstützungswohnsitz gemäss Art. 4 ZUG). Anders würde es sich verhalten, wenn er zwecks Behebung der Obdachlosigkeit in der Gemeinde 2 untergekommen wäre und er die Absicht hatte, so rasch als möglich wieder in die Gemeinde 1 zurückzukehren. In diesem Fall würde kein Wegzug vorliegen und die Gemeinde 1 wäre nach wie vor der Unterstützungswohnsitz und damit Anknüpfungspunkt für den Wohnkanton. Das scheint mir in ihrem Fall wohl weniger zuzutreffen, da der Klient gemäss Ihren Angaben seinen künftigen Wohnort von der Arbeitsstelle abhängig machte.

Würde von einem Wegzug aus der Gemeinde 1 ausgegangen werden, dann stellt sich die Frage, ob der Klient Unterstützungswohnsitz in der Gemeinde 2 begründet hat. Laut Ihren Angaben hat er bei seinem Bruder Unterschlupf gefunden. Wenn er von Beginn weg die Absicht hatte, dort solange zu verbleiben, bis eine Arbeitsstelle es ihm ermöglicht, wieder eine eigene Wohnung, und zwar in der Nähe des Arbeitsortes zu finden, neige ich dazu, dass er mittelfristig in der Gemeinde des Bruders seinen Lebensmittelpunkt und damit Unterstützungswohnsitz begründet hat. Insoweit würde sich der Wohnkanton von der Gemeinde 2 ableiten. Bleibt der Kanton FR Wohnkanton, dann ist er auch für die Rückerstattung der Notfallhilfe zuständig.

Zum gleichen Ergebnis käme man aber auch, wenn man davon ausgehen würde, dass der Kanton FR nur noch Aufenthaltskanton war, als der Unfall geschah. Dies wäre möglich, wenn von einem Wegzug in der Gemeinde 1 und lediglich einem Aufenthalt im Sinne von Art. 11 ZUG in der Gemeinde 2 ausgegangen würde. Diesfalls würde sich aber die Frage stellen, ob der Ferienaufenthalt im Heimatland zur Beendigung des Aufenthalts im Kanton FR geführt hat. Hat der Klient etwa sein Zimmer bei seinem Bruder behalten mit persönlichen Effekten von ihm darin und mit der Absicht, wieder dorthin zurückzukehren, dann könnte man durchaus annehmen, dass der Aufenthalt auch während der Zeit im Ausland in der Gemeinde 2 als ursprüngliche Aufenthaltsgemeinde erhalten geblieben ist. In diesem Fall würde der Kanton FR als ursprünglicher Aufenthaltskanton für die Rückvergütung der Notfallhilfe zuständig sein.

Gab der Klient aber den Standort beim Bruder auf, als er ins Heimatland ging, hat er den Kanton FR als Aufenthaltskanton aufgegeben. Dann würde er aufgrund der Rückführung vom Heimatland direkt ins Unispital Genf im Kanton Genf Aufenthalt begründen. Hier würde sich der Kreis dann zum oben zur Notfallhilfezuständigkeit Gesagten schliessen mit dem Unterschied, dass es sich dann um die reguläre Unterstützungszuständigkeit handelt durch den Kanton Genf im Falle von Art. 11 Abs. 2 ZUG oder Kanton Luzern, wenn Art. 11 Abs. 2 ZUG nicht erfüllt wäre.

Nach dem Gesagten drängen sich aufgrund der mir bekannten Sachlage am ehesten folgende örtliche Zuständigkeiten auf:

Kanton Genf: Zuständig für Notfallhilfe (ausser Klient konnte selbständig wählen)

Kanton FR: Zuständig für Rückerstattung der Notfallhilfe als Wohnkanton abgeleitet von der Gemeinde 2.

Ich hoffe, Ihnen damit Ihre Frage beantwortet zu haben.

Freundliche Grüsse

Ruth Schnyder

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