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Wohnsitzwechsel? Zuständigkeit?

Veröffentlicht:
26.10.2017
Status:
Beantwortet
Rechtsgebiet:
Sozialhilferecht

Auf unserem Sozialdienst stellt sich gerade folgende Frage:
Der Klient L. lebte bis Ende August 2017 in einer Zweck-WG in der Gemeinde B und bezieht aktuell WSH durch diese Gemeinde.
Die Wohnung wurde durch den Vermieter per Ende August 2017 gekündigt. Am 23.August 2017 trat der Klient in eine psychiatrische Klinik ein, in welcher er sich bis zum 05. Oktober 2017 aufhielt. Bereits zum Zeitpunkt des Austritts war klar, dass L. am 15. November 2017 in einen dreimonatigen stationären Aufenthalt in die UPK Basel eintreten wird. Da die Wohnung in B durch den Vermieter gekündigt war, konnte L vorübergehend bei einem Kollegen und seit 21. Oktober 2017 bei seinen Eltern in A (anderer Kanton) unterkommen. Dies ist eine Übergangslösung bis zum Klinikeintritt und es steht nicht in Aussicht, dass L. nach dem Klinikaufenthalt wieder bei seinen Eltern in A wohnen wird.
Für uns stellt sich nun die Frage, ob die Gemeinde B auch weiterhin die WSH entrichten muss, da der Klient sich nur zur Überbrückung des Zeitraums bis zum Klinikeintritt in der Gemeinde A aufhält. Eine Lösung betreffend Wohnsitznahme nach dem Klinikaufenthalt liegt bisher nicht vor, diese soll während der stationären Behandlung erarbeitet und aufgegleist werden.
Muss die Gemeinde B weiterhin WSH entrichten oder muss diese neu durch die Gemeinde A entrichtet werden?
Ich danke Ihnen für eine Rückmeldung.
Freundliche Grüsse
F. Müller

Frage beantwortet am

Ruth Schnyder

Expert*in Sozialhilferecht

Sehr geehrte Frau Müller
Gerne beantworte ich Ihre Anfrage. Im Kern geht es um die Frage, ob die Gemeinde B. die Unterstützungszuständigkeit für den Klienten L. verloren hat, nachdem Herr L. nach seinem ersten Klinikaufenthalt vorübergehend in der Gemeinde A. untergekommen ist, bevor er in den zweiten Klinikaufenthalt übergehen kann.
Die Gemeinden A. und B. gehören unterschiedlicher Kantone an, so dass die Zuständigkeitsfrage interkantonaler Natur ist und das ZUG zur Anwendung gelangt.
Ihren Ausführungen zufolge hat die Gemeinde B. richtigerweise ihre Unterstützungszuständigkeit für den ersten Klinikaufenthalt anerkannt. Grundlage ist dafür Art. 5 ZUG, wonach u.a. ein Spitalaufenthalt oder ein Aufenthalt in einer ähnlichen Einrichtung keinen Unterstützungswohnsitz zu begründen vermag. Damit bleibt ein bisheriger Unterstützungswohnsitz im Sinne Art. 4 ZUG bestehen, selbst wenn wie im vorliegenden Fall kurz nach Klinikeintritt die Wohnung aufgegeben wurde (vgl. Art. 9 Abs. 3 ZUG; Ausnahmen kann es im Einzelfall beim Wegzug in ein Altersheim geben). Der nach Art. 12 bzw. 20 ZUG zuständige Wohnkanton hat somit auch während des Klinikaufenthalts für die ungedeckten Kosten aufzukommen. Wie es sich nun aber verhält, wenn nach diesem ersten Klinikaufenthalt ein zweiter folgt, lässt sich wie folgt beantworten:
Würde der zweite Klinikaufenthalt nahtlos anschliessen, würde die bisherige Unterstützungszuständigkeit fortgesetzt werden. Wenn der zwei Klinikaufenthalt aber nicht nahtlos anschliessend kann, ist die Zuständigkeit anhand des konkreten Einzelfalls festzustellen. In Ihrem Fall verhält es sich so, dass L. in der aktuellen Gemeinde A. keine Absicht hat, dort längerfristig zu bleiben bzw. nach dem Klinikaufenthalt wieder zurückzukehren. So wie ich es Ihren Schilderungen entnehmen, hat dieser Aufenthalt lediglich den besonderen Zweck, die Situation der fehlenden festen Unterkunft zu überbrücken. Sie stellt also eine Notlösung dar. In diesem Fall könnte man also von einem Sonderzweck sprechen, der den bisherigen Unterstützungswohnsitz nicht untergehen lässt. D.h. man würde diese Situation analog bspw. einem Aufenthalt zu Ferienzwecken beurteilen, der einen bestehenden Unterstützungswohnsitz auch nicht untergehen lässt. Die Annahme eines Sonderzwecks für den Aufenthalt in der Gemeinde B. würde demnach die Unterstützungszuständigkeit der Gemeinde A. nicht beenden (vgl. zum Aufenthalt zu Sonderzwecken siehe das Merkblatt der SKOS zur örtlichen Zuständigkeit in der Sozialhilfe, Ziff. 5.4, zu finden unter: https://skos.ch/recht-und-beratung/merkblaetter/).
Ein älterer Entscheid des Bundesgerichts liefert noch einen anderen Ansatz für die Klärung Ihrer Frage. Im Urteil 2A.24/1998 vom 20. August 1998 (veröffentlicht in ZBl 101/2000 S. 539, siehe Beilage) hatte das Bundesgericht den Fall eines Drogenabhängigen zu beurteilen. Dieser brach den stationären Entzug ab, tauchte ein paar Wochen in die Drogenszene ab und nahm dann wieder den Entzug auf, jedoch an einem anderen Ort. Das Bundesgericht befand - zwar unter Berücksichtigung der besonderen Situation der Drogenabhängigen -, dass das Abtauchen in die Drogenszene nicht die bisherige Unterstützungszuständigkeit beenden lässt. Massgebend war im konkreten Fall, dass es sich um eine «therapeutische Einheit» handelte. Der Rückfall mit vorübergehendem Abtauchen stufte das Bundesgericht als Therapieunterbruch, d.h. Unterbruch der einzelnen therapeutischen Entzugsbehandlungen ein, die insgesamt eine Einheit bilden. Das Bundesgericht liess sich bei seiner Rechtsprechung von den üblichen Verläufen von Entzugstherapien leiten, wo Rückfälle im Sinne einer vorübergehenden Rückkehr in die Drogenszene häufig vorkommen, und deshalb nicht leichthin ein Therapieabbruch angenommen werden dürfe (vgl. zum Ganzen Erwägung 3 des erwähnten Urteils).
Überträgt man die Rechtsprechung auf den vorliegenden Fall, würde die Unterstützungszuständigkeit der Gemeinde B. fortdauern, wenn der erste und der zweite Klinikaufenthalt als Therapieeinheit zu betrachten wäre. Dies wäre meiner Ansicht nach der Fall, wenn der UPK-Aufenthalt von der ersten Klinik in die Wege geleitet wurde. Aus meiner Sicht dürfen strukturelle Gründe, die zu einem Zwischenaufenthalt wie hier in der Gemeinde A. führen, nicht den bisherigen Unterstützungswohnsitz untergehen lassen, zumal es immer wieder Schwierigkeiten bereitet, eine nahtlose stationäre Versorgung von psychisch Kranken sicher zu stellen.
Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass vorliegend es sachgerecht wäre, den Aufenthalt in der Gemeinde A. als Sonderzweck oder wie im geschilderten Bundesgerichtsentscheid die beiden Klinikaufenthalte als Therapieeinheit zu betrachten. Folge davon wäre die Fortsetzung der Unterstützungszuständigkeit der Gemeinde B.
Der Vollständigkeit halber ist zu erwähnen, dass diese auf jeden Fall fortdauert, wenn die Gemeinde B. für die Unterbringung in der Gemeinde A. besorgt war. In diesem Fall würde die Zuständigkeit im Sinne von Art. 10 ZUG ohnehin bestehen bleiben.
Ich hoffe, Ihnen mit diesen Ausführungen Ihre Frage beantwortet zu haben.
Freundliche Grüsse, Ruth Schnyder