Guten Tag
Wie gestaltet sich eine Sanktion, wenn eine Person die Anspruch auf WSH hat, Wohneigentum im Ausland nicht deklariert hat?
Das Wohneigentum im Ausland ist im Grundbuchamt noch auf den Namen der 2002 verstorbenen Mutter eingetragen. Der Klient bezahlt darauf nachweislich Liegenschafts- und Grundstücksteuern. Nach dem Tod der Mutter konnte sich die Erbgemeinschaft (4 Geschwister) noch nicht einigen, wem das Haus zustehe. Eine Schatzung der Liegenschaft wurde vor Ort durchgeführt und es resultierte eine Wertschätzung von ca. 80´000.00 Euro daraus.
Meine Frage ist einerseits, wann und in welcher Form eine Sanktion ausgesprochen werden soll? Und andererseits, wie die Tatsache, dass das Wohneigentum nicht deklariert wurde, zu behandeln ist?
Besten Dank
Frage beantwortet am
Anja Loosli
Expert*in Sozialhilferecht
Sehr geehrte Frau Käslin
Bei der Antwort von Frau Habersaat scheint ein technisches Problem aufgetreten zu sein. Da Frau Habersaat diese Woche jedoch ferienhalber abwesend ist, lässt sich ihre Antwort nicht rekonstruieren. Ich werde Ihnen deshalb so rasch als möglich eine inhaltliche Antwort geben.
Darf ich Sie diesbezüglich noch nach „Ihrem“ Kanton fragen?
Freundliche Grüsse
Anja Loosli Brendebach
Guten Tag Frau Loosli
Es handelt sich dabei um den Kanton Nidwalden.
Besten Dank und freundliche Grüsse
Frage beantwortet am
Cathrin Habersaat-Hüsser
Expert*in Sozialhilferecht
Sehr geehrte Frau Käslin
Ich gehe davon aus, dass Sie wie im früheren Fall (3.7.2019) auch hier im Kanton Nidwalden unterwegs sind. Art. 44 Abs. 1 des Gesetzes über die Sozialhilfe (SHG NW, SR 761.1) besagt, dass hilfesuchende Personen den für die Sozialhilfe zuständigen Instanzen über ihre wirtschaftlichen und persönlichen Verhältnisse vollständig und wahrheitsgetreu Auskunft zu geben, die notwendigen Unterlagen beizubringen und Änderungen der wirtschaftlichen Verhältnisse sofort zu melden haben. Dies ist die sogenannte Auskunftspflicht. Das Nichtmelden, dass ihr Klient nach dem Tode der Mutter Teil einer Erbengemeinschaft ist, stellt eine klassische Pflichtverletzung dar.
Gemäss Art. 22 Abs. 1 lit. 2 SHG NW ist die wirtschaftliche Sozialhilfe angemessen zu kürzen, wenn die hilfeempfangende Person falsche oder unvollständige Auskunft über ihre Verhältnisse erteilt. Gemäss Abs. 3 sind die hilfeempfangenden Personen auf die Möglichkeit der Leistungskürzung
aufmerksam zu machen. Auf Minderjährige ist dabei besonders Rücksicht zu nehmen. Dem Betroffenen ist mit Blick auf den Anspruch auf rechtliches Gehör die Möglichkeit einzuräumen, sich vorgängig zur Angelegenheit zu äussern (vgl. Art. 29 BV; SKOS Richtlinie A.8.2).
Die Höhe der Kürzung ist unter Berücksichtigung der Verhältnismässigkeit und dem Ausmass des Fehlverhaltens zu bestimmen und darf sich beim Grundbedarf für den Lebensunterhalt (GBL) bei 5 bis 30 Prozent bewegen. Bei schweren Verstössen gegen die Pflichten gemäss Art. 22 Abs. 1 SHG NW ist eine Kürzung bis auf das bundesverfassungsmässige Minimum der Nothilfe zulässig (vgl. Art. 22 Abs. 2 SHG NW; siehe auch § 8 der Vollzugsverordnung zum Gesetz über die Sozialhilfe (SHV NW, SR 761.11) in Verbindung mit deren Anhang eins).
Zur Bemessung der Kürzung ist zu klären, weswegen Ihr Klient die Erbschaftsangelegenheit verschwiegen hat. Je nach getätigten Aussagen ist zu prüfen, ob das Fehlverhalten eine Kürzung rechtfertigt. Kritisch ist zu prüfen, ob der Klient überhaupt wusste, welches Verhalten erwartet wird und dass die Nichtbefolgung zu einer Kürzung führen kann (waren ihm somit die Pflichten genügend bekannt gegeben worden?), bzw. ob nachvollziehbare Gründe für sein Verhalten bestehen. Wird dies bejaht, so ist von einer Kürzung abzusehen und ev. eine Ermahnung oder Verwarnung angezeigt. Bestätigt sich hingegen die Pflichtverletzung und ein gewisses Verschulden, ist die Kürzung als Sanktion unter Wahrung des rechtlichen Gehörs in Form einer beschwerdefähigen Verfügung zu erlassen und entsprechend zu begründen. Ist die Pflichtverletzung klein, ist es auch möglich, dass (nur) die Zulagen für Leistungen (EFB und IZU) für einige Zeit gekürzt oder gestrichen werden.
Soweit ersichtlich, ist im vorliegenden Fall für den Sozialdienst kaum ein Schaden eingetreten, auch dies ist für die Bemessung der Schuld und das Mass der Kürzung zu berücksichtigen.
Es ist also ein differenziertes, fallspezifisches Vorgehen angezeigt und die allfällige Kürzung hat sowohl in persönlicher als auch in sachlicher und zeitlicher Hinsicht in einem angemessenen Verhältnis zum Fehlverhalten zu stehen.
Von einem Strafantrag gemäss Art. 54 ff. SHG NW ist eher abzusehen, da und soweit vorliegend kein Fall einer Pflichtverletzung mit der Schwere von Art. 55 SHG NW vorliegt.
Da bei einer unverteilten Erbschaft die entsprechenden Vermögenswerte (noch) nicht verfügbar und verwertbar sind, bleibt die Sozialhilfebedürftigkeit, unabhängig von der Meldung solcher Vermögensanteile bestehen, auch bei solchen unverteilten Erbschaftsanteilen. Somit bleibt ein Anspruch auf vollständige Sozialhilferechtsunterstützung bestehen (Art. 17 SHG NW), die aber wie dargestellt, aufgrund der Pflichtverletzung vorübergehend gekürzt werden kann.
Zu prüfen ist aber je nach Massgabe der Möglichkeiten, dass dem Klienten die konkreten Schritte zur Verteilung der Erbschaft auferlegt werden (ev. als Auflage, die Erbschaftsteilung beim Gericht zu verlangen; vgl. Art. 21 SHG NW). Es ist zu beachten, dass eine solche Auflage verhältnismässig sein muss, und dass ein solcher Schritt Gerichtskosten zur Folge haben kann und der Klient ev. zu unterstützen ist diese zu tragen, oder dass vom Klient ein Gesuch um unentgeltliche Prozessführung nach den Regeln am Gerichtsort einzureichen wäre.
Wenn die Erbschaft geteilt wird, und in diesem Rahmen dem Klient ein Vermögensanteil zugesprochen wird, handelt es sich je nach Regelung der Vermögensverteilung um liquide Vermögenswerte (wenn ihm etwa als Entschädigung eine Geldsumme zugesprochen wird) oder um illiquide Vermögenswerte, wenn ihm etwa Grundeigentum zugesprochen wird.
Sollte er solches Grundeigentum zur Verfügung haben, ergibt sich aus E.2.2 der SKOS Richtlinien, dass grundsätzlich kein Anspruch darauf besteht, Grundeigentum zu erhalten. Dies gilt auch für Immobilien im Ausland und ergibt sich aus dem Subsidiaritätsprinzip. Eine allfällige Immobilie oder Miteigentumsanteile, die zur Verfügung stehen, stellen einen Vermögenswert dar und gehört zu den eigenen Mitteln. Auf eine Verwertung kann verzichtet werden, wenn «jemand voraussichtlich nur kurz- oder mittelfristig unterstützt wird, wenn jemand in relativ geringem Umfang unterstützt wird oder wenn wegen ungenügender Nachfrage nur ein zu tiefer Erlös erzielt werden könnte.“ Die SKOS empfehlen, in solchen Fällen eine Rückerstattungsverpflichtung mit Grundpfandsicherung zu vereinbaren. Diese Rückerstattungsverpflichtung soll dann fällig werden, wenn die Liegenschaft veräussert wird oder wenn die unterstützte Person stirbt. Eine Grundpfandsicherung im Ausland dürfte aber sehr schwierig bzw. meist unmöglich sein. Die SKOS haben dazu auch ein Merkblatt mit dem Namen "Liegenschaftsbesitz im In- und Ausland" gemacht. Es wird darin für Immobilien im Ausland festgehalten, dass eine Verwertung nur dann angezeigt ist, wenn sie verhältnismässig ist. Das ist etwa der Fall, wenn sich in der Gegend, in der die Liegenschaft liegt, überhaupt ein Käufer finden lässt, der die Liegenschaft zu einem marktüblichen Preis erwirbt. Fehlt ein entsprechender Markt/Nachfrage, wäre es unverhältnismässig den Verkauf zu verlangen.
Es sind somit im Fall, dass Grundeigentum oder Miteigentum nach Verteilung der Erbschaft besteht, Abklärungen zu machen, bei denen Ihr Klient mitwirken muss und ev. Sind auch entsprechende Auflagen zu tätigen. Einerseits hinsichtlich der Klärung der Besitz- und Wertverhältnisse (vgl. Art. 18 Ziff. 1 SHG NW) und andererseits bzgl. allfälligen Veräusserungsmöglichkeiten (vgl. Art. 21 SHG NW).
Eine hilfeempfangende Person ist gemäss Art. 36 SHG NW zudem zur Rückerstattung der Sozialhilfe verpflichtet, wenn sie sich in Folge von Erbschaft in günstigen wirtschaftlichen Verhältnissen befindet.
Ich hoffe, Ihnen mit dieser Antwort weitergeholfen haben zu können.
Mit freundlichen Grüssen
Cathrin Habersaat