Guten Tag,
meine Klientin Frau P. ist per 01. Oktober 2018 von der Gemeinde A im Kanton Luzern in die Gemeinde C im Kanton Nidwalden umgezogen. Zuvor bezog sie WSH in E und beantragte nun per 01. November 2018 WSH in der Gemeinde C. Nun ist es im Kanton Nidwalden so, dass die Anmeldung für Personen mit Migrationshintergrund die Anmeldung immer über die Abteilung Migration erfolgen muss und nicht direkt auf der Gemeinde gemacht werden kann. Die Abteilung Migration sieht vor, den Kantonswechsel zu verweigern. In Folge der Kenntnisnahme dieses Vorhabens hat die Gemeinde C mitgeteilt, dass sie keine Zuständigkeit für die Unterstützung mit WSH sehen und die Unterstützungspflicht bei der Gemeinde A verbleibt. Das Amt für Migration teilte mit, dass der Vollzug einer allfälligen Verweigerung des Zuzugs sehr schwierig sei. Frau P. grundsätzlich jedoch nach Rechtskraft eine Frist hätte, um den Kanton zu verlassen.
Nun meine Fragen an Sie:
1) ist die Gemeinde C ab dem 01. November 2018 zuständig für die wirtschaftliche Sozialhilfe? Und wenn ja, wie lange? Bis zum Ablauf der gesetzten Frist zum Verlassen des Kantons?
2) wie wäre es, wenn sich die Klientin weigern würde, den Kanton zu verlassen bzw. keine Wohnung im Kanton Luzern findet? Muss die Gemeinde C dann weiterhin Unterstützung leisten? und wenn ja wie lange und nach welchen Ansätzen?
Ich danke Ihnen für eine Rückmeldung
Freundliche Grüsse
F. Müller
Frage beantwortet am
Anja Loosli Brendebach
Expert*in Sozialhilferecht
Sehr geehrte Frau Müller
Vielen Dank für Ihre Frage. Darf ich zuerst eine bzw. zwei Rückfragen stellen? Aus welchem Land kommt diese Frau? Aus einem EU-/EFTA-Land oder einem Drittstaat? Ist sie aus dem Asyl- oder Flüchtlingsbereich? Oder mit anderen Worten: was für einen Aufenthaltsstatus hat sie?
Ich danke Ihnen für die Beantwortung dieser Frage. Dies macht es mir einfacher, Ihre Frage zu beantworten.
Freundliche Grüsse
Anja Loosli Brendebach
Frage beantwortet am
Anja Loosli Brendebach
Expert*in Sozialhilferecht
Sehr geehrte Frau Müller
Ich versuche nun, Ihre Frage ohne Ihre Rückmeldung zu beantworten.
In § 8 der Sozialhilfeverordnung des Kantons Nidwalden werden die SKOS-Richtlinien als Orientierung für die Bemessung der Unterstützungsleistungen bezeichnet. In den SKOS-Richtlinien selbst findet sich keine Regelung zum Kantonswechsel. Es gibt jedoch das Grundlagenpapier "Unterstützung ausländischer Personen aus Drittstaaten (ohne EG/EFTA-Bürgerinnen und Bürger und Personen aus dem Asyl- und Flüchtlingsbereich. Dieses weist auf Art. 10 Abs. 1 des Zuständigkeitsgesetztes (ZUG). Gemäss diesem ist der Kanton für die Unterstützung von ausländischen Personen zuständig, in dem sich der sozialhilferechtliche Unterstützungswohnsitz befindet. In Ziffer 2 des genannten Papiers wird ausgeführt, was dies für den Kantonswechsel bedeutet: Beim Kantonswechsel einer ausländischen Person kann diese mit dem Umzug und vor der Bewilligungserteilung im neuen Kanton einen Unterstützungswohnsitz begründen, wenn sie am neuen Ort einen Lebensmittelpunkt mit der Absicht des dauernden Verbleibs hat und der Kantonswechsel noch nicht rechtskräftig verweigert worden ist. Der neue Kanton ist in diesem Fall für die Ausrichtigung der Sozialhilfe zuständig, auch wenn die ausländerrechtliche Bewilligung vom vorherigen Wohnkanton ausgestellt wurde und lediglich für diesen gültig ist. Wird der Kantonswechsel rechtskräftig verweigert, kann - sofern keine medizinischen Gründe dagegen sprechen - die Rückkehr in den vorherigen Bewilligungskanton verlangt werden (auch wenn die Bewilligung in diesem Kanton in der Zwischenzeit abgelaufen ist) und es muss nur noch solange Hilfe im Notfall geleistet werden, bis eine solche (Rückkehr) möglich ist. Verweigert die betroffene Person die Rückkehr, hat sie keinen Anspruch auf Unterstützungsleistungen durch den Aufenthaltskanton.
Daraus folgt, dass die Gemeinde C in Nidwalden solange ordentliche Unterstützung bezahlen muss, als die Person sich mit der Absicht des dauernden Verbleibs in der Gemeinde C aufhält (also sozialhilferechtlichen Unterstützungswohnsitz hat) und noch kein rechtskräftiger Ablehnungsentscheid ergangen ist. Ich betone, dass der Entscheid rechtskräftig sein muss. Solange ein Rechtsmittelverfahren läuft ist er dies nicht und es muss weiterhin ordentliche Unterstützung bezahlt werden. Sobald der Ablehnungsentscheid rechtskräftig ist, muss nur noch Nothilfe bezahllt werden und die Rückkehr in den Kanton Luzern kann verlangt werden. Sobald diese möglich ist, muss keine Unterstützung mehr bezahlt werden. Wann diese möglich ist, ist eine Auslegungsfrage. Grosszügig kann man sagen, sie ist möglich, sobald eine neue Wohnung gefunden wurde. Bei engeschränkter Auslegung kann man sagen, sie kann sofort nach Luzern zurückreisen.
Nun ist es so - und deshalb meine Nachfrage - ,dass diese Regelung für Drittstaatsangehörige gilt, die nicht aus dem Asyl- oder Flüchtlingsbereich sind. Ich habe deshalb bei der SKOS nachgefragt, wie die Regel für Bürgerinnen und Bürger der EU ist. Ich habe die Antwort erhalten, dass die von mir oben ausgeführte Regel -obwohl es anders steht - vorerst auch für EU-Bürgerinnen gilt, falls die Migrationsbehörden den Kantonswechsel rechtlich korrekt nicht bewilligen.
Bezüglich die Unterstützung und damit der Zuständigkeit von Personen des Asyl- und Flüchtlingsbereichs gibt es ein eigenes Grundlagenpapier der SKOS, das "Unterstützung von Personen des Asyl- und Flüchtlingsbereichs (ohne EG/EFTA Bürgerinnen und -Bürger und übrige Personen aus Drittstaaten) heisst. Dort wird zwischen Asylsuchenden, anerkannten Flüchtlingen, vorläufig Aufgenommen und Häftefällen unterschieden. Für alle diese Gruppen gilt eine andere Regelung. Gerne verzichte ich darauf, hier alle diese Regelungen auszuführen, da ich aufgrund Ihrer bisher nicht erfolgten Antwort nicht weiss, ob es sich bei der von Ihnen genannten Frau um eine solche aus einer dieser Gruppen handelt. Falls dem so ist, können Sie mir dies aber gerne schreiben und ich gebe Ihnen sehr gerne eine konkrete Antwort.
Ich hoffe, Ihnen mit meiner Antwort gedient zu haben.
Freundliche Grüsse
Anja Loosli Brendebach