Guten Tag
Wir hatten kürzlich das Problem, dass im Personaldossier eines Mitarbeitenden noch ein Dokument von einer Verwarnung abgelegt war, die über 5 Jahre zurückliegt. Bei einem aktuellen Vorfall hatte der Vorgesetzte des Mitarbeitenden noch Bezug auf diese alte Verwarnung genommen, da es sich um eine ähnliche Thematik gehandelt hatte.
Wie lange darf man auf eine Verwarnung zurückgreifen?
Wie lange darf eine solches Dokument im Personaldossier abgelegt werden? Allgemeine Aufbewahrungspflicht ist ja 10 Jahre.
Ich danke Ihnen für die Antwort.
Freundliche Grüsse
Frage beantwortet am
Andreas Petrik
Expert*in Arbeitsrecht
Guten Tag
Arbeitsrechtliche Einordnung der Verwarnung
Bei einer Verwarnung handelt es sich um eine allgemeine Disziplinarmassnahme, die von der Arbeitsgeberin jederzeit und ohne weitere Voraussetzungen ausgesprochen werden kann. Besondere Disziplinarmassnahmen wie etwa das Aussprechen eine Ordnungsstrafe bedürfen eine Grundlage in einer Betriebsordnung nach Arbeitsgesetz. Rechtliche Relevanz hat die Verwarnung in erster Linie im Zusammenhang mit einer fristlosen Kündigung. Die Anforderungen an den «wichtigen Grund», der für eine fristlose Kündigung vorliegen muss, können herabgesetzt werden, wenn das monierte Verhalten des Arbeitnehmers bereits vorher gerügt wurde, das erwartete Verhalten konkret umschrieben und die Folgen einer Wiederholung in zeitlicher und inhaltlicher Hinsicht festgehalten wurden. Im Zusammenhang mit einer ordentlichen Kündigung kommt einer vorangehenden Verwarnung insofern kaum Bedeutung zu, als bei privatrechtlichen Arbeitsverhältnissen ohnehin Kündigungsfreiheit herrscht. Eine Kündigung ist demnach so lange rechtmässig, als keine Missbräuchlichkeit vorliegt. Die Frage, ob eine Kündigung missbräuchlich ist, wenn sie nach einer Verwarnung und trotz Einhaltung des in der Verwarnung geforderten Verhaltens erfolgt, wurde von Bundesgericht verneint.
Aufbewahrungsdauer einer Verwarnung
Wie lange eine Verwarnung im Personaldossier enthalten sein darf, ist nicht spezifisch geregelt und hängt von den Umständen des Einzelfalls ab. Relevant sind die Regelungen betreffend die Bearbeitung von Personendaten im Arbeitsvertragsrecht (Art. 328b OR) und im Datenschutzgesetz (DSG). Ist im Personaldossier eine Verwarnung enthalten, handelt es sich um eine Datenbearbeitung, die den gesetzlichen Anforderungen genügen muss. Ein wichtiger Grundsatz der Datenbearbeitung ist die Verhältnismässigkeit: Sobald Personendaten zum Zweck der Bearbeitung nicht mehr erforderlich sind, sind sie zu vernichten oder zu anonymisieren. Je nach Art und Schwere des Fehlverhaltens des Arbeitnehmenden kann der Verwarnung ein anderer Zweck zukommen. Da die Aufbewahrungsdauer nicht einheitlich ist, ist der Arbeitgeber verpflichtet, regelmässig zu prüfen, ob es noch gerechtfertigt erscheint, die Verwarnung im Personaldossier zu belassen oder ob die Datenbearbeitung als nicht mehr erforderlich erscheint und die Verwarnung aus dem Personaldossier zu entfernen ist.
Die Aufbewahrung der Verwarnung erscheint dann nicht mehr erforderlich, wenn die Arbeitnehmerin ihr Verhalten entsprechend dem Inhalt der Verwarnung angepasst hat, da die Verwarnung ihren Zweck erfüllt hat. Nicht im Sinne einer fixen Regel aber im Sinne eines Richtwerts wird eine Aufbewahrungsfrist von zwei Jahren genannt. Grundlage für diese Grösse ist die Empfehlung des Eidgenössischen Datenschutz- und Öffentlichkeitsbeauftragten (EDÖB), wonach das Personaldossier alle zwei Jahre zu überprüfen ist und nicht mehr benötigte Daten zu löschen sind (die Empfehlung Bezug sich auf das alte Datenschutzgesetz, aktuell empfiehlt der EDÖB eine «regelmässige» Überprüfung des Personaldossiers). Ohne erneute Vorfälle innerhalb von zwei Jahren nach dem Aussprechen der Verwarnung dürfte in der Regel der Zweck der Verwarnung und der damit verbundenen Datenbearbeitung erfüllt und folglich eine Löschung damit angezeigt sein.
Unabhängig von der Erforderlichkeit der Aufbewahrung der Verwarnung im Hinblick auf deren Zweck, kann die Arbeitgeberin andere berechtigte Interessen geltend machen. Wenn etwa das Fehlverhalten des Arbeitnehmers zu Schadenersatzforderungen gegenüber dem Arbeitgeber führen könnten, könnte eine Aufbewahrung bis zur Verjährung solcher Ansprüche gerechtfertigt sein. Vertragliche Ansprüche verjähren mit Ablauf von zehn Jahren, weshalb auch eine entsprechend lange Datenspeicherung gerechtfertigt wäre. Beruft sich der Arbeitgeber auf solche Gründe, um die Aufbewahrung der Verwarnung zu rechtfertigen, kann zwar die Datenbearbeitung weiterhin rechtmässig sein, dem Arbeitnehmer kann das frühere Fehlverhalten jedoch nicht mehr entgegengehalten werden.
Pflicht zur Aufbewahrung von Arbeitnehmerdaten
Eine «allgemeine Aufbewahrungspflicht» für Dokumente oder – allgemeiner formuliert – Daten von Arbeitnehmenden gibt es nicht. Es gibt auch keine Pflicht, ein Personaldossier zu führen. Die Datenbearbeitung durch den Arbeitgeber muss rechtmässig erfolgen, was die Einhaltung der gesetzlichen Vorgaben (Art. 328b OR, DSG) bedeutet. Von grosser Bedeutung ist – nicht nur im Zusammenhang mit Verwarnungen – der Grundsatz der Verhältnismässigkeit. Konkret bedeutet dies, dass unter Berücksichtigung des Bearbeitungszwecks die erforderliche Aufbewahrungsdauer unterschiedlich sein kann. Eine Pflicht zur Aufbewahrung kann sich aus gesetzlichen Vorschriften ergeben (v.a. Buchführungsvorschriften, Sozialversicherungs- und Steuerrecht). Wenn eine solche gesetzliche Pflicht besteht, ist die Datenbearbeitung gerechtfertigt und damit auch rechtmässig.
Durchsetzung von Rechten durch die Arbeitnehmerin
Dass die Rechtslage wenig konkret ist, mag auch der Tatsache geschuldet sein, dass bei Verletzung der datenschutzrechtlichen Vorgaben durch Arbeitgebende den Arbeitnehmern kaum taugliche Rechtsbehelfe zur Verfügung stehen, um ihre Rechte durchzusetzen. Im Zusammenhang mit einer Verwarnung kann die Arbeitnehmerin die Löschung aus dem Personaldossier verlangen, wenn die Unrichtigkeit nachgewiesen werden kann. Kann weder die Richtigkeit noch die Unrichtigkeit der festgestellten Tatsachen nachgewiesen werden, kann der Arbeitnehmer verlangen, dass ein Bestreitungsvermerk im Personaldossier hinterlegt wird.
Verwarnung im öffentlich-rechtlichen Arbeitsverhältnis
Handelt es sich nicht im ein privatrechtliches sondern um ein öffentlich-rechtliches Anstellungsverhältnis sind die Regelungen im anwendbaren Personalrecht zu beachten. Im öffentlichen Personalrecht ist häufig festgelegt, wie bei einem Fehlverhalten oder ungenügenden Leistungen vorzugehen ist. Bisweilen ist vorgesehen, dass vor der Kündigung zwingend eine Bewährungsfrist anzusetzen und das geforderte Verhalten in zeitlicher und inhaltlicher Hinsicht konkret zu umschreiben ist. Betreffend Datenschutz sind ebenfalls die kantonalen Rechtsgrundlagen relevant, der Anwendungsbereich des Bundesgesetzes beschränkt sich grundsätzlich auf Bundesbehörden und Private.
Freundliche Grüsse