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Wie ist vorzugehen, wenn die Familienzulagen an die falsche Person ausgezahlt wurden?

Veröffentlicht:
03.02.2022
Status:
Beantwortet
Rechtsgebiet:
Sozialversicherungsrecht

Im August 2020 wurden die Familienzulagen über den Arbeitgeber des Ex-Mannes meiner Klientin beantragt. Ab diesem Zeitpunkt waren wir im Austausch mit der Personalvermittlung und ab Dezember 2020 im direkten Kontakt mit der Ausgleichskasse. Beide Stellen wurden schriftlich und mündlich darüber informiert, dass die Familienzulagen auf keinen Fall an den ex-Mann überwiesen werden dürfen.

Ab Dezember 2020 habe ich mich monatlich über den Auszahlungsstand der Familienzulagen erkundigt.

Am 07.12.2020 wurde mir von der Ausgleichskasse mitgeteilt, dass wir zusätzlich zu den Unterlagen ein Drittauszahlungsgesuch nachreichen müssen. Dies wurde per 22.12.2020 nachgeholt. Im telefonischen Gespräch vom 11.02.21 wurde mir von der Ausgleichskasse bestätigt, dass das Drittauszahlungsgesuch am 04.01.21 bei ihnen eingegangen ist. Zudem wurde mir mitgeteilt, dass die Angelegenheit noch in Bearbeitung ist. Die Ausgleichskasse werde mit der Personalvermittlung Kontakt aufnehmen, damit die Familienzulagen nicht an den Ex-Mann meiner Klientin ausgezahlt werden.

Am 24.3.21 wurde mir von der Ausgleichskasse mitgeteilt, dass das Drittauszahlungsgesuch und die Bankangaben von uns im System seien, die Familienzulagen bis Ende November 2020 jedoch an den Ex-Mann ausgezahlt worden seien.

Gemäss Rückmeldung der Ausgleichskasse hätten diese erst nach der Auszahlung der Familienzulagen Kenntnis vom Drittauszahlungsgesuch gehabt. Die Auszahlung sei am 06.12.2021 erfolgt. Normalerweise würde die Personalvermittlung eine Aktennotiz erfassen, wenn die Auszahlung nicht an den Klienten gehen dürfe. Sie hätten am 11.11.20 ein Mail von der Personalvermittlung erhalten. Mit der Anmeldung jedoch ohne Info, dass keine Auszahlung an den Klienten gemacht werden dürfe.

Obschon wir ausführlich informiert und sämtliche Unterlagen eingereicht haben, wurden die Familienzulagen an den Ex-Mann ausgezahlt. Das Vorgehen der Ausgleichskasse und der Personalvermittlung ist für mich nicht nachvollziehbar.

Da wir korrekt und fristgerecht vorgegangen sind, hat meine Klientin nach wie vor Anspruch auf die Familienzulagen, welche fälschlicherweise an den Kindsvater überwiesen und nicht an die Kindsmutter weitergeleitet wurden.

Liegt ein Drittauszahlungsgesuch vor, ist die Ausgleichskasse gesetzlich verpflichtet, die Zulagen gemäss Drittauszahlungsgesuch zu überweisen.

Der Ex-Mann meiner Klientin hat diverse Betreibungen. Eine allfällige Betreibung der Familienzulagen erachte ich als nicht zielführend

Allenfalls gibt es die Möglichkeit, dass die Familienzulagen für Juli – November 2020 durch die Personalvermittlung erneut ausgezahlt (auf das Konto meiner Klientin) und dem Ex-Mann monatlich vom Gehalt in Abzug gebracht wird?

Besten Dank für Ihre Antwort.

Isabelle Voser-Meyer

Berufsbeiständin, SDBD Dielsdorf

Frage beantwortet am

Peter Mösch Payot

Expert*in Sozialversicherungsrecht

Guten Tag!

Tatsächlich scheint hier seitens des Arbeitgebers des Ehemannes, bzw. seitens der Ausgleichskasse ein Fehler vorzuliegen. 

a) Eine Neuauszahlung der Famlienzulagen seitens des Arbeitgebers an die Ehefrau und ein entsprechender Abzug vom Lohn beim Ehemann scheint mir schwer durchsetzbar: Mit der Bewirkung der Auszahlung der Familienzulagen an den Ehemann seitens seines Arbeitgebers wurde ja keine ungerechtfertigte Bereicherung bewirkt. Ein solches Vorgehen wäre m.E. nur zulässig, wenn der Ehemann damit einverstanden wäre.

b) Vielmehr wäre hier aber zu prüfen, ob im konkreten Vorgehen des Arbeitgebers ein Fehlverhalten im Sinne von Art. 41 OR zu sehen ist, welches kausal einen Schaden verursacht. Womit ein Schadenersatzanspruch bestehen könnte. Zu beachten ist hier die Beweislast der geschädigten Person.

Fraglich ist allerdings, ob im Verhalten des Personalvermittlers eine Verletzung einer Schutznorm vorliegt. Ob also der Personalvermittler hier wirklich eine Pflichtverletzung gegenüber der Ehefrau begangen hat, zumal ja zwischen Ehefrau und dem Personalvermittler gar kein Arbeitsvertrag vorliegt.

c) Eine weitere Variante liegt darin, dass gegenüber der Ausgleichskasse geltend gemacht wird, dass diese durch die Nichtberücksichtigung der bereits 2020 eingereichten Drittauszahlungsgesuches ein Unterlassen sich hat zu Schulden kommen lassen, welches dann kausal zu einem Schaden führt/e. Es ginge um einen Verantwortlichkeitsanspruch gemäss Art. 78 ATSG.

Auch hier sind die Prozesschancen aber unsicher. Wenn ich den Sachverhalt richtig verstehe, lag nämlich im Zeitraum der Auszahlung der Familienzulagen ein Drittauszahlungsgesuch vor, ohne dass dieses bereits rechtswirksam bewilligt worden wäre. Deswegen ist es unsicher, ob ein Gericht von einer Widerrechtlichkeit, also einer Gesetzes- bzw. Amtspflichverletzung  ausginge, welche dann den Schadenersatz begründen würde.

Ich rate Ihnen, in diesem Fall zu versuchen, bei der Ausgleichskasse gestützt auf die Drittauszahlungsformulare eine nochmalige Auszahlung zu bewirken.

Ansonsten wären die Prozesschancen aufgrund der genaueren Analyse der Akten seitens eines auf Haftpflicht spezialisierten Anwaltskanzlei zu prüfen, insb. soweit es sich um eine erhebliche Summe handelt, die fälschlicherweise an den Ex-Ehemann ausbezahlt wurde. 

Ich hoffe, das dient Ihnen.

Prof. Peter Mösch Payot