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Wer übernimmt die Kosten einer Wohnungsräumung bei Tod eines überschulden IV-/EL-Bezügers?

Veröffentlicht:
22.04.2024
Kanton:
Basel-Stadt
Status:
Beantwortet
Rechtsgebiet:
Sozialversicherungsrecht

Sehr geehrte Angeschriebene

Folgende Ausgangslage:

Die Person bezog bis zu ihrem Tod eine IV-Rente und Ergänzungsleistungen. Sie ist überschuldet, für sämtliche Forderungen existieren Verlustscheine. Die Person war verbeiständent (Kombinierte Beistandschaft) und wurde von der KESB als geschäftsunfähig erklärt.

Nun stehen nach seinem Tod die Wohnungsauflösung, die Wohnungsreinigung und Instandstellung der Wohnung an. Die Erben (Eltern und Geschwister) befürchten, das sie nun für die bestehenden Schulden des Verstorbenen haften. Sie sind der Meinung, dass sie deswegen noch keine Firmen für die Wohnungsauflösung, -Reinigung und Instandsetzung beauftragen dürfen.

Werden die Erben lediglich für die oben erwähnten Kosten betreffend Wohnung haften, wenn sie das Erbe ausschalgen?

Wie lange ab dem Sterbedatum bezahlt die EL noch die Miete? Kann die EL im Todesfall einen Teil der Miete vom Vermieter zurückfordern?

Müssen die Erben eine gesetzliche Frist abwarten, bis sie das Erbe ausschalgen können oder geht das sofort?

Das Mandat des Beistandes endet mit dem Tod: Was kann/muss der Beistand betreffend Wohnungsauflösung nach dem Tod des Klienten noch alles organisieren?

Ich danke Ihnen im Voraus für rasche Antwort

Frage beantwortet am

Peter Mösch Payot

Expert*in Sozialversicherungsrecht

Guten Tag. 

Entschuldigen Sie die Wartezeit, welche der Vielfalt der Fragestellungen geschuldet ist, die ganz unterschiedliche Aspekte betrifft und deswegen einiger Abklärungen bedurfte.

1. Zur Frage, wer grundsätzlich die Kosten für die Wohnungsauflösung, die Wohnungsreinigung und Instandstellung der Wohnung bezahlen muss. Und inwieweit die Erben pflichtig werden.

Primär sind das ausschliesslich Schulden aus dem Mietvertrag. Soweit der Verstorbene der Mieter der Wohnung war bzw. ist, sind es also seine Schulden. Die dann mit dem Tod Teil des Nachlasses werden.

Die Erben werden damit belastet, soweit sie das Erbe antreten. Dabei ist zu beachten, dass die Erben innert dreier Monate die Ausschlagung erklären müssen.

Sie können diese Ausschlagung sofort mündlich oder schriftlich erklären. Wo genau ist kantonal unterschiedlich. Insoweit informiert man sich am besten beim Bezirksgericht/Amtsgericht am Ort des Todes des Erblassers. Häufig ist es das Gericht selber.  

Wird die Frist verpasst, gilt die Erbschaft grunsätzlich als angenommen: Die Erben werden Eigentümer der Nachlassgegenstände und haften mit ihrem Privatvermögen für alle bekannten und unbekannten Schulden der verstorbenen Person.
Die Erben können etwa mit den Steuererklärungen, aktuellen Kontoauszügen oder auch Betreibungsregisterauszügen klären, ob Betreibungen laufen oder Verlustscheine bestehen.

Liegen allerdings Verlustscheine jüngeren Datums vor, wie wohl im vorliegenden Fall - oder ist die verstorbene Person kurz vor ihrem Tod in Konkurs gefallen – so wird die Ausschlagung vermutet, ausser Erben erkläre, dass die Erbschaft angenommen wird (Art. 566 Abs. 2 ZGB).

In diesem Fall wird dann die Erbschaft konkursamtlich liquidiert. Die Erben haften nicht für jene Kosten. Sondern höchstens der Nachlass. Ist dieser aber überschuldet, so fallen die Forderungen in die Konkursmasse.

2. Es ist für die Erben ratsam, allfällige Handlungen rund um Forderungen gegenüber dem Erblasser nur dokumentiert in Absprache mit dem Erbschaftsamt vorzunehmen. Aus dem vorliegenden Sachverhalt ist nämlich nicht eindeutig klar, dass die Ausschlagungsvermutung nach Art. 566 Abs. 2 ZGB sicher zum Tragen kommt. Und: es besteht die Gefahr, dass tatsächliche Handlungen wie Wohnungsräumungen, die Übernahme von Kosten etc. als Erbannahme interpretiert würden. In Art. 571 Abs. 2 ZGB werden verschiedene Formen dieser so genannten konkludenten Annahme der Erbschaft genannt. Diese Handlungen führen dazu, dass  der Erbe die Erbschaft nicht mehr ausschlagen kann. Es geht um Handlungen, mit denen sich die zur Erbschaft berufene Person so verhält, wie wenn sie schon definitiv Erbe wäre. Sich also in die Erbschaft einmischt. Das ist nur dann nicht der Fall, wenn es um  blosse Verwaltungshandlung geht zum Werterhalt, zur Sicherung der Fortführung der Geschäfte des Erblassers etc.

Es ist aber tatsächlich für Erben grundsätzlich abzuraten, Rechnungen der verstorbenen Person zu bezahlen oder etwa Wertgegenstände an sich zu nehmen. Weil dies unter Umständen als Annahme der Erbschaft qualifiziert werden kann.

3. Eine direkte Schuld für die Erben oder andere Dritte für Kosten der Wohnungsliquidation, -reinigung und – instandstellung könnte, ausserhalb des bereits beschriebenen Antritts des Erbes, nur begründet werden, wenn im Vertrag (etwa eines Altersheimes) eine Forderung gegenüber Dritten begründet wurde. Dafür müsste aber diese Verpflichtung auch durch Vertrag zustandegekommen sein, insb. Mittels entsprechender Verpflichtungsübernahme durch den Dritten.

Gleiches gilt natürlich, wenn Dritte wie die Erben selber Aufträge erteilen, etwa für die Wohnungsräumung oder auch für weitere Erbgangsaspekte (Traueranzeige, Bestattung etc.). In diesem Fall haften sie selber, weil sie ja selber den Auftrag erteilt haben.

Ob bzgl. Bestattungskosten auch ohne Annahme des Erbes Angehörige zur Kostenübernahme beigezogen werden können, auch wenn sie das Erbe ausgeschlagen haben und keinen Auftrag bzgl. Bestattung geben, ist eine Frage des öffentlichen Rechts und wird in den Gemeinden unterschiedlich gehandhabt.

4. Zur Frage der Rückforderung der EL gegenüber dem Vermieter: Der Anspruch auf EL erlischt mit dem Tod. Die EL wird jeweils zu Beginn des Monats, für den ein Anspruch besteht, für den ganzen Monat ausgerichtet. Bei Heimaufenthalten gilt gemäss Art. 10 Abs. 2 lit. a ELG, dass nur die effektiv in Rechnung gestellten Tage berücksichtig werden. Das kann dazu führen, dass bei einem Todesfall in einem Heim regelmässig der effektiv geschuldete EL-Betrag neu berechnet wird und zu Lasten des Nachlasses (bzw. bei Erbannahme den Erbinnen und Erben der verstorbenen Person ein Rückerstattungsantrag gestellt wird).

Die Beistandsperson sollte im Todesfall unabhängig davon die EL-Stelle so schnell als möglich über den Todesfall informieren. So kann vermieden werden, dass, etwa auch bei Personen, die nicht im Heim leben, die EL zu lange weiter ausgerichtet wird.

Wäre dies der Fall, so bestehen seitens der EL gegenüber dem Nachlass (bzw. gegenüber den Erben in Fällen der Annahme des Erbes), aber auch gegenüber Dritten, welche die Leistungen erhalten haben, Rückerstattungsansprüche seitens der EL-Stelle (vgl. Art. 25 ATSG, Art. 2 Abs. 1 lit. a, b und c ATSV). Dies gilt explizit NICHT gegenüber Beistände, welche in dieser Rolle EL erhalten haben.

Vom Vermieter könnte also eine Leistung seitens der EL nur zurückverlangt werden, wenn dieser Leistungen direkt seitens der EL bezogen haben sollte.

5. Zum Auftrag der Beistandsperson im Todesfall: Der Auftrag des Beistandes endet mit dem Tod. Er darf/sollte praxisgemäss nur noch die absolut notwendigen Handlungen vornehmen. Alles Weitere erfolgt nicht im Rahmen des Auftrages als Beistand.

Zu den notwendigen Handlungen gehört die Information der KESB, des Erbschaftsamtes, der Angehörigen, Dritter wie der Sozialversicherungen. Weitere die Aushändigung von Dokumenten und Wertsachen gegen eine entsprechende Bestätigung (Erbschein bei den Erben; Vollmacht/Ermächtigung bei Erbenvertretung bzw. Erbschaftsvertretung). Dann die Einreichung des Schlussberichts und der Schlussrechnung an die KESB (Art. 425 ZGB). Darin sind auch offene Fragen/Probleme, etwa bzgl. Wohnungsauflösung etc. zu nennen.

Weitere Handlungen erfolgen nicht im Rahmen der Beistandschaft, sondern entweder im Auftrag der Erbengemeinschaft oder des Erbschaftsamtes, bzw. in dringlichen Fällen als so genannte Geschäftsführung ohne Auftrag. Wo möglich in Fällen ohne Erben wie vorliegend ist ein Auftrag für eine Erschaftsverwaltung (Art. 554 ZGB) seitens des Erbschafts- bzw. Konkursamtes einzuholen. Liegt ein solcher Auftrag vor, sind Aufgaben detailliert zu erfassen, Auslagen zu belegen und allfällige Zahlungen ab Konten der betroffenen Person sind festzuhalten und müssen quittiert werden.

Auch die Wohnungskündigung kann ohne Erben grundsätzlich nur vom Erbschaftsamt, vom entsprechenden Erbschaftsvertreter, bzw. vom Konkursamt, bzw. in dessen Auftrag vorgenommen werden.

Zu weiteren Fragen der Aufgaben der Beistandsperson im Todesfall bestehen verschiedene Merkblätter der kantonalen KESB.

Siehe etwa:
Merkblatt-Tod-der-verbeiständeten-Person.pdf (kesb-bl.ch)

Vertiefend ist folgender Aufsatz lesenswert: Ende_Beistandschaft_und_Vermoegenssorge.pdf (affolter-lexproject.ch)

Ich hoffe, das dient Ihnen.

Prof. Peter Mösch Payot