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Welche Auswirkungen hat der Aufenthaltsstatus (anerkannter Flüchtling ohne Asyl) auf die Sozialhilfe

Veröffentlicht:
24.05.2022
Kanton:
Bern
Status:
Beantwortet
Rechtsgebiet:
Sozialhilferecht

Sehr geehrte Damen und Herren

Ich melde mich bei Ihnen in Bezug auf einen Klienten des Sozialdienstes. Bei dem Klienten handelt es sich um einen 45 jährigen Mann aus Eritrea.

Herr A. lebt seit Juli 2014 in der Schweiz. 2019 wurde er durch das Regionalgericht Bern-Mittelland zu einer Freiheitsstrafe von 42 Monaten und einer Landesverweisung von 10 Jahren verurteilt. Allerdings würde gemäss SEM der Vollzug der Landesverweisung nach Eritrea mit überwiegender Wahrscheinlichkeit zum heutigen Zeitpunkt gegen das Non-Refoulement-Gebot verstossen. Herrn A.s B-Ausweis ist im Februar 2019 abgelaufen und wurde nicht erneuert.

Da uns der aktuelle Aufenthaltsstatus nicht klar war wendeten wir uns an das SEM. Dieses bestätigte uns, dass mit der Verfügung von 2019 das Asyl erloschen ist, Herr A. jedoch in der Schweiz immer noch als Flüchtling anerkannt wird.

Ich wende mich nun mit folgenden Fragen an Sie.

Welche Rechte und Pflichten hat Herr A. als Flüchtling ohne Asyl?

Welche Auswirkungen hat sein Aufenthaltsstatus auf die Sozialhilfe (aktuell Nothilfe)?

Hat Herr A. ein Anrecht auf Integrationsmassnahmen?

Können für Herr A. situationsbedingte Leistungen gesprochen werden?

Gibt es eine Möglichkeit für Herrn A. einen Ausweis zu erlangen (aktuell ohne Ausweis)?

Vielen Dank und freundliche Grüsse

Frage beantwortet am

Ruth Schnyder

Expert*in Sozialhilferecht

Guten Tag

Gerne beantworte ich Ihre Anfrage. Nach Art. 27 Abs. 2 SAFG / BE  richtet sich die Flüchtlingssozialhilfe nach den Bestimmungen des SHG über die individuelle Sozialhilfe. Es stellt sich die Frage, ob der betreffende Klient nach dem Landesverweis, welcher nicht vollzogen werden kann, nach wie vor Anspruch auf Flüchtlingssozialhilfe hat.

Nach Art. 86 Abs. 1bis AIG gelten für Flüchtlinge mit einer rechtskräftigen Landesverweisung nach Artikel 66a oder 66abis StGB oder Artikel 49a oder 49abis MStG   bezüglich Sozialhilfestandards die gleichen Bestimmungen wie für Flüchtlinge, denen die Schweiz Asyl gewährt hat. Ferner wird in Art. 65 Abs 1bis VZAE festgehalten, dass Flüchtlinge und Staatenlose, die mit einer rechtskräftigen Landesverweisung belegt sind, ebenfalls eine Erwerbstätigkeit aufnehmen dürfen, sobald dies gemeldet worden ist. Bei Stellenwechsel gilt für die gleiche Personengruppe die Artikel 65-65c VZAE sinngemäss (Art. 64 Abs. 3 VZAE).

Ihren Angaben zufolge besitzt der Klient nach wie vor die Flüchtlingseigenschaft. Das von der Schweiz gewährte Asyl ist aufgrund der Landesverweisung erloschen. Da der Landesverweis jedoch nicht vollzogen bzw. aufgeschoben (Art. 66d StGB) wird, hat er nach wie vor ein Anwesenheitsrecht in der Schweiz und wird gemäss der vorstehend dargelegten Rechtslage bezüglich der Sozialhilfe mit Flüchtlingen, welchen Asyl gewährt wird, sogar gleichgestellt. Insofern hat er nach wie vor Anspruch auf Flüchtlingssozialhilfe nach Art. 27 SAFG / BE, welche sich nach den Bestimmungen des SHG / BE richtet sowie den weiteren Bestimmungen rund um die Thematik der Integration Art. 15 und Art. 16 SAFG /BE und den entsprechenden Verordnungsbestimmungen. Inwieweit es ihm möglich ist, bei dieser Ausgangslage einen Ausweis zu erlangen, ist eine ausschliesslich migrationsrechtliche Frage, die vorliegend nicht beantwortet werden kann. Eventuell tritt diese Frage aufgrund der dargelegten Rechtslage in den Hintergrund.

Ich hoffe, Ihnen damit Ihre Fragen beantwortet zu haben.

Freundliche Grüsse

Ruth Schnyder