Guten Tag
Einer meiner Klienten hat ein Natelabo über seine Tante abgeschlossen. Als Benützer ist mein Klient bei der Telefongesellschaft hinterlegt. Die Rechnungen gehen direkt an meinen Klienten. Aufgrund seines Schwächezustandes besteht der Schutzbedarf darin, dass er keine Dritteinkäufe über die Telefonrechnung tätigen kann. Entsprechend habe ich den Anbieter angewiesen, Dritteinkäufe zu sperren. Die Antwort des Telefonanbieters lautet, dass nur die Inhaberin, also die Tante meines Klienten, Dritteinkäufe sperren lassen könne.
Kann sich die Telefongesellschaft weigern von mir eine Weisung entgegenzunehmen, damit sich mein Kient nicht verschuldet? Ist es wirklich so, dass nur die Person die mit ihrem Namen bürgt und den Vertrag abgeschlossen hat Dritteinkäufe sperren lassen kann?
Zweite Frage:
Bei einem anderen Klient ist der selbe Telefonanbieter nicht bereit einen Vetragsabschluss eines Natelabos und Natelskaufs rückgängig zu machen mit der Begründung, dass die KESB die Handlungsfähigkeit nicht eingeschränkt hat. Es ist ganz offensichtlich dass aufgrund einer psychiatrischen Erkrankung mein Klient nicht urteilsfähig betreffend Vetragsabschlüssen bei Natelabos ist. Gestützt auf die Art. 13 und 16 ZGB versuche ich dieser Firma die Urteilsunfähigkeit zu belegen. Ich gehe davon aus, dass die Verkäufer in den Telekomshops dies bei den Vertragsabschlüssen prüfen müssten. Bei meinem Klienten ist die psychische Erkrankung und Urteilsunfähigkeit offensichtlich. Oder muss ich ein entsprechendes Arztzeugnis welches dies belegt noch der Firma beilegen?
Vielen Dank für Ihre Antwort.
Freundliche Grüsse
Silvia Ulrich
Frage beantwortet am
Karin Anderer
Expert*in Kindes- und Erwachsenenschutz
Sehr geehrte Frau Ulrich
Zu Frage 1
Ja, dem ist so, Sie können keine Weisungen erteilen. Die Tante ist Vertragspartnerin des Telefonanbieters und nur sie kann die entsprechenden Einstellungen vornehmen (z.B. bei Swisscom online im Kundencenter Mehrwertdienste deaktivieren) oder Aufträge für Sperrungen erteilen. Die Tante trägt als Vertragspartnerin aber auch das (finanzielle) Risiko, wenn die Rechnungen nicht bezahlt werden können und ich nehme an, dass sie weiss, wie das Budget Ihres Klienten aussieht.
Zu Frage 2
Ein Arztzeugnis dürfen Sie dem Telefonanbieter nicht einreichen. Legen Sie dem Anbieter schriftlich (nochmals) dar, dass der Klient im Zeitpunkt des Abschlusses der zwei Verträge (Natel und Abo) urteilsunfähig war, die Urteilsunfähigkeit zudem offensichtlich erkennbar gewesen sei, und gestützt auf Art. 18 ZGB die Verträge somit nichtig sind. Für die Bestimmung der Urteilsunfähigkeit ist es ohne Belang, dass die KESB die Handlungsfähigkeit nach Art. 394 Abs. 2 ZGB nicht eingeschränkt hat (BK - Bucher/Aebi-Müller, Art. 16 N 168 f.).
Ich gehe davon aus, dass Sie genügend Anhaltspunkte und Nachweise haben, dass die Urteilsunfähigkeit für den Abschluss der zwei Rechtsgeschäfte fehlte. Wenn der Telefonanbieter die Betreibung einleitet und Sie Rechtsvorschlag erhoben haben, müssen Sie im anschliessenden Rechtsöffnungsverfahren beweisen können, dass der Herr an einer „psychischer Störung“ leidet (objektives Element) und dass ihm deswegen die Fähigkeit zu vernünftigem Handeln mangelt (subjektives Element), vgl. Art. 16 ZGB. Allenfalls ergibt sich das bereits aus den KESB-Unterlagen, oder ein Haus- oder Heimarzt könnte das bestätigen.
Ich hoffe, die Angaben sind nützlich und ich grüsse Sie freundlich
Luzern, 18.3.2021
Karin Anderer