Ich bin als Vertretungsbeiständin mit Einkommens- und Vermögensverwaltung in einem Fall eingesetzt, bei welchem momentan eine Erbteilung vollzogen wird. Meine Klientin ist zusammen mit ihrer Schwester Erbin im Nachlass ihrer Eltern. Im Jahr 1990 wurde seitens der Eltern der Schwester ein Erbvorbezug (eine Liegenschaft) gewährt. Dieser Erbvorbezug wurde vom Notariat beglaubigt. Der Übernahmepreis für das Abtretungsobjekt wurde damals von den Parteien mit einem Wert von CHF 200'000.- beziffert. Inwiefern heute das Abtretungsobjekt einen Mehrwert hat, ist nicht bekannt. Im Entwurf des Erbteilungsvertrages wird vermerkt, dass der Anrechnungswert ausdrücklich bestimmt wurde und sich die Erbinnen einig sind, dass die Parteien damit auch bei diesem Abtretungsobjekt die Ausgleichungspflicht eines allfälligen Mehrwertes ausschliessen wollten. Sollte nun diese Liegenschaft tatsächlich heute einen Mehrwert haben, stellen sich mir folgende Fragen: Was sind meine Pflichten als Beiständin in diesem Fall hinsichtlich der Berechnung des Mehrwertes für eine zukünftige Anmeldung bei den Zusatzleistungen? Müsste diesbezüglich noch etwas abgeklärt/der Mehrwert berechnet werden? Andererseits: Würde/könnte auf dieser Basis ein Vermögensverzicht bei den Zusatzleistungen berechnet werden? Oder könnte ich als Beiständin diesen Erbteilungsvertrag ohne Bedenken so annehmen?
Frage beantwortet am
Karin Anderer
Expert*in Kindes- und Erwachsenenschutz
Sehr geehrte Frau Fischer
Vermögensverzichte im Rahmen einer Erbschaft oder Erbteilung werden bei der EL-Berechnung berücksichtigt.
Ohne Kenntnisse des Vertrags von 1990 und des Entwurfs des Teilungsvertrags lässt sich keine Beurteilung abgeben. Hier ein paar Hinweise:
Wenn es ein Erbvorbezug war (vielleicht war es eine gemischte Schenkung?), kann nicht ein Übernahmepreis vereinbart worden sein, sondern «nur» ein Anrechnungswert. Solche Vereinbarungen sind formlos gültig, soweit die Ausgleichung betreffend. Es stellt sich einzig die Frage, ob wegen des reduzierten Anrechnungswerts (massgebend wäre der Verkehrswert im Zeitpunkt des Todes des Erblassers) Pflichtteilsansprüche verletzt worden sind. Auch auf deren Geltendmachung konnte 1990 verzichtet werden. Dafür aber wäre die Erbvertragsform einzuhalten gewesen.
Allenfalls ist es sinnvoll, eine in Erbrecht spezialisierte Person für die Sichtung der Unterlagen und des aufgesetzen Erbteilungsvertrags beizuziehen.
Ich hoffe, die Angaben helfen Ihnen trotzdem weiter.
Luzern, 2.11.2020
Freundliche Grüsse
Karin Anderer