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Was kann unsere Klientin tun, damit sie den Lohn erhält? Muss sie weiterhin dort arbeiten, auch wenn sie immer noch keinen Lohn erhält? Was sind ihre Rechte?

Veröffentlicht:
18.09.2024
Kanton:
Bern
Status:
Beantwortet
Rechtsgebiet:
Arbeitsrecht

Unsere Klientin (43 J.) arbeitet bereits längere Zeit in einem Restaurant. Seit einiger Zeit erhält sie den Lohn nicht mehr. Ihr Arbeitgeber müsste ihr die Löhne Mai, Juni, Juli und August 2024 auszahlen. Seither arbeitet sie weiterhin dort. Der Sozialdienst hat ihm eine Mahnung geschrieben mit Androhung, dass der Arbeitgeber betrieben wird. Bisher sind die Löhne immer noch nicht eingetroffen.

Frage beantwortet am

Kurt Pärli

Expert*in Arbeitsrecht

Guten Tag

Gerne beantworte ich Ihre Frage wie folgt:

Ist die Arbeitgeberin mit der Lohnzahlung im Rückstand, muss Ihre Klientin den Arbeitgeber unbedingt in Verzug setzen, das heisst, die Arbeitgeberin ist abzumahnen und es ist eine Frist für die Begleichung der ausstehenden Löhne anzusetzen. Zudem ist sinnvollerweise auch gleich die Betreibung für den Fall anzudrohen, dass die fälligen Löhne nicht ausgerichtet werden. Gemäss Ihren Angaben hat der in den Fall involvierte Sozialdienst entsprechend gehandelt.

Zu überlegen gilt es, ob ihre Klientin angesichts der ausbleibenden Lohnzahlung die Arbeit niederlegen soll. Nach Lehre und REchtsprechung gilt: Solange der Arbeitgeber sich mit verfallenen Lohnzahlungen im Rückstand befindet, ist der Arbeitnehmer in analoger Anwendung von Art. 82 OR befugt, die Leistung von Arbeit zu verweigern. Kein Recht auf Arbeitsverweigerung folgt aus einer nicht bezahlten Gratifikationszahlung. Der Lohnanspruch während der berechtigten Arbeitsverweigerung samt Gratifikation bleibt gewahrt, ohne dass der Arbeitnehmer zur Nachleistung verpflichtet wäre 136 III 313/319 E. 2.3, 120 II 209/213 E. 9a, vgl. 4A_45/2018 (25.7.18) E. 7.29. Diese REchtsfolge stützt sich auf Art. 324 OR; die Bestimmung regelt den so genannten Arbeitgeberverzug. Es soll einem Arbeitnehmer nicht zugemutet werden, für einen Arbeitgeber weiterhin Arbeit zu leisten und dabei zu risikieren, für die Arbeit keinen Lohn zu erhalten. 

Die ausbleibenden Lohnzahlungen berechtigen den Arbeitnehmer auch, das Arbeitsverhältnis aus wichtigem Grund fristlos aufzulösen. Ein wichtiger Grund nach Art. 337 OR liegt vor, wenn die Forderungen des Arbeitnehmers derart gefährdet sind, dass ihm die Fortführung des Arbeitsverhältnisses nicht mehr zugemutet werden kann. Dies ist der Fall, wenn über den Arbeitgeber der Konkurs eröffnet wird. Vor einer fristlosen Kündigung ist dem ARbeitnehmer zu empfehlen, den Arbeitgeber (erneut) abzumahnen und auf die Möglichkeit der fristlosen Kündigung hinzuweisen.

Zur Durchsetzung der ausstehenden Löhne: Wenn die Arbeitgeberin trotz der Mahnungen den ausstehenden Lohn weiterhin nicht ausrichtet, muss der Betreibungsweg bestritten werden. Es gibt hierzu digitale Möglichkeiten: EasyGov - Betreibungsbegehren - Verlässliche Informationen finden Sie überdies hier:  Betreibungsbegehren: ein wirksames Mittel bei Zahlungsausfällen (admin.ch)  

Sollte die Arbeitgeberin involvent werden, so hat Ihre Klientin für die ausstehenden Löhne eine Insolvenzentschädigung zu gut. Diese ist auf maximal vier Monatslöhne beschränkt. Nähere Informationen finden Sie hier: Insolvenzentschädigung (arbeit.swiss) 

Die Involvenzentschädigung ist eine sozialversicherungsrechtliche Leistung. Wie bei allen anderen Sozialversicherungsleistungen gilt es die Schadenminderungspflichten einzuhalten. Dazu gehört, dass Ihre Klientin bzw. der sie vertretende Sozialdienst die Arbeitgeberin rechtzeitig abmahnt, in Verzug setzt und die Betreibung einreicht. Ansonsten risikiert ihre Klientin, dass ihr die (allfällige) Insolvenzentschädigung gekürzt wird.

Ergänzend ist wichtig: Sowohl jetzt wie auch im weiteren Verlauf des Falles gilt es zu kontrollieren, ob die Arbeitgeberin die Sozialversicherungsbeiträge auf dem Lohn und auf den ausstehenden Löhnen ausrichtet (AHV, berufliche Vorsorge, allenfalls Krankentaggeldversicherung).

Zusammenfassend:

- Leistet die Arbeitgeberin die ausstehenden Löhne nicht innerhalb der gesetzten Frist, ist die Betreibung einzureichen.

- Ihre Klientin kann die Arbeit einstellen, bis die ausstehenden Löhne beglichen sind (die Arbeitgeberin ist darüber ins Bild zu setzen)

- sollte die Arbeitgeberin involvent werden, hat ihre Klientin Anspruch auf maximal vier Monate Insolvenzentschädigung

- Es ist darauf zu achten, dass auch die Sozialversicherungsbeiträge durch die Arbeitgeberin ausgerichtet werden

 

Genügen IHnen diese Auskünfte? Mit Dank für die Kenntnisnahme und freundlichen Grüssen

Kurt Pärli