Für Herr X. wurde auf eigenes Begehren wegen einer psychischen Erkrankung per September 2020 eine Beistandschaft nach Art. 394 i.V.m. Art. 395 ZGB errichtet. Die Aufgaben des Beistands umfassten unter anderem
- ihn beim Erledigen der administrativen Angelegenheiten zu vertreten, insbesondere auch im Verkehr mit Behörden, Ämtern, Banken, Post, (Sozial-) Versicherungen, sonstigen lnstitutionen und Privatpersonen;
- ihn beim Erledigen der finanziellen Angelegenheiten zu vertreten, insbesondere sein gesamtes Einkommen und Vermögen sorgfältig zu verwalten;
Die Beistandschaft wurde mit Verfügung vom 15.01.2025 per 01.03.2025 aufgehoben. Der gesundheitliche Zustand des Klienten hatte sich stabilisiert.
Im Vorfeld wurde Herr X. von der Beiständin mit unserer freiwilligen Sozialberatungsstelle vernetzt. Unsere Aufgabe ist es, Herrn X. bei Fragen zur Administration und den Finanzen zu unterstützen.
Herr X. bezieht eine IV-Rente und Ergänzungsleistungen (EL). Mit einer Verfügung vom Dezember 2024 forderte die EL vom Klienten zuviel bezahlte EL im Betrag von rund CHF 5'000.00 zurück. Es betrifft die Zeit zwischen Dezember 2022 bis Dezember 2024. Die Rückforderung wurde notwendig, nachdem die Amtsbeistandschaft die EL im November 2024 darüber informiert hatte, dass das Erwerbseinkommen bei der Berechnung der EL nicht berücksichtigt worden sei. Herr X. hatte die Erwerbstätigkeit im 2. Arbeitsmarkt im November 2022 aufgenommen und nicht der EL gemeldet. Auch der damalige Beistand hatte das damals nicht gemeldet.
Die Beiständin hat Herrn X. beim Schreiben eines Erlassgesuches unterstützt und vorsichtshalber aber bereits Ratenzahlungen zur Rückzahlung der Schuld veranlasst. Das Erlassgesuch wurde abgelehnt.
Beim Abschlussgespräch mit der Beiständin wurde dem Klienten ein Budget übergeben mit einer Unterdeckung von monatlich ca. CHF 450.00. Die Raten von CHF 400.00/Monat für die Rückzahlung an die EL wurden im Budget eingerechnet. Herr X. wohnt in einer Institution, für seinen Lebensunterhalt wurden CHF 550.00 eingerechnet (neben den Fixkosten).
Die Beiständin antwortete auf meine mündliche Frage, dass die Schuld und Rückforderung an die EL intern in der Beistandschaft besprochen worden seien. Man könne dafür keine Haftung übernehmen.
Meine Fragen:
- Die Schuld ist während der Beistandschaft entstanden. Der Beistand hatte u.a. den Auftrag, den Klienten bei finanziellen Angelegenheiten und beim Verkehr mit den Sozialversicherungen zu vertreten. Daraus folgere ich, dass die Amtsbeistandschaft für diese Rückforderung der EL haften muss. Liege ich da richtig?
- Folgefrage: Wie kann ich auf die Amtsbeistandschaft zugehen und argumentieren? Mit welcher Begründung /Gesetzesartikel?
- Gegen das Erlassgesuch könnte eine Einsprache gemacht werden. Die Rückforderung ist korrekt. Soll oder kann in diesem Verfahren noch etwas unternommen werden? Durch wen?
- Die Beistandschaft wurde aufgehoben mit Schulden, die während der Beistandschaft entstanden sind sowie einem Budget mit Unterdeckung (wegen dieser Schulden). Muss der Klient das akzeptieren?
Frage beantwortet am
Karin Anderer
Expert*in Kindes- und Erwachsenenschutz
Grüezi
Ich habe eine Rückfrage:
War der Beistandsperson die Erwerbstätigkeit des Klienten im 2. Arbeitsmarkt seit November 2022 von Beginn an bekannt? Wenn ja, wieso wurde die EL erst im November 2024 über das Einkommen informiert? Konnte das Ihnen die Beistandsperson erklären? Wenn nein, fragen Sie nach. Das ist ein haftungsrelevanter Umstand.
Ob sich eine Einsprache gegen das Erlassgesuch lohnt, kann ich nicht beurteilen. Die Beistandsperson ist nicht rückerstattungspflichtig und der Klient hat sich bei der Prüfung der Meldepflichtverletzung das Verhalten seiner Beistandsperson anrechnen zu lassen (WEL 4610.04). Ob die Leistung in gutem Glauben empfangen wurde, wäre zu prüfen. Eine leichte Meldepflichtverletzung schliesst die Annahme des guten Glaubens nicht aus (BGE 112 V 97 E. 2c).
Freundliche Grüsse
Karin Anderer