Lieber Peter
Mir ist diese Konstellation seit Jahren nicht mehr so begegnet und jetzt bin ich irritiert über die Auswirkungen von Art. 29 Abs. 2 IVG:
Das Wartejahr für die IV-Rente beginnt im März 2020. Die Klientin war vom 4. Januar bis 30. Juni 2021 in einer Integrationsmassnahme nach Art. 14a IVG und erhielt ein IV-Taggeld. Die IV-Stelle hält jetzt im Vorbescheid den Rentenbeginn per 1. Juli 2021 fest. Nach Art. 29. Abs. 2 IVG wäre das also im Grundsatz korrekt?
Mich irritieren die Konsequenzen sehr:
Vorab ging ich davon aus, dass ihr mit dem IV-Rentenentscheid dann rückwirkend mit dem Rentenbeginn nach Ablauf vom Wartejahr ab März 2021 (mit den entsprechenden internen Verrechnungen IV-Rente/Taggeld während der Taggeldperiode) auch die Möglichkeit für die Prüfung/Anmeldung der EL ab März 2021 offenstehen würde. Denn einerseits hat sie damals im gegebenen Zeitpunkt während dem IV-Taggeldbezug knapp nicht die erforderlichen sechs Monate für die Möglichkeit zur EL-Anmeldung erreicht und andererseits ein tiefes Taggeld erhalten, das höchstwahrscheinlich zu einem EL-Anspruch führen müsste. Mit dem «Aufschub» des Rentenbeginns entgeht ihr diese Zeitperiode jetzt EL-technisch. Ist das korrekt so?
Das heisst konkret, dass ihr auf diese Weise von Januar bis Juni 2021 gar nie ein EL-Anspruch entstehen konnte – hingegen dies mit einer anderen Ausgangslage eine ganz andere finanzielle (positive) Folge hätte, wenn sie z. B. erst ab April oder Mai 2021 oder mit Unterbruch in Eingliederung gewesen wäre.
Gibt es da irgendwie eine «plausible» Erklärung oder noch lieber Lösung für diesen aus meiner Sicht etwas gar stossenden Umstand der Ungleichbehandlung im Sinne vom Zufall?
Ich freue mich auf deine Rückmeldung.
Herzliche Grüsse
Frage beantwortet am
Peter Mösch Payot
Expert*in Sozialversicherungsrecht
Guten Tag. Danke für Deine Frage.
Art. 29 Abs. 2 IVG (in der Fassung vor und nach dem 1.1.2022) sieht vor, dass ein Anspruch auf eine Rente nicht entstehen kann, so lange ein Taggeld gewährt wird.
Somit kann der Rentenanspruch in der hier vorliegenden Konstellation auch tatsächlich erst per 1. Juli 2021, also nach dem Taggeld-Anspruch entstehen. Und im Annex zum Grundanspruch der IV-Rente ist auch der rückwirkend auf den Rentenbeginn laufende EL-Anspruch erst per 1. Juli 2021 möglich (Art. 22 Abs. 1 ELV).
Und wie Du ausführst ist im Weiteren ein im Annex zum Grundanspruch des IV-Taggeldes erfolgender EL-Anspruch hier leider auch nicht möglich, weil jenes gerade knapp für weniger als sechs Monate gewährt wurde (vgl. Art. 4 Abs. 1 lit. c ELG).
Die von Dir genannte Konstellation kann also vorkommen. Die Erklärung liegt in den formellen Voraussetzungen der EL mit Blick auf die Grundansprüche. Die zum Teil tatsächlich materiell kaum nachvollziehbaren Unterschiedlichbehandlungen könnten wohl nur bei einer Anpassung der EL-Verordnung beseitigt werden.
Beste Grüsse
Peter Mösch Payot