Guten Tag
Zur Ausgangslage: ein erwachsener Mann wohnt in einer begleitenden Institution (X). Der Aufenthalt wird über die EL finanziert und wurde vom Ansatz her abgestimmt auf einen Aufenthalt während der ganzen Woche.
Fakt ist, dass Hr. H. die Wohnung in der Stiftung nicht regelmässig genutzt hat. Hieraus entstand eine Kostenreduktion, die sich in Form einer reduzierten Rechnung äusserte. Über einen längeren Zeitraum hat Hr. H. auf diese Art die Einrichtung bewohnt. Bei einer Routineüberprüfung seitens der EL wurde das veränderte Wohnverhalten entdeckt. Die EL hat hierauf Hr. H. aufgrund der zuviel erhaltenen Gelder die Zahlungen eingestellt. Dies führte dazu, dass Hr H. wieder auf die Unterstützung der Sozialhilfe angewiesen war und sich beim regionalen Sozialdienst angemeldet hat.
Unsererseits wurde ein Antrag auf Prüfung eines Härtefalles an die EL gestellt, da die finanzielle Situation es mittelfristig nicht zulässt, dass Hr. H. wieder von der Sozialhilfe abgelöst werden kann. Finanziell ist eine ratenweise Rückzahlung möglich - der mögliche Betrag führt jedoch zu einer Dauer von 28 Jahren, bis die Differenz saldiert werden kann - also eine völlig hirnrissige Zeit, die wenig Perspektiven ermöglicht für Hr H.
Zum einen im Raum steht die Frage nach der Verantwortung - wer hätte die Situation melden sollen - also eine Frage der Meldepflicht. Art. 31 ATSG äussert sich hierzu ja klar und primär obliegt Hr. H. uns seinem privaten Umfeld die Pflicht, diese Situation zu melden. Aufgrund der gesundheitlichen Situation von Hr. H stellt sich jedoch die Frage nach dem Treu und Glauben. Eine Nachfrage beim involvierten Psychologen konnte nicht Klarheit verschaffen, ob es für Hr. zumutbar gewesen wäre, die veränderte Situation umgehend zu melden oder ob gar bewusst dieses Verhalten durch Hr. H. gelebt wurde - der monatliche Mehrbetrag stand Hr. H. für anderweitige Konsumsituationen zur Verfügung.
Der erwähnte ATSG Artikel hält im Weitern ja fest, dass auch an der Durchführung involvierte Stellen Veränderungen melden müssen. Soweit für uns klar. Knackpunkt für uns, und daher die Fragestellung: die X als Durchführungsorgan bezieht sich auf ihre AGB, in der die Meldepflicht an die Bewohner delegiert wird - also die Frage der Verantwortlichkeit, wer dies hätte melden sollen. Parallel dazu existiert eine finanzielle Differenz zwischen der Institution und dem Sozialdienst aufgrund von Rechnungsstellungen, die die Institution ans SMZO geschickt hat und das SMZO aufgrund fehlender Gelder seitens der EL diese Rechnung nicht begleichen kann.
Abschliessend also die Frage, ob sich eine Institution aus der Verantwortung ziehen kann, wenn diese mit eigenen Bestimmungen sich von der Meldepflicht distanziert und ergänzend, die Frage nach der Haftung bezüglich dem Schaden.
Besten Dank für eine Rückmeldung
Freundliche Grüsse
Uli Truffer
Frage beantwortet am
Peter Mösch Payot
Expert*in Sozialversicherungsrecht
Lieber Uli
Ich habe mir erlaubt, aus Datenschutzgründen, den Namen der involvierten Institution zu anonymisieren.
Zur Beantwortung der Fragen, die ich im Rahmen dieses Forums beantworten kann (Sozialversicheurngsrecht) müsste ich noch einige genauere Angaben haben:
- Wie begründet die EL, dass sie aktuell die Leistungen nicht mehr gewährt?
- Hat die EL Rückerstattungsansprüche geltend macht und wenn ja in welchem Umfang für welche Zeit?
- An WEN wurden die EL-Leistungen für den Aufenthalt in der Institution konkret ausgerichtet?
Danke im Voraus für die Ergänzungen.
Peter Mösch Payot
Lieber Peter
Auf deine Fragen hin meine Rückmeldung:
- Die Einstellung der Leistungen seitens der EL begründet diese mit dem unrechtmässigen Bezug von Leistungen seitens des Klienten.
- Das Verfahren läuft. Eine Einsprache wurde unsererseits gemacht, wohl mit wenig Aussicht auf Erfolg. Auf deine Frage: ja, sie hat Anspruch auf die volle Rückerstattung geltend gemacht.
- direkt an den Klienten wurde die EL ausbezahlt, da er seine Finanzen selber verwaltet.
Danke fürs Aufnehmen
Grüess üs dum Wallis
Frage beantwortet am
Peter Mösch Payot
Expert*in Sozialversicherungsrecht
Lieber Uli
In diesem Fall sind verschiedene Dinge zu unterscheiden:
a) Die Frage der Rückerstattungspflicht gegenüber der EL Gegenüber der EL hat primär der Betroffene eine Mitwirkungspflicht und auch die Pflicht Veränderungen zu melden. Die selbe Pflicht gegenüber der EL trifft die Durchführungsstelle. Z.B. ein Dritter, an welcher die EL für den Betroffenen ausbezahlt werden.
Gemäss deinen ergänzenden Angaben im Sachverhalt wurde hier die EL an die versicherte Person ausbezahlt und von dieser dann für das Wohnen bei der Wohninstitution weitergeleitet. Die Wohninstitution etc. waren nicht an der Durchführung beteiligt. Somit besteht gegenüber der EL die Rückerstattungspflicht im Sinne von Art. 25 ATSG nur bei der versicherten Person.
b) Die Frage, ob und inwieweit Rückerstattungsforderungen wegen unrechtmässigem Bezug mit laufenden Ansprüchen auf EL verrechnet werden können.
Art. 27 ELV hält zur Verrechnung von Rückforderungen fest, dass Rückforderungen grundsätzlich mit fälligen Ergänzungsleistungen verrechnet werden können.
Allerdings gilt, dass bei einer Verrechnung von Rückforderungen mit fälligen EL das betreibungsrechtliche Existenzminimum nicht unterschritten werden darf (BGE 136 V 291 E. 6.1 m.w.H.). Eine Verrechnung ist auch ausgeschlossen, wenn die Differenz zwischen dem Bruttoeinkommen und dem Existenzminimum kleiner ist als der Betrag des Anspruchs auf die jährliche EL. (vgl. WEL, Wegleitung über die Ergänzungsleistungen zu AHV und IV (Stand 1.1.2018 ), Rz. 4640.01 ff.)
Auch bei schuldhaftem Verhalten ist die Verrechnung nur bis zur Grenze des Existenzminimums möglich (BGE 131 V 255 E.3.3).
Weist eine versicherte Person einen Ausgabenüberschuss auf und hat sie weder Vermögen noch Erwerbs-einkommen, ist in der Regel (insbes. Fälle der rückwirkenden Auszahlung von anderen Sozial- versicherungsleistungen vorbehalten) auf eine Verrechnung zu verzichten.
Es gibt in der WEL im Anhang 11 ein Beispiel für die Festsetzung des verrechenbaren Betrages
4640.03.
Es ist vorliegend also zu prüfen, ob dieser Aspekt vorliegend seitens der EL berücksichtigt wurde. Ansonsten ist dies im Rahmen der Einsprache unbedingt einzubringen, bzw. nachträglich soweit möglich noch ins Verfahren um die EL-Verfügung einzubringen.
c) Die Frage der Haftung der Insitution, in welcher der Betroffene wohnt oder/und von der er beraten wird, gegenüber diesem. Insoweit müssten die genauen Details der Vertragsbeziehung analysiert werden, um die Frage der Haftung für einen allfälligen Schaden des Betroffenen durch die Rückerstattungspflicht zu klären. Entscheidend ist, welche Dienstleistungen an Beratung etc. nach Treu und Glauben dem Betroffenen versprochen wurden. Ein Haftungsausschluss dürfte dabei höchstens für Fahrlässigkeit, nicht aber für grobe Fahrlässigkeit oder Absicht möglich sein (vgl. Art. 100 Abs. 1 OR).
Wenn hier belegt werden kann, dass Beratung und Unterstützung, auf die vertraglich ein Anspruch bestand, nicht richtig wahrgenommen wurden, und wenn dies kausal zu diesem Schaden geführt hat, so sind Haftpflichtansprüche für den Klienten gegenüber der Beratungsinstitution zu prüfen. Dabei dürfte es entscheidend sein, dass ein Schaden belegt werden kann, und es stellt sich die Frage der Kürzung der Haftung, weil der Betroffene teilweise selbstverantwortlich ist für die Schädigung.
Je nach Konstellation wäre es auch so, dass der Klient mit der Weiterleitung der EL an die Institution zu viel bezahlt hat für das betreute Wohnen. Dann könnte auch wegen ungerechtfertigter Bereicherung der entsprechende Betrag zurück verlangt werden. Auch dies kann aber nur auf der Basis des konkreten Vertrages für die Wohndienstleistungen geprüft werden.
Ich hoffe, das dient Euch.
Beste Grüsse
Peter Mösch Payot