Zum Inhalt oder zum Footer

Vorleistungspflicht Arbeitslosenkasse bei IV Anmeldung

Veröffentlicht:
03.02.2022
Status:
Beantwortet
Rechtsgebiet:
Sozialversicherungsrecht

Guten Tag

Meine Kleintin auf der Sozialberatung eines ambulanten psychiatrischen Dienstes, befindet sich in folgender Situation: Ihre letzte (befristete) Anstellung endete per Ende Juli 2021. Sie hat sich damals beim zuständigen RAV als arbeitslos gemeldet und hatte Anspruch auf Arbeitslosentaggeld. Da sie zu diesem Zeitpunkt hochschwanger war, fand sie keine neue Stelle. Nach der Geburt des Kindes im November 2021 hatte sie Anspruch auf Mutterschaftsentschädigung. Dieser endete nun per 2.2.2022. 

Um nun wieder Anspruch auf Arbeitslosentaggeld geltend zu machen, muss sie vermittelbar sein. Jedoch ist sie an einer postpartalen Depression erkrankt. Eine (vollzeit) Stelle anzunehmen scheint im Moment aufgrund der gesundheitlichen aber auch persönlichen Situation mit Kind noch nicht realistisch. Es ist aus medizinischer Sicht unklar,  wie sich der gesundheitliche Zustand entwickeln wird und wann sich dieser verbessern wird. Beim RAV hat sie bei Krankschreibung aber maximal 30 Tage Anspruch auf Taggeld. Ein Anspruch bei einer Krankentaggeldversicherung besteht nicht. 

Es stellt sich die Frage einer IV Anmeldung. Daher folgende Fragen:

  • Unter welchen Umständen wäre die Arbeitslosenkasse bei einer IV-Anmeldung vorleistungspflichtig?
  • Könnten dadurch für meine Klientin Nachteile entstehen? Z.b dass sie Leistungen der ALK zurückerstatten muss, wenn nach Prüfung schlussendlich kein Anspruch auf Leistungen der IV bestehen?
  • Kann ohne IV-Anmeldung ein Anspruch auf Arbeitslosentaggeld geltend gemacht werden, wenn die Patientin eine Teilarbeitsfähigkeit (z.B. zu 20%) ärztlich geltend machen kann?
  • Grundsätzlich: Darf das RAV den Nachweis einer externen Kinderbetreuung als Voraussetzung für die Vermittelbarkeit und damit den Anspruch von Taggeldern verlangen? 

Besten Dank für eine Rückmeldung!

Frage beantwortet am

Peter Mösch Payot

Expert*in Sozialversicherungsrecht

Guten Tag!

Gerne beantworte ich Ihre Fragen.

a) Die Vorleistungspflicht der ALV gegenüber der IV bezieht sich auf die Frage, ob von der Voraussetzung der Vermittlungsfähigkeit auszugehen ist.

Gemäss Art. 15 AVIG und Art. 15 AVIV gilt, dass bei einem laufenden IV-Verfahren diese Vermittelbarkeit zu vermuten ist, ausser es bestehe eine offensichtliche Vermittlungsunfähigkeit.

Besteht eine Arbeitsfähigkeit von mindestens 20% ist die Vermittlungsfähigkeit zu vermuten. Vgl. zum Ganzen die AVIG-Praxis Arbeitslosenentschädigung B 252 ff. ; Zu finden unter arbeit.swiss/publikationen.

Damit die Vorleistung spielt ist also eine Restarbeitsfähigkeit von 20% notwendig. Selbstverständlich müssen zudem diee übrigen Anspruchsvoraussetzungen neben der Vermittlungsfähigkeit bestehen. Etwa das Erfüllen der Beitragszeit innerhalb der Rahmenfrist (bzw. ein Tatbestand der Beitragsbefreiung). Auch kann eine Vorleistungspflicht nur bestehen im Umfang der Höchstzahl der Taggelder innerhalb der Rahmenfrist für den Bezug von Arbeitslosenentschädigungen.

Sind die entsprechenden Leistungen ausgeschöpft und besteht insoweit kein Anspruch auf Arbeitslosenentschädigung - so fehlten natürlich auch die Voraussetzungen für eine Vorleistung.

b) Nein, es bestehen keine Nachteile. Zeigt sich später, dass aufgrund der nachträglich festgestellten gesundheitlichen Situation kein ALV-Anspruch bestand, so ist keine Rückerstattung geschuldet.

c) Die Vorleistungspflicht spielt nur, wenn gleichzeitig eine Anmeldung bei der IV erfolgt ist.

d) Bezüglich der Kinderbetreuung: Ein solcher so genannter Obhutsnachweis darf seitens der Arbeitslosenkasse nur verlangt werden, wenn es (neben der krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit) Hinweise gibt, dass die Vermittlungsfähigkeit aufgrund der Kinderbetreuung in Frage gestellt sein könnte. Es ist mit Blick auf Ansprüche gegenüber der Arbeitslosenversicherung grundsätzlich zu raten, zumindest die Möglichkeit einer Drittbetreuung belegen zu können.

Ich hoffe, das dient Ihnen.

Prof. Peter Mösch Payot

Sehr geehrter Herr Mösch

Herzlichen Dank für Ihre Bemühungen und die hilfreiche Beantwortung meiner Frage! Diese hat sich so geklärt.

Freundliche Grüsse