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Vorgehen Arbeitgeber bei nicht in Abzug gebrachter Quellensteuer (Lohnkürzung unters betr.rechtl. Existenzminimum)

Veröffentlicht:
23.09.2020
Status:
Beantwortet
Rechtsgebiet:
Arbeitsrecht

Guten Tag 

Aktuell habe ich einen Mitarbeiter in Beratung, bei welchem der Arbeitgeber während mehr als einem Jahr vergass, die Quellensteuer in Abzug zu bringen. Dass der Mitarbeiter aufgrund seines Aufenthaltsstatus quellenbesteuert wird, wusste der Arbeitgeber nachweislich seit Beginn der Anstellung. Es ging in der Tat einfach vergessen. 
So sind nun über CHF 3300.- Quellensteuer nachträglich geschuldet. Der Mitarbeiter und seine Familie (in Kürze drei Kinder) leben schon äusserst knapp. Mit den CHF 200.-, die der Arbeitgeber nun für die Abzahlung der Quellensteuer vom Lohn abzieht, wird unters Betreibungsrechtliche Existenzminimum gekürzt. 
Die HR-Verantwirtliche hat auf meine Anfrage wie folgt reagiert: 

"Der Betrag von insgesamt CHF 3344.80 betreffend Quellensteuer ist von Herrn X. geschuldet und wir können ihm diese leider nicht erlassen. Wir sprechen beim monatlichen Abzug nicht von einer Pfändung, sondern von einem Betrag, welcher von Herrn X. geschuldet ist und in Raten abgezogen wird. Wie letzte Woche besprochen, erwarten wir von Herrn X. einen Vorschlag, wie er den Betrag zurückbezahlen kann. Für uns ist es auch möglich, die Anzahl der Ratenzahlungen zu erhöhen und den monatlichen Betrag zu senken. Auch über den Zeitraum, in welchem der Betrag zurückbezahlt werden muss, können wir noch diskutieren."

Ich bin mir bewusst, dass die Anfrage an der Schnittstelle Arbeitsrecht / Schuldenberatung ist. Mich interessiert jedoch in der Situation v.a. auch, welche (Mit-)Verantwortung für den unterlaufenen Fehler der Arbeitgeber tragen muss / müsste / sollte. 

Ich bin gespannt auf Ihre Rückmeldungen und bedanke mich bereits bestens. 

Carole Lauper
Beraterin, MSc in Sozialer Arbeit 
Movis AG, Bern 

Frage beantwortet am

Kurt Pärli

Expert*in Arbeitsrecht

Liebe Frau Lauper

Gerne beantworte ich diese spannende Frage. Lassen Sie mich beginnen, wer eigentlich Schuldner der Quellensteuer ist. Gemäss einschlägiger Steuergesetzgebung ist die Arbeitgeberin Schuldnerin der Quellensteuer. Sie hat jedoch das Recht, die Quellensteuer vom Lohn der Arbeitnehmerin abzuziehen. Es verhält sich hier nicht anders als bei der AHV; auch hier gilt die Arbeitgeberin gegenüber den Ausgleichskassen  als Schuldnerin der AHV_Beiträge und zwar sowohl für den ArG- als auch  für den  ArN – Beitrag. Die Aussage der HR-Abteilung, Ihr Klient sei Schuldner der Mehrwertsteuer, ist also falsch.

Der Arbeitnehmer ist aber die beitragspflichtige Person der Quellensteuer. Die Arbeitgeberin hat nur, aber immerhin die Rolle, die Beiträge des Arbeitnehmers von seinem Lohn abzuziehen und der Steuerverwaltung abzuliefern.

Nun stellt sich die Frage, ob diese Ausgangslage die Arbeitgeberin zur Verrechnung des Lohnes mit den von der Arbeitgeberin an die Steuerverwaltung geleisteten Beiträgen berechtigt ist. Die Antwort lautet  nein, es ist gerade kein Fall, der unter die in Art. 323b Abs. 2 fällt. Mit anderen Worten, die Arbeitgeberin darf dem Arbeitnehmer nicht einfach den Lohn abziehen und ihre Forderung mit dem Lohn verrechnen. Da die Arbeitgeberin jedoch dem Arbeitnehmer zu viel Lohn ausgerichtet hat, kann sie ihren Anspruch auf Rückerstattung auf der Grundlage der Art. 62 ff (Ungerechtfertigte Bereicherung) geltend machen.  Zu beachten sind zum einen die kurze Verjährung (nur 1 Jahr) und die vom Bereicherungsrecht verlangte Voraussetzung, dass die Bereicherung noch vorhanden sein muss. Ist das Geld nicht mehr da, geht die Forderung ins Leere. Anders verhält es sich nur, wenn der Arbeitnehmer hätte wissen müssen, dass ihm eigentlich zu viel Lohn (Ohne Quellensteuerabzug) ausgerichtet wurde.

Sie sehen, die Rechtslage ist etwas heikel, kann sein, dass die Arbeitgeberin ihren Anspruch gar nicht durchsetzen könnte oder nur zum Teil. Bei einer solchen Ausgangslage ist immer auch zu bedenken, welche negativen Folgen ein Beharren auf allenfalls bestehenden Rechten dies für den Arbeitnehmer haben könnte. In der CH ist der Kündigungsschutz relativ schwach ausgestaltet, selbst eine missbräuchliche Kündigung ist gültig. Vor diesem Hintergrund und auch angesichts der drohenden Wirtschaftskrise würde ich gegenüber der Arbeitgeberin auf jeden Fall längere Abzahlungsfristen und auch einen Teilerlass vorschlagen. Die Arbeitgeberin muss und darf wissen, dass ihre Forderung nicht unter die Verrechnungsmöglichkeiten fällt (OR 323b Abs. 2); das bedeutet aber auch, dass sie ihre Forderung auf normalem Weg durchsetzen kann, das heisst sie schickt eine Rechnung und verlangt die Bezahlung des ganzen Betrages innert 30ig Tagen. Vermutlich könnte der Arbeitnehmer diesen Betrag nicht aufbringen und die Arbeitgebern müsste eine Betreibung anheben, ev. würde sogar ein Verlustschein resultieren. So gesehen hat auch die Arbeitgeberin ein Interesse daran, eine vernünftige Lösung zu finden.

Genügen Ihnen diese Auskünfte? Mit Dank für die Kenntnisnahme und freundlichen Grüssen

Kurt Pärli