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Vorbezug Pensionskasse bei Sozialhilfebezug

Veröffentlicht:
17.03.2021
Kanton:
Zug
Status:
Beantwortet
Rechtsgebiet:
Sozialhilferecht

Herr A. hat Jahrgang 1958. Im 2018 hat er CHF 36'000.00 von seinem Freizügigkeitskonto im Rahmen des Vorbezugs abgehoben. Der Sozialdienst erfuhr davon bei der Revision Ende 2020. 
Als wir Herrn A. damit konfrontierten, erklärte er, dass er mit dem Geld Schulden zurückbezahlt habe. Es handelte sich um Privatschulden bei einer Person, welche im Ausland lebt, welche nicht schriftlich deklariert waren. 

Nun erhält Herr A. IV und EL. Er wird von der Sozialhilfe abgelöst.

Hierzu unsere Fragen:
- Kann der Sozialdienst den Vorbezug der PK-Gelder vom 2018 als Einnahmen anrechnen, beziehungsweise ist der Betrag an uns zurück zu erstatten?
- Hätte Herr A. gar keinen Anspruch mehr auf WSH gehabt, seit er das PK Geld bezogen hat? (bis er das Geld bis zum Vermögensfreibetrag aufgebraucht hat)
- Ist es empfehlenswert, eine Strafanzeige zu machen?

Besten Dank für die Rückmeldung.
Liebe Grüsse, Tamara Cortés

Frage beantwortet am

Ruth Schnyder

Expert*in Sozialhilferecht

Liebe Tamara

Gerne beantworte ich deine Anfrage. Ich folge direkt deinen Fragen:

  • Anrechenbarkeit mit Alter 60 abgehobenes Freizügigkeitsguthaben

Zur Anrechenbarkeit von Freizügigkeitsguthaben kann weder dem SHG noch der SHV des Kantons Zug etwas entnommen werden. Die SKOS-RL (nach § 9 SHV ZG massgebend) regeln diese Thematik in D.3.3 Altersvorsorge bzw. bis 31.12.20 in Kapitel E. 2.5 Freizügigkeitsguthaben (2. Säule) und Guthaben der privaten gebundenen Vorsorge (Säule 3a). Inhaltlich hat sich nichts geändert. Es gilt allgemein Folgendes:

Freizügigkeitsguthaben sind grundsätzlich zusammen mit dem AHV-Vorbezug (oder Bezug einer ganzen IV-Rente) herauszulösen.

Ausgelöste Guthaben gehören zum anrechenbaren Vermögen (liquide Vermögen) und sind für den aktuellen und zukünftigen Lebensunterhalt zu verwenden.

Dies bedeutet: Es besteht grundsätzlich keine Pflicht zur Auslösung vor dem AHV-Vorbezug. Wird das Freizügigkeitsguthaben aber vorher freiwillig ausgelöst, gilt es als anrechenbar für den aktuellen und künftigen Bedarf. Unzulässig wäre aber, das ausgelöste Vermögen als Vermögensanfall (§ 25 Abs. 1 lit. c SHG ZG) zu betrachten, um bis dahin bezogene rechtmässige Unterstützung zurückzufordern.

 

  • Anspruch auf WSH

Nach dem Gesagten hätte bei rechtzeitiger Meldung der Auslösung eine Neuberechnung des Anspruchs stattfinden müssen, unter Einbezug des ausgelösten Guthabens. Dabei wäre das Guthaben entsprechend der Zuflusstheorie als Einkommen (d.h. ohne Vermögensfreibetrag) anzurechnen gewesen (siehe weiter unten der Literaturhinweis).

 

  •  Rückerstattung bei unterlassener Meldung

Nun unterliess der Klient die rechtzeitige Meldung. Er wäre aber nach § 23 Abs. 2 SHG ZG verpflichtet gewesen, erhebliche Änderungen in seinen Verhältnissen zu melden. Dies hat zur Folge, dass die ab Auslösung des Freizügigkeitsguthabens bezogene Sozialhilfe zu Unrecht erfolgte und deshalb eine Rückerstattung nach § 25 Abs. 3 SHG ZG angezeigt ist – wobei die Grenze das ausgelöste Freizügigkeitsguthaben bildet. Wichtig ist dabei, dass der Klient Kenntnis von seiner Meldepflicht hatte. Auch verlangt das SHG und die SHV eine Information über die Rückerstattungspflicht (§ 25 Abs. 4 und § 13 Abs. 1 SHV ZG). Eine Verwirkung tritt in Fällen des unrechtmässigen Bezugs nicht ein (§ 26 Abs. 2 SHG ZG).

Einen vergleichbaren Fall hatte das Zürcher Verwaltungsgericht zu beurteilen. Ich lege dir das betreffende Urteil bei. Interessant ist dieses Urteil auch in Bezug auf die Rückerstattung von allfälligen Krankenkassenprämien, die im Rahmen der wirtschaftlichen Hilfe ausbezahlt werden (E.3.5).

 

  • Ausnahme keine Berücksichtigung

Falls der Klient mit der Aufnahme der Schulden einen Zweck verfolgt hatte, der nachweislich den Zielsetzungen der Sozialhilfe diente, die Sozialhilfe dadurch wirtschaftliche Hilfe eingespart hatte, dann könnte unter Umständen eine Ausnahme von der Berücksichtigung des Vermögens und damit der Rückerstattung gemacht werden. Dies könnte bspw. der Fall sein, wenn nachgewiesen ist, dass Schulden gemacht wurden, um den Bezug von Sozialhilfe hinauszuzögern (vgl. dazu Guido Wizent, Sozialhilferecht, alphaius, Dike 2020, Rz. 620 sowie zum Zuflusstheorie Rz. 616 ff).

 

  • Grund für Strafanzeige?

Aufgrund dessen, dass der Sozialhilfe aufgrund einer Meldepflichtverletzung ein erheblicher Schaden entstanden ist, ist ein strafrechtlich relevantes Verhalten im Sinne von Art. 146 und Art. 148a StGB nicht ausgeschlossen. Willst du dich hier mehr kundig machen, empfehle ich eine Rückfrage bei der Staatsanwaltschaft.

Ich hoffe, Dir mit diesen Ausführungen deine Frage beantwortet zu haben.  

Herzliche Grüsse

Ruth

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