Liebes Expertenteam
Vermehrt bekommen wir Kenntnis davon, dass KTGV jeweils Vollmachten für alle Versicherungen verlangen. Z.B. wollte eine KTGV die Kopie der IV-Anmeldung haben. Eine andere wollte Auskunft über die gesamte gesundheitliche Situation. Nicht nur zum Krankheitsgrund, der zur AUF geführt hat.
Ist dieses Vorgehen gundsätzlich zulässig? Haben die KTGV ein Anrecht auf Einsicht in sämtliche Krankenakten? Oder kann ohne Nachteil für den Pat. eine Auskunft verweigert werden, wenn dadurch vor allem andere Gesundheitsdaten sichtbar gemachen würden, und keine neuen Erkenntnisse zur Krankheit die zur AUF geführt hat, zutage treten würden? In einer IV-Anmeldung steht ja zum Teil deutlich mehr als nur der Grund der AUF.
Liebe Grüsse
Frage beantwortet am
Peter Mösch Payot
Expert*in Sozialversicherungsrecht
Lieber Marius
Die Frage des Umfanges der Mitteilungspflicht des Versicherten an die KTV (nach VVG, nehme ich an), ist zunächst abhängig von der konkreten Formulierung der Mitwirkungspflichten und Obliegenheiten in den AGB der Krankentaggeldversicherung.
Dazu gehört auch die Dokumentationspflicht im Sinne von Art. 39 VVG und eben konkretisiert durch die Allgemeinen Vertragsbedingungen. Etwa mit Konkretisierungen, in welchem Zeitraum welche Beweisdokumente durch wen zu erbringen sind
Zu den Obliegenheiten gehört regelmässig gemäss den AVB auch die Anmeldung bei der IV. Wobei bei einer Verletzung dieser Pflicht die KTV gemäss Bundesgericht zwar die Leistungen unter Anrechnung hypothetischer IV-Leistungen koordinieren darf (BGE 133 III 527 E. 3.3.3, wohl aber nicht einstellen dürfte (ist aber vom Bundesgericht noch nicht entschieden; vgl. dazu Häberli/Husmann, Rz. 275).).
Für die Dokumentation darf die KTV die Informationen verlangen, welche notwendig sind, die Erkrankung und das Ausmass der Arbeitsunfähigkeit zu belegen. Im Lichte des Datenschutzgesetzes und des Versicherungsvertrages darf Notwendiges, aber nicht Unzumutbares verlangt werden.
Einsichten oder Auskünfte können verweigert oder beschränkt werden, wenn glaubhaft gemacht werden kann, dass diese Fragen nichts bzgl. des Anspruchs enthält. MIt Blick darauf, dass häufig in AVB auch Ausschlüsse aller Art für bestimmt Gesundheitseinschränkungen drin sind, kann dieses berechtigte Interesse der Versicherung an besonderen Kenntnissen z.B. bzgl. anderen Gesundheitsbeeinträchtigungen, die in IV-Akten oder bei der IV-Anmeldung erwähnt sind, aber durchaus weit gehen.
Ich rate dazu, bei heiklen Fällen mit der KTV informell zu vereinbaren, welche verlangten Informationen eingebracht werden und auf welche verzichtet werden kann. Häufig kommen hier die Versicherungen dann entgegen.
Auf einer datenschutzpolitischen Ebene können aussergewöhnliche und stossende Ausgestaltungen der Dokumentationspflicht auch dem Eidg. Datenschutzbeauftragten zur STellungnahme unterbreitet werden. Es ist zu hoffen, dass bei Gelegenheit insoweit eine Empfehlung, bzw. ein Standard mit der Branche erarbeitet wird. Dafür müsste aber das Problembewusstsein noch zunehmen.
Ich hoffe, das dient Dir.
Prof. Peter Mösch Payot