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Verwandtenunterstützung

Veröffentlicht:
25.02.2021
Kanton:
Bern
Status:
Beantwortet
Rechtsgebiet:
Sozialhilferecht

Guten Tag liebes Expertenteam

wir unterstützen einen Klienten sozialhilferechtlich und fordern auch Verwandtenunterstützung ein.

Der Vater des Klienten kam nun ins Heim. Was heisst dies für die Berechnung der Verwandtenunterstützung? Werden die Heimrechnungen in die Berechnung einbezogen? Wir überhaupt weiterhin Verwandtenunterstützung berechnet, da ja so die Gefahr besteht, dass schneller EL beantragt werden müsste. Wie würde die EL die getätigten Zahlungen für die Verwandtenunterstützung ansehen?

Besten Dank für Ihre Bemühungen.

Freundliche Grüsse

Sabine Bauer

Frage beantwortet am

Anja Loosli

Expert*in Sozialhilferecht

Sehr geehrte Frau Bauer

Vielen Dank für Ihre Frage. Ich beantworte diese gerne wie folgt:

In Art. 9 Abs. 1 des Sozialhilfegesetzes des Kantons Bern (SHG BE) ist festgehalten, dass die Sozialhilfe den Grundsatz der Subsidiarität beachtet. Subsidiarität bedeutet nach Abs. 2, dass Hilfe nur gewährt wird, wenn und soweit eine bedürftige Person sich nicht selber helfen kann oder wenn Hilfe von dritter Seite nicht oder nicht rechtzeitig erhältlich ist. Zu den der Sozialhilfe vorgehenden Leistungen zählt die Verwandtenunterstützung nach Art. 37f. SHG BE. Der Sozialdienst ist demnach verpflichtet, familienrechtliche Unterhaltsansprüche geltend zu machen, die auf das Gemeinwesen übergehen.

Wie sind diese nun zu berechnen? In Art. 8 der Sozialhilfeverordnung Bern (SHV BE) werden die SKOS-Richtlinien, Fassung 2005 mit diversen Ergänzungen (letzte 2016) grundsätzlich für die Berechnung der Unterstützungsleistungen für verbindlich erklärt. Auch im Sozialhilfehandbuch des Kantons Bern wird zur Berechnung der Verwandtenunterstützung ausdrücklich auf die SKOS-Richtlinien verwiesen.

Die SKOS-Richtlinien, Fassung 2005, sehen unter den Praxishilfen (Kapitel H.4) vor, dass den anrechenbaren Einnahmen (inklusive Vermögensverzeht) eine Pauschale für gehobene Lebensführung von Fr. 10'000.-- bei Einzelpersonen und von Fr. 15'000.-- bei Ehepaaren gegenüberzustellen ist. Als Verwandtenbeitrag ist grundsätzlich die Hälfte der ermittelten Differenz zwischen dem anrechenbaren Einkommen und der Pauschale für gehobene Lebensführung einzufordern.

Die SKOS-Richtlinien sehen keine Ausnahme von dieser Berechnung vor. Insbesondere ist nicht vorgesehen, Heimrechnungen bei den Ausgaben zusätzlich zur Pauschale für gehobene Lenbensführung zu berücksichtigen. Demnach wäre der Vater weiterhin verwandtenunterstützungspflichtig, sogar wenn die Heimrechnung die Pauschale für gehobene Lebensführung übersteigt.

Liegen die Heimkosten aber tatsächlich über dem Pauschalbetrag für gehobene Lebensführung, muss meiner Meinung nach im Einzelfall geprüft werden, ob weiterhin eine gehobene Lebensführung möglich ist. Ist die Differenz zwischen Einnahmen und Pauschalbetrag nämlich so gross, dass ohne Weiteres neben der Verwandtenunterstützung auch im Heim eine gehobene Lebensführung möglich ist, rechtfertigt sich meiner Meinung nach die Berechnung nach SKOS-Richtlinien. Ist die Differenz zwischen Einnahmen und Pauschale aber so klein, dass der Pflichtige neben den Heimkosten sein Auslagen/Verpflichtungen nicht mehr zu decken vermag und Ergänzungsleistungen beantragen muss, sind meiner Ansicht nach keine günstigen Verhältnisse nach Art. 328 des Zivilgesetzbuches (ZGB) mehr gegeben und es nicht mehr gerechtfertigt, einen Verwandtenunterstützungsbeitrag zu verlangen. Dies insbesondere auch deshalb, weil diese Person voraussichtlich keine Ergänzungsleistungen erhalten würde, da die Ergänzungsleistungen Verwandtenunterstützungsbeiträge nicht als Ausgaben anerkennen, diese bei der Berechnung der Ergänzungsleistungen also nicht berücksichtigt würden.

Fazit: Grundsätzlich sind Heimkosten bei der Berechnung der Verwandtenunterstützung nach SKOS-Richtlinien nicht zu beachten. Dies kann jedoch dann nicht gelten, wenn ein Pflichtiger durch die Verwandtenunterstützungspflicht und die Heimkosten seinen eigenen sonstigen Verpflichtungen nicht mehr nachkommen kann und damit nicht (mehr) in günstigen Verhältnissen lebt. Es ist jeweils der Einzelfall zu beurteilen.

Ich hoffe, Ihnen mit meiner Antwort weiterhelfen zu können.

Freundliche Grüsse

Anja Loosli Brendebach