Liebes Expertenteam,
Ich gelange mit folgender sozialhilferechtlichen Frage an Sie:
Wie ist die Verwandtenunterstützungspflicht zu beurteilen, wenn das Vermögen in einer Liegenschaft gebunden ist?
Wird in diesen Fällen die Verwandtenunterstützung geltend gemacht? Ist es möglich einen Grundbucheintrag zu machen? Ist es ein Unterschied, ob die Liegenschaft belehnt ist?
Besten Dank für Ihren Input.
Freundliche Grüsse
Sabine Bauer
Frage beantwortet am
Anja Loosli
Expert*in Sozialhilferecht
Sehr geehrte Frau Bauer
Vielen Dank für Ihre Frage. Ich beantworte diese gerne wie folgt:
Gemäss Kapitel F.4 der SKOS-Richtliinien, auf welche z.B. das Handbuch Sozialhilfe der BKSE beim Thema Verwandtenunterstützung verweist, soll bei Verwandten in auf- und absteigender Linie (also Kinder, Eltern und Grosseltern) eine Beitragspflichtig geprüft werden, wenn sie gestützt auf die Angaben der Steuerbehörden über überdurchschnittliches Einkommen bzw. Vermögen verfügen. Laut Rechtsprechung des Bundesgerichts lebt in günstigen Verhältnissen, wem aufgrund seiner Einkommens- und Vermögenssituation eine wohlhabende Lebensführung möglich ist. Massgebende Berechnung soll das steuerbare Einkommen gemäss Bundessteuer zuzüglich Vermögensverzehr sein. Das jährliche steuerbare Einkommen soll, um die Pflicht überhaupt zu prüfen, bei Alleinstehenden mind. CHF 120'000.--, bei Verheirateten mind. CHF 180'000.-- und pro minderjährigem Kind in Ausbildung CHF 20'000.-- betragen. Vom steuerbaren Vermögen ist ein Freibetrag abzuziehen. Der verbleibende Betrag soll aufgrund der durchschnittlichen Lebenserwartung zum Einkommen gezählt werden (vgl. Umrechnungstabelle Kapitel H.4 SKOS-Richtlinien). Werden dann die obgenannten Beträge erreicht, ist eine Verwandtenunterstützungspflicht zu prüfen bzw. zu berechnen.
Ob Liegenschaften zum zu berücksichtigenden Vermögen gehören, führen weder die SKOS-Richtlinien noch das Handbuch Sozialhilfe Bern ausdrücklich aus. Aus dem Umstand, dass auf die Steuererklärung verwiesen wird zur Berechnung der zu berücksichtigenden Beträge ist aber klar zu schliessen, dass Liegenschaften als Vermögen zu berücksichtigen sind. Ebenfalls aus dem Verweis auf die Steuererklärung Ist zu schliessen, dass die Schulden auf der Liegenschaft bei der Wertermittlung zu berücksichtige sind d.h. sich das Liegenschaftsvermögen um den Betrag der Schulden schmälert.
Ob die Hürde für die Prüfung der Verwandtenunterstützungspflicht fast ausschliesslich wegen vorhandenem Vermögen gekommen werden kann, hängt damit einerseits vom Wert der Liegenschaft und den darauf lastenden Schulden und andererseits vom Alter der allenfalls pflichtigen Person ab ( jährlicher Vermögensverzehr nach Kapitel H.4 SKOS-Richtlinien).
Um im konkreten Fall zu berechnen, ob die finanzielle Hürde zur Prüfung der Verwandtenunterstützungspflicht übersprungen wird, empfehle ich Ihnen deshalb unter Berücksichtigung der Liegenschaft nach Kapitel F.4 und H.4 SKOS-Richtlinien vorzugehen.
Weiter gilt es zu Bedenken, dass nach dem Handbuch Sozialhilfe BKSE Verwandtenunterstützung dann nicht geschuldet ist, wenn die bedürftige Person deshalb in einer Notlage ist, weil sie Ihre eigenen Kinder betreut oder wenn die Verwandtenunterstützungspflicht unbillig erscheint z.B. weil zwischen den Betroffenen Personen jegliche Beziehung fehlt.
Schliesslich gilt es zu bedenken, dass auch dann, wenn die erste Hürde überwunden ist und die Höhe der Verwandtenunterstützung berechnet wird, aufgrund der allenfalls hohen zu berücksichtigenden Ausgaben keine Unterstützungssumme resultieren kann.
Ich hoffe, Ihnen mit dieser Antwort weiterhelfen zu können.
Freundliche Grüsse
Anja Loosli Brendebach