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Vertretung einer vorsorgebeauftragten Person

Veröffentlicht:
22.04.2022
Status:
Beantwortet
Rechtsgebiet:
Kindes- und Erwachsenenschutz

Sehr geehrte Damen und Herren

In einer Beratung zur Erstellung des Vorsorgeauftrags ist eine Frage aufgetaucht. Für deren Beantwortung bin ich Ihnen sehr dankbar.

Ein Vater möchte seinen Sohn als vorsorgebeauftragte Person für alle drei Aufgabenbereiche bestimmen.

Falls Sohn A infolge Abwesenheit (z.B. Ferien) seinen Auftrag für einen gewissen Zeitraum nicht wahrnehmen/ausführen kann, möchte der Vater seinem Sohn A ermöglichen, dass er für diesen Zeitraum die Aufgaben als Vorsorgebeauftragte Person Sohn B übergeben kann.

- Ist dies umsetzbar?

- Sofern diese Möglichkeit besteht, kann dies mittels folgender Formulierung festgehalten werden?

,,Die vorsorgebeauftragte Person ist berechtigt, infolge Abwesenheit für einen zeitlich befristeten und festgelegten Zeitraum seinen Auftrag (oder schriftlich festgehaltene Aufgaben) an Sohn B zu übergeben. Jede Abwesenheit und die Übertragung der Aufgaben wird schriftlich festgehalten''?

Für eine Antwort bin ich Ihnen sehr dankbar.

Frage beantwortet am

Urs Vogel

Expert*in Kindes- und Erwachsenenschutz

Guten Tag

Zu Ihren Fragestellungen folgende Erwägungen:

Gemäss Art. 365 ZGB hat der Vorsorgebeauftragte den Vorsorgeauftrag nach den Bestimmungen über den Auftrag auszuführen. Gemäss herrschender Lehre bedeutet dies, dass die Bestimmungen des Obligationenrechts über den Auftrag sinngemäss anwendbar sind. Dies bedeutet, dass dem besonderen Charakter und Inhalt des Vorsorgeauftrages Rechnung zu tragen ist.

Der Vorsorgeauftrag ist ein höchstpersönliches Recht und es ist daher nicht zulässig jemanden das Recht einzuräumen, eine vorsorgebeauftragte Person zu bezeichnen (FamKomm ESR-Geiser, Art. 365 N 22). Der Vorsorgeauftrag ist daher stets persönlich durch die bezeichnete Person selber auszuüben (BSK ZGB-Jungo, Art. 365 N 11; CHK ZGB-Widmer Blum, Art. 365 N 1; ZK-Boente, Art. 365 N 66). Eine Übertragung aller Aufgaben aus dem Vorsorgeauftrag an einen Dritten ist daher ausgeschlossen. Im Einzelfall gestützt auf Art. 398 Abs. 3 OR jedoch ist die Übertragung einzelner Geschäfte möglich, wenn gewisse Aufgaben die Kompetenzen der beauftragten Person übersteigen. Dann kann es sinnvoll sein, die Besorgung dieser Geschäfte einem Substituten, der über die speziellen Fachkenntnisse verfügt, zu übertragen. Eine solche Substitution ist zulässig, wenn es nötig oder üblich ist oder wenn die Ermächtigung sich aus dem Vorsorgeauftrag ergibt (BSK ZGB-Jungo, Art. 365 N 1; Wohlgemuth, in: FHB Kindes- und Erwachsenenschutz, N 4.35).

Vorliegend nun möchte der Vater seinen Sohn, den er als vorsorgebeauftragte Person bezeichnet, ermächtigen, den Sohn B als Ferienvertretung oder für den Fall allgemeiner Abwesenheit für die vollumfängliche Wahrnehmung der Aufgaben aus dem Vorsorgeauftrag einzusetzen. Aus den obgenannten Ausführungen ist eine solche Delegation der gesamten Aufgaben nicht möglich.

Die auftraggebende Person kann jedoch eine oder mehrere Personen als Vorsorgebeauftragte im Vorsorgeauftrag beauftragen. Im Vorsorgeauftrag ist zu präzisieren, ob die beauftragten Personen nur gemeinsam oder je einzeln (allenfalls beschränkt auf gewisse Aufgaben [z.B. Personen- oder Vermögenssorge]) handeln können (statt vieler: BSK ZGB-Jungo, Art. 360 N 28). Somit kann der Vorsorgeauftraggeber beide Söhne als vorsorgebeauftragte Personen einsetzen und die Ausübung mittels entsprechenden Weisungen im Vorsorgeauftrag regeln. So wäre es meines Erachtens wohl denkbar, dass der zweite Sohn direkt vom Vorsorgeauftraggeber (und nicht vom Vorsorgebeauftragten) im Vorsorgeauftrag für die Abwesenheitsvertretung eingesetzt wird. Das hätte auch zur Folge, dass ihm Rahmen der Validierung des Vorsorgeauftrages der andere Sohn bezüglich seiner Eignung (Art. 363 Abs. 1 Ziff. 3 ZGB) zu überprüfen wäre.

25.4.2022, Urs Vogel

Sehr geehrter Herr Vogel

Vielen Dank für Ihre ausführliche und hilfreiche Antwort.

Die Kurzversion des Vorsorgeauftrags von Pro Senectute hält fest, dass die Ersatzperson im Sinne einer Ersatzordnung beauftragt und bevollmächtigt wird, sofern die vorsorgebeauftragte Person den Auftrag ablehnt oder kündigt.

Dies hat zur Folge, dass die Ersatzperson erst zum Einsatz kommt, wenn die vorsorgebeauftragte Person ihren Auftrag nicht mehr wahrnehmen kann (was ja bei meiner Frage nicht der Fall ist).

Besteht die Möglichkeit (im Zusammenhang mit meiner Frage), dass der Vorsorgeauftrag wie folgt ergänzt werden kann:

,,In Situationen, in welchen mein Sohn A als Vorsorgebeauftragter abwesend ist (infolge Ferien), seinen Auftrag jedoch weiterhin wahrnimmt, kann mich Sohn B bei den nachfolgenden Aufgabenbereichen vertreten:

- Aufgaben im Bereich der Vermögenssorge (wie weiter unten erläutert).''

Anschliessend die Ergänzung oben einfügen, dass Sohn B im Sinne einer Ersatzordnung beauftragt und bevollmächtigt wird (für den Fall, dass Sohn A gänzlich ausfällt).

Weiter unten folgt dann die Beschreibung der Aufgabenbereiche etc.

Für eine erneute Antwort bin ich Ihnen sehr dankbar.

Frage beantwortet am

Urs Vogel

Expert*in Kindes- und Erwachsenenschutz

Ergänzung

Wie in der ersten Antwort ausgeführt ist es meines Erachtens möglich, die Stellvertreung zu regeln, wenn beide Söhne (A + B) als Vorsorgebauftragte eingesetzt werden verbunden mit der Weisung, dass B sein Vertretungsrecht nur dann ausüben kann, wenn A abwesend ist oder definitiv ausfällt oder überhaupt den Auftrag nicht annimmt.

Wie Dritte in der Praxis (insbesondere Banken) dann aber die Berechtigung einer solchen Stellvertretung im Einzelfall überprüfen können, kann ich nicht beurteilen und wird vermutlich zu Schweirigkeiten führen.

Sinnvoller wäre es, wenn schon Vertrauen in die Kompetenz der Söhne vorhanden ist, beide als Vorsorgebeauftragte mit je Einzelberechtigung einzusetzen.

27.4.2022/Urs Vogel