Guten Tag Herr Pärli
Meine Klientin bezieht seit Mai 2020 eine halbe IV-Rente auf Grund einer genetisch bedingten progredienten Nervenerkrankung. Die restlichen 50% ist sie im 1. Arbeitsmarkt angestellt (seit 7 Jahren bei der Firma angestellt). Nun hat sich der Gesundheitszustand in den vergangen Monaten verschlechtert, seit 03.02.21 ist sie 100% AUF. Die med. Abklärungen sind noch am laufen, ein Gesuch an die IV um Rentenerhöhung wurde anfangs April eingereicht.
Nun drängt aber der Arbeitgeber auf eine Entscheidung. Einen schrifttweisen Arbeitsversuch lehnt er er aus zeitlichen und personellen Gründen ab. Ein Pensum weniger als 50% ist nicht möglich. Anfangs Mai ist nun ein round table geplant, leider noch ohne IV, da sie erst einsteigen, wenn die gesundhtliche Verschlechterung durch den RAD bestätigt ist. Der Arbeitgeber drängt auf eine Kündigung.
Ich bin der Meinung, dass der Arbeitger erst nach der gesetzlichen Sperrfrist kündigen kann und dann noch die Kündigungsfrist dazukommt. (also 180 Tage plus drei Monate) und eine Vertragsauflösung auch im gegenseitigen Einvernehmen juristisch nicht möglich ist.
Falls meine Klientin nun aber im 2. Arbeitsmarkt eine Anstellung annimmt (falls die Ärzte mittelfristig von einer 100% AUF ausgehen), kann dann im Interesse meiner Klientin trotzdem eine Vertragsauflösung gemacht werden?
Danke für Ihre Hilfe!
Frage beantwortet am
Kurt Pärli
Expert*in Arbeitsrecht
Sehr geehrte Frau N
Gerne beantworte ich Ihre Frage wie folgt: Ihre Klientin ist im siebten Dienstjahr und geniesst wie Sie richtig erwähnen gestützt auf Art. 336c OR während 180 Tagen Kündigungsschutz. Ob zwei oder drei Monate normale Kündigungsfrist noch hinzukommt, ist abhängig von der vertraglichen Regelung. Nach Gesetz gilt im siebten Jahr eine zweimonative Kündigungsfrist, in vielen Arbeitsverträgen ist aber eine dreimonatige Frist vorgesehen (zum Teil auch durch GAV vorgeschrieben). Ob ihre Klientin während der ganzen 180tägigen Sperrfrist auch Anspruch auf Lohn hat, ist abhängig davon, ob in ihrem Betrieb eine Krankentaggeldversicherungslösung vorhanden ist. Sofern dies nicht der Fall ist, müsste der Arbeitgeber lediglich im Rahmen von Art. 324a OR Lohnfortzahlung leisten, also bloss wenigen Wochen je nach anwendbarer Skala.
Sie erwähnen die Möglichkeit einer Stelle im zweiten Arbeitsmarkt bei einem anderen Arbeitgeber bzw. bei einer entsprechenden Sozialinstitution. Sinnvoll wäre meines Erachtens, wenn die Stelle beim ersten Arbeitgeber behalten werden könnte, ggf. unter Mitwirkung der IV und allenfalls Finananzierung des Lohnes durch die IV. Sie schreiben aber, dass die IV mit ihrer Intervention noch zuwarten will. Das ist eigentlich nicht zielführend, denn auf diese Weise wird ihre Klientin den jetzigen bestehenden Arbeitsplatz allenfalls rascher verlieren.
Sollte Ihre Klientin aber gar nicht mehr beim jetzigen Arbeitgeber bleiben wollen und würde sich eine neue Gelegenheit im zweiten Arbeitsmarkt bieten, kann ihre Klientin selbst ohne weiteres auch während der Krankheit künden. Der Kündigungsschutz nach Art. 336c OR gilt nur bei Arbeitgeberkündigungen. Auch ist es jederzeit möglich, einen Vertrag in gegenseitigem Einverständnis aufzulösen (Aufhebungsvertrag).
Genügen Ihnen meine Ausführungen?
Mit freundlichen Grüssen
Kurt Pärli