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Verrechnung WSH mit EL-Nachzahlung

Veröffentlicht:
26.10.2022
Kanton:
Luzern
Status:
Beantwortet
Rechtsgebiet:
Sozialhilferecht

Guten Tag

Ich führe für Herrn B. eine Beistandschaft.

Herr B. wurde von Sozialhilfe unterstützt. Rückwirkend auf den Februar 2020 wurde eine ganze IV-Rente und teilweise Ergänzungsleistungen gesprochen.

Herr B. hat verschiedene Sozialversicherungsleistungen und Sozialhilfe bezogen. Hier ein kurzer Abriss:

Sozialhilfe
Oktober 2019 bis April 2022 und dann wieder von August 2022 bis Oktober 2022

IV-Rente
Februar 2020 bis 31. August 2021 und dann ab Dezember 2021 bis laufend

IV-Taggeld
September 2021 bis November 2021

Suva-Unfalltaggeld
8. September 2021 bis 30. Juni 2022 (muss der KL teilweise rückerstatten)

EL
Februar 2020 bis August 2021 und dann wieder Juli 2022 bis laufend

Die Suva-Taggelder wurden vom Klienten während der Sozialhilfezeit nicht deklariert.

Die Gemeinde hat den Gesamtenzeitraum der EL (Februar 2020 bis Oktober 2022) als ein Zeitraum genommen und auf dem Verrechnungsantrag die WSH für die ganze Zeit aufgeführt, obwohl sie von Mai 2022 bis Juli 2022 keine Sozialhilfe bezahlt haben und Herr B. von September 2021 bis Juni 2022 keinen EL-Anspruch hatte.

  1. Dürfen die WSH-Zahlungen für die Monate, in welchen kein EL-Anspruch bestand, mit der EL-Nachzahlung für die Monate mit Anspruch verrechnet werden?
  2. Müssten die WSH-Zahlungen ab August 2022 nicht als separater Abrechnungszeitraum angesehen werden, da die WSH im April 2022 eingestellt wurde und es ab August 2022 zu einem neuen WSH-Anspruch kam?
  3. Wie kann dagegegen vorgegangen werden? Einsprache auf den EL-Anmeldungsentscheid?

Vielen Dank für die Unterstützung.

Frage beantwortet am

Melanie Studer

Expert*in Sozialhilferecht

Guten Tag

Danke für Ihre Frage. Gemäss dem Sozialhilfegesetz des Kantons Luzern gilt nach § 38 Abs. 4 folgendes für bevorschusste Leistungen:

«Wirtschaftliche Sozialhilfe, die als Vorschuss im Hinblick auf Leistungen einer Sozialversicherung, einer Privatversicherung, haftpflichtiger Dritter oder anderer Dritter während einer Zeitspanne gewährt wird und für die rückwirkende Leistungen entrichtet werden, ist zurückzuerstatten. Das vorschussleistende Gemeinwesen kann beim Dritten die direkte Auszahlung der rückwirkenden Leistungen in die eigene Kasse verlangen.»

Es wird aber vorausgesetzt, dass die Sozialhilfeleistungen und die nun nachträglich zugesprochenen Leistungen miteinander sowohl zeitlich als auch sachlich übereinstimmen – sie müssen sachlich und zeitlich kongruent sein (Wizent Guido, Sozialhilferecht, Zürich/St. Gallen 2020, N 790). Die sachliche Kongruenz ist vorliegend unproblematisch: wenn die Leistungen rechtzeitig eingetroffen wären, hätten sie angerechnet werden können. Bei der zeitlichen Kongruenz geht es darum, dass die Sozialhilfe und die nun rückwirkend ausbezahlte Leistung, denselben Zeitraum betreffen müssen.

Daraus folgt, dass für Perioden, in denen keine Sozialhilfe geleistet wurde, nun nicht die rückwirkend für diese Periode ausbezahlte EL mit der (ja nicht geleisteten) Sozialhilfe verrechnet werden dürfen. Ebenso wenig ist eine Verrechnung für Perioden gestattet, in denen zwar Sozialhilfeanspruch bestand, aber für die jetzt nicht nachträglich EL geleistet wird. Ziel des Rückforderungsrechts ist ja, dass die Sozialhilfeempfänger*in nicht nachträglich für einen bestimmten Zeitraum doppelt Leistungen bezieht.

Sie gehen also richtig in der Annahme, dass die ganze Sache differenzierter zu betrachten ist und nur für die Monate in denen Sozialhilfe geleistet wurde und nun nachträglich EL gesprochen wurde, eine Verrechnung statthaft ist. Das ergibt sich im Übrigen auch aus den Ausführungen im Luzerner Handbuch unter E. 2.2 («Leistungen von Sozialversicherungen (z.B. IV / ALV) dürfen nur dann mit im Voraus ausgerichteten Sozialhilfegeldern verrechnet werden, wenn die Leistungen der Sozialversicherung und die Sozialhilfegelder denselben Zeitraum betreffen (gleiche Zeitperiode).»)

Konkret ergeben sich daraus folgende Antworten auf Ihre Fragen:

Zu 1. und 3.:

Die Sozialhilfe darf diese Verrechnung nicht vornehmen. Es ist unzulässig, den Überschuss (nach Abrechnung mit der WSH) aus den Monaten, für die EL nachbezahlt wird, Monate des WSH-Bezugs abzurechnen, für die gar keine EL nachbezahlt wird. Dafür bräuchte der Sozialdienst die Einwilligung des Klienten. Dies gilt auch für die Zeit in der ein unrechtmässiger Bezug bestand – also konkret diese Monate, wo das UVG-Taggeld floss und nicht gemeldet wurde. Die Sozialhilfe muss also Überschüsse an den Klienten weiterleiten, und den unrechtmässigen Bezug anderweitig – z.B. mit einer raschen Betreibung – angehen. Jedenfalls kann der Sozialdienst allein mit dem wie von Ihnen geschildert formulierten Verrechnungsantrag keine Rechtsstellung etablieren, die ihr eine solch unzulässige Verrechnung gestatten würde.

Die EL muss dabei die zeitliche Kongruenz überprüfen: somit dürfte die den Juli 2022 betreffende EL nicht an die Sozialhilfe überwiesen werden. Hingegen kann die die übrigen Monate betreffende EL zu Recht an die Sozialhilfe ausbezahlt werden. Zu prüfen, wie die Sozialhilfe dann konkret abrechnet und wie sie bei einem allfälligen Überschuss verfährt, ist meines Erachtens nicht in der Zuständigkeit der EL - wobei dieser Punkt gerichtlich nicht entschieden ist. Würde man die Auffassung vertreten, dass die SH der EL eine punktgenaue Abrechnung als Verrechnungsantrag zu unterbreiten hat, wäre dies vielleicht klarer, jedoch könnte dies die Auszahlung der EL-Nachzahlung verzögern.

Dass diese Frage nicht abschliessend geklärt ist, eröffnet aber eben gerade auch mehrere mögliche Vorgehensweisen für den Klienten, respektive Sie.

Meines Erachtens ist es jedoch empfehlenswert bei der EL zu intervenieren, und darzulegen, dass die zeitliche Kongruenz nicht für die ganze Periode, für die die Sozialhilfe die Verrechnung verlangt, gegeben ist und daher die Auszahlung so nicht erfolgen darf. Sie können dabei entweder verlangen, dass die Auszahlung an die Sozialhilfe erst nach Vorlage einer genauen Abrechnung erfolgt. Die EL betr. Juli 2022 ginge dann entsprechenden an den Klienten. Die übrigen Leistungen dürfen erst an die Sozialhilfe gehen, wenn die Abrechnung der Sozialhilfe gegenüber den Klienten rechtskräftig verfügt wurde und dabei sichergestellt ist, dass die Sozialhilfe zeitlich kongruent abrechnet.

Oder Sie können die Intervention bei der EL darauf beschränken, dass Sie lediglich fordern die Juli-22 EL habe an den Klienten zu gehen und nicht an die Sozialhilfe. Für die restlichen Zahlungen müsste dann die Sozialhilfe korrekt abrechnen. In diesem Punkt könnte dann auch die EL-Verfügung angefochten werden.

Man könnte auch auf eine Intervention bei der EL verzichten und schliesslich die Abrechnungsverfügung der Sozialhilfe genau prüfen und gegebenenfalls eine Einsprache gegen diese Verfügung einreichen, sofern die zeitliche Kongruenz nicht beachtet würde. Aber wie gesagt: eine Intervention bei der EL scheint angebracht.

Zu 2.

Genau, das ist richtig. So wird verhindert, dass der Überschuss der EL aus den Monaten Feb. 20 – Aug. 21 sowie Aug. 22 bis Okt. 22 mit den Monaten Sept. 21 – April 21 verrechnet wird. Ebenso muss die Juli-22-EL ausgeklammert werden.

Ich hoffe, das hilft Ihnen weiter.

Beste Grüsse

Melanie Studer