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Verrechnung von Nachzahlung der IV

Veröffentlicht:
08.03.2017
Status:
Beantwortet
Rechtsgebiet:
Sozialhilferecht

Guten Tag Frau Schnyder
Gerne wende ich mich mit folgender Frage an Sie:
Ein im Kanton Zürich wohnhafter Klient von mir bezog vom 1. April 2013 bis 2. Juni 2016 Sozialhilfe in der Höhe von Fr. 97‘000.-. Nun erhält er rückwirkend für die Zeit vom 26. August 2013 bis 21. August 2015 ein IV-Umschulungstaggeld in der Höhe von Fr. 111‘000. Die Sozialbehörde hat bei der IV-Stelle einen Verrechnungsantrag eingereicht und die gesamte ausgerichtete Sozialhilfe von Fr. 97‘000.- eingefordert (ursprünglich hatte sie das ganze IV-Taggeld beantragt, was aber von der IV-Stelle korrigiert wurde).
Ich dachte, rückwirkend ausgerichtete Sozialversicherungsleistungen dürften nur dann mit im Voraus ausgerichteten Sozialhilfegeldern verrechnet werden, wenn die Leistungen und die Sozialhilfegelder denselben Zeitraum betreffen (Zeitidentität). Das wäre im konkreten Fall doch nur die Sozialhilfe, welche die Sozialbehörde vom 26. August 2013 bis 21. August 2015 an Sozialhilfe ausbezahlt hat? Das wären Fr. 68‘000.-
Darf die Sozialbehörde trotzdem die ganze geleistete Sozialhilfe verlangen?
Vielen herzlichen Dank im Voraus für Ihre Rückmeldung.
Freundliche Grüsse
Julia Hug

Frage beantwortet am

Ruth Schnyder

Expert*in Sozialhilferecht

Sehr geehrte Frau Hug
Gestützt auf § 27 des zürcherischen Sozialhilfegesetzes kann rechtmässig bezogene wirtschaftliche Hilfe zurückgefordert werden, wenn eine unterstützte Person rückwirkend Leistungen von u.a. Sozialversicherungen erhält, und zwar entsprechend der Höhe der in der gleichen Zeitspanne ausgerichteten wirtschaftlichen Hilfe (lit. a).
So macht bereits das kantonale Recht deutlich, dass die Rückforderung nur soweit zulässig ist, als die Nachzahlung den gleichen Zeitraum beschlägt, währenddessen unterstützt wurde (siehe dazu auch das Zürcher Sozialhilfe-Behördenhandbuch Kapitel 15.2 Rückerstattung von rechtmässig bezogenen Leistungen, Ziff. 2 Zeitidentität). Das Zürcher Verwaltungsgericht präzisiert im Urteil VB.2016.00574 vom 14. Dezember 2016 Erw. 2.5, dass bei der Rückerstattung sowohl die sachliche als auch zeitliche Kongruenz zu beachten ist. Zur zeitlichen Kongruenz führt es Folgendes aus: „Aus dem Erfordernis der zeitlichen Kongruenz folgt, dass nachträglich eingehende Leistungen nur dann zu einer Rückforderung von zuvor ausgerichteter Sozialhilfe führen, wenn sie sich auf denselben Zeitraum beziehen. Dabei kommt es nicht darauf an, in welchem Zeitpunkt die Leistung ausbezahlt wurde oder gar in welchem Zeitpunkt sie verbucht wurde, sondern ob sie objektiv für den gleichen Zeitraum geleistet wurde.“ Der Grundsatz der zeitlichen und sachlichen Kongruenz ergibt sich aus dem übergeordneten Bundesrecht, Art. 22 Abs. 2 i.V.m. mit Art. 20 Abs. 2 ATSG des Bundesgesetzes vom 6. Oktober 2000 über den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts (ATSG, vgl. Erw. 2.2 des erwähnten Urteils). Daraus folgt die Vorgabe, dass die Sozialhilfe nur soweit verrechnen darf, als sie Vorschussleistungen für die entsprechende Sozialversicherungsleistung erbracht hat (Ueli Kieser, ATSG-Kommentar 3. Auflage 2015, Art. 22 Rz. 57 mit Verweis auf BGE 131 V 242).
Nach dem Gesagten verhält es sich so - wie Sie richtig ausführen -, dass die Sozialhilfe bei Ihrem Klienten nur jene Unterstützungsleistungen zurückfordern darf, die sie vom 26. August 2013 bis 21. August 2015 erbracht hat. Die davor erbrachte wirtschaftliche Hilfe darf nicht verrechnet werden, da diese keine Vorschussleistung darstellt und somit nicht zeitlich kongruent ist. Soweit die Sozialhilfe für den Verrechnungszeitraum nicht gedeckt wäre, könnte sie dafür Ergänzungsleistungen geltend machen (Art. 20 Abs. 1 der Verordnung vom 15. Januar 1971 über die Ergänzungsleistungen zur Alters-, Hinterlassenen- Invalidenversicherung i.V.m. Art. 67 Abs. 1 der Verordnung über die Alters- und Hinterlassenenversicherung). Dasselbe gilt natürlich auch für Ihren Klienten für den ganzen Nachzahlungszeitraum.
Der Vollständigkeit halber ist zu erwähnen, dass beim IV-Taggeld die sachliche Kongruenz gegeben ist, da dieses die Erwerbseinbusse kompensiert (Eva Slavik, IV-Leistungen: Eingliederung (ohne Hilfsmittel) und Taggelder, in: Recht der Sozialen Sicherheit, Handbücher der Anwaltspraxis, Band XI, Basel 2014, Rz. 20.72, in Bezug auf den Verrechnungsanspruch der Sozialhilfe siehe Rz. 20.76).
Ich hoffe, Ihre Frage damit beantwortet zu haben.
Freundliche Grüsse, Ruth Schnyder

Sehr geehrte Frau Schnyder
Vielen Dank für Ihre Antwort, die mir sehr weiterhilft.
Freundliche Grüsse
Julia Hug