Guten Tag
Ich habe einen Klienten, welchem die Ausgleichskasse Rückforderungen der Ergänzungsleistungen von jeweils Fr. 350.-- monatlich mit seiner 3/4-IV-Rente verrechnet. Da der Klient noch ein hypothetisches Einkommen zu verzeichnen (mtl. Fr. 658.--) verbleiben ihm monatlich lediglich Fr. 444.-- zur Bewältigung der Miete und Lebenskosten. Ist die Verrechnung der Rückforderung mit der IV-Rente rechtens? Kommt dies nicht einer Pfändung gleich?
Vielen Dank für Ihre Bemühungen und Ihre Rückmeldung.
Freundliche Grüsse
Heidi Riedo
Frage beantwortet am
Peter Mösch Payot
Expert*in Sozialversicherungsrecht
Sehr geehrte Frau Riedo
Tatsächlich bestehen hinsichtlich der Verrechnung in der ersten Säule Sonderregeln.
- Gemäss Art. 50 IVG und 20 AHVG sind Rentenansprüche der IV und der AHV der Zwangsvollstreckung entzogen.
- Im Übrigen können aber Rückforderungsansprüche auf EL-Leistungen mit laufenden IV-Renten verrechnet werden (Art. 50 i.V.m. Art. 20 Abs. 2 lit. b ELG). Das gilt auch für Forderungen aus AHVG (z.B. auf Beiträge), nach IVG oder für Rückforderungen von Renten und Taggeldern der Unvallversicherung, der Militärversicherung, der ALV und des KVG (Art. 20 Abs. 2 lit. c AHVG).
- Es stellt sich also die Frage, wie diese Regel, die Verrechnung der Rentenansprüche sei der Zwangsvollstreckung entzogen bedeutet:
Dazu finden sich in Wegleitung über die Renten in der Eidgenössischen Alters-, Hinterlassenen- und Invaliden- versicherung (RWL), Stand 1. Januar 2017, die notwendigen Regeln in Rz. 10919 ff. (siehe https://www.bsvlive.admin.ch/vollzug/documents/index/page:2/lang:deu/category:23)
10919 Die Verrechnung einer Rente bzw. Hilflosenentschädigung ist grundsätzlich nur zulässig, sofern und soweit bei der rückerstattungspflichtigen Person das betreibungsrechtliche Existenzminimum nicht unterschritten wird (ZAK 1983 S. 70).
10920 Zur Bestimmung des betreibungsrechtlichen Existenzminimums (Notbedarf) vgl. 4. Anhänge: Ziffer 4. der Wegleitung über die Beiträge der Selbständigerwerbenden und Nicht-erwerbstätigen (WSN) in der AHV, IV und EO.
10923 Rechtskräftig festgelegte Rückerstattungsforderungen sind innerhalb von fünf Jahren zu vollstrecken. Für die Verre-chenbarkeit nicht erloschener Beitragsforderungen gilt Art. 16 Abs. 2 AHVG.
10924 Die Verrechnung ist der rentenberechtigten Person durch die rentenauszahlende Ausgleichskasse in der Rentenver-fügung oder in einer besonderen Verfügung mit Rechtsmittelbelehrung anzuzeigen. Bei IV-Renten obliegt diese Aufgabe der IV-Stelle, welche für den Erlass der Rentenverfügung zuständig ist.
Im Einsprache- resp. Beschwerdeverfahren stellt die rentenauszahlende der forderungsberechtigten Ausgleichskasse eine Kopie der Einsprache- resp. Beschwerdeschrift zu. Die forderungsberechtigte Ausgleichskasse verfasst daraufhin eine Stellungnahme und stellt diese der rentenauszahlenden Ausgleichskasse zu. - Zum Notbedarf (Existenzminimum) gehören ausser dem persönlichen Grundbetrag der oder des Zahlungspflichtigen und deren bzw. dessen familienrechtlichen Unterhaltspflichten insbesondere auch die Miet- und Heizungskosten, die Sozialabgaben sowie allfällige Berufsauslagen und ungedeckte Krankheitskosten. Für Einzelheiten zur Bestimmung des betreibungsrechtlichen Existenzminimums sind die einschlägigen kantonalen Ansätze und Berechnungsregeln heranzuzie-hen (…). Sie sind bei den entsprechenden Betreibungs- und Konkursämtern zu erfragen, deren Kontaktdaten auf der folgenden Internetseite erhältlich sind: http://www.be-treibung-konkurs.ch/kantone. Ein Beispiel einer kantonalen Richtlinie ist erhältlich unter www.gl.ch/documents/RichtlExMin2009.pdf. Über jene Links sind also genauere Informationen bezüglich Berechnung des BEX verfügbar.
- Vorgehen: Falls hier die Verrechnung verfügt wurde in der IV-Verfügung ist ein entsprechender Einwand rechtzeitig notwendig. Dabei ist geltend zu machen, es sei die Verrechnung herabzusetzen, so dass der Notbedarf im Sinne von Art. 50 IVG geschützt wird. Es ist ratsam, dass die notwendigen Unterlagen und Beweismittel welche den Bedarf der Person, bzw. die Verletzung des Notbedarfs durch den Umfang der Verrechnung ausweisen, eingereicht werden (Mietvertrag etc.; Steuerdaten etc.).
Ich hoffe, das dient Ihnen.
Peter Mösch Payot