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Verrechnung noch offener AHV-Beiträge mit IV-Nachzahlungen (bei Sozialhilfebezug)

Veröffentlicht:
08.07.2025
Kanton:
Schwyz
Status:
Beantwortet
Rechtsgebiet:
Sozialversicherungsrecht

Wir haben einen Klienten, welcher seit dem 1. Juni 24 WSH bezieht. Er erhält rückwirkend ab 1. Oktober 2024 eine IV-Rente.

Gemäss Verfügung der Rentenleistungen, wird die gesamte Nachzahlung mit den offenen AHV-Beiträgen für Selbständigerwerbende verrechnet.

Aus unserer Sicht ist dies nicht zulässig.

Die Ausgleichskasse argumentiert bezugnehmend auf die Wegleitung über die Renten (RWL) und dem BGE 141 V 139.

Frage beantwortet am

Peter Mösch Payot

Expert*in Sozialversicherungsrecht

Guten Tag. Entschuldigen Sie die Wartezeit. Es beruht auf einem Missverständnis. 

Tatsächlich ist es zulässig, dass die Ausgleichskasse Rentenleistungen der IV mit Beitragszahlungen der AHV verrechnet. Allerdings hat sie einige Rahmenbedingungen zu beachten. Insb. das aktuelle betreibungsrechtliche Existenzminimum der betroffenen Person. Im Einzelnen gilt Folgendes:

Grundlage dafür sind Art. 20, Art. 15 und Art. 16 AHVG ; siehe auch die Rentenwegleitung RWL (Stand 1.1.2025), Rz. 10217ff.)

Für eine Verrechnng von Rentenansprüchen der IV mit Beitragsforderungen bestehen aber einige Voraussetzungen, deren Vorliegen für einen Fall, wie den vorliegenden, geprüft werden sollten. Möglich ist ein Rechtsmittel (Einsprache) gegen die entsprechenden Verrechnungsverfügung, welche die IV-Stelle, bzw. die Ausgleichskasse bei einer Verrechnung mit fälligen Beiträgen vornehmen muss (vgl. RWL (Stand 1.1.2025, Rz.1027). Sollte keine Verfügung erfolgt sein, ist eine solche zu verlangen .Alles andere wäre eine Rechtsverweigerung.

Fällige Leistungen sind unter folgenden Bedingungen mit Forderungen verrechenbar: 

- Die Forderung muss einer Ausgleichskasse zustehen. Egal, welche Ausgleichskasse das ist. 

- Die Beitragsforderung muss sich gegen die leistungsberechtigte Person persönlich richten oder in einem engen versicherungsrechtlichen Zusammenhang zur Rente oder Hilflosenentschädigung stehen. Von einer rentenberechtigten Person persönlich oder infolge Erbgangs geschuldeten Beiträge und Rückerstattungen gehören auf jeden Fall dazu und können mit ihrer Rente verrechnet werden. Sollte es um Beiträge verstorbener Ehegatten gehen, vgl. im Einzelnen die RWL, Rz. 10199 (https://sozialversicherungen.admin.ch/de/d/6857/download)

- Die Beitragsforderung muss fällig und unverjährt sein. Beitragsforderungen, die bei der Entstehung des Rentenanspruches noch nicht erloschen sind, können in jedem Falle noch mit der Rente verrechnet werden (vgl. Art. 16 Abs. 2 AHVG). 

- Verschiedenste Forderungen können zur Verrechnung gebracht werden mit Renten: So AHV-, IV-, EO-, ALV- oder FL-Beiträge aller Art (laufende, nachzuzahlende und abgeschriebene Beiträge, Verwaltungskostenbeiträge, Verzugszinsen). Aber auch auf Rückforderungen von Leistungen der AHV, IV und EO, soweit sie nicht erlassen worden sind; Rückforderungen von Ergänzungsleistungen gemäss ELG; Rückforderung von Renten und Taggeldern der obligatorischen Unfallversicherung, der Militärversicherung, der Arbeitslosenversicherung und der vom Bund zugelassenen Krankenkassen; Beiträge und Leistungsrückzahlungen gemäss dem Bundesgesetz über die Familienzulagen in der Landwirtschaft sowie Mahngebühren, Veranlagungskosten, Betreibungskosten, Ordnungsbussen; – Schadenersatzansprüche der Ausgleichskassen (Art. 52 AHVG). 

Zu beachten ist aber insb. der Umfang der Verrechnung: Die Verrechnung einer Rente bzw. Hilflosenentschädigung ist grundsätzlich nur zulässig, sofern und soweit bei der rückerstattungspflichtigen Person das betreibungsrechtliche Existenzminimum nicht unterschritten wird (vgl. dazu RWL Rz. 10212). Auf diesen Punkt ist besonders zu achten, weil ihn die Ausgleichskassen gelegentlich vergessen.

Zur Bestimmung des betreibungsrechtlichen Existenzminimums (Notbedarf), der hier beachtet werden muss  WSN (Stand 1.1.2025), Rz. 3032ff. (https://sozialversicherungen.admin.ch/de/d/6954/download):

Das Existenzminimum ist nach den Regeln des Schuldbetreibungsrechts abzuklären. Zum Notbedarf (Existenzminimum) gehören also ausser dem persönlichen Grundbetrag des Zahlungspflichtigen und deren bzw. dessen familienrechtlichen Unterhaltspflichten insbesondere auch die Miet- und Heizungskosten, die Sozialabgaben sowie allfällige Berufsauslagen und ungedeckte Krankheitskosten. Für Einzelheiten zur Bestimmung des betreibungsrechtlichen Existenzminimums sind die einschlägigen kantonalen Ansätze und Berechnungsregeln heranzuziehen. Sie sind bei den entsprechenden Betreibungs- und Konkursämtern zu erfragen, deren Kontaktdaten auf der folgenden Internetseite erhältlich sind: www.betreibung-konkurs.ch/kantone/189.

Nicht zu diesen Verpflichtungen des täglichen Lebens gehören indessen – so wenig wie Steuerschulden – die noch offenen Beitragsschulden. Passivzinsen (dazu gehören auch solche für beruflich begründete Schulden) dürfen nicht in die Berechnung des Existenzminimums einbezogen werden, zumal sie nicht mit lebensnotwendigen Gütern und auch nicht mit einer selbstbewohnten Liegenschaft in Zusammenhang stehen.

Nur bei Nachzahlungen von Leistungen und Verrechnungen von Leistungsrückforderungen ist das betreibungsrechtliche Existenzminimum nicht zu beachten, wenn die nachzuzahlende Rente lediglich eine in der früheren Periode geleistete Rente ersetzt und sich beide gegenseitig ausschliessen (z.B. Verrechnung einer Zusatzrente der AHV mit einer Invalidenrente, BGE 138 V 402). Bei der Verrechnung mit Beitragsforderungen ist die Verrechnung aber beachtlich. 

Rechtskräftig festgelegte Rückerstattungsforderungen sind dabei innerhalb von fünf Jahren zu vollstrecken. Bei Beginn der Rente bestehende Betragsforderungen können unabhängig von Verjährungsregeln  noch verrechnet werden (vgl. Art. 16 Abs. 2 AHVG).

Die Verrechnung (vgl. RWL (Stand 1.1.2025, Rz.1027) ist der betroffenen Person per Verfügung anzuzeigen und kann bei Bedarf mit einer Einsprache zur Überprüfung gebracht werden.  

Ich hoffe, das dient.

Peter Mösch Payot