Guten Tag
eine Sozialhilfe-Klientin von mir arbeitet an einem Kiosk. Im Sommer fiel sie am Arbeitsplatz auf einen Telefonbetrug hinein und tätigte eine Zahlung über CHF 2500.00.
Der Arbeitgeber verrechnet diesen Schaden jetzt unter "Schadenersatz" in Raten mit dem Lohn. Die Klientin verfügt nicht über genug Einkommen zur Deckung des Existenzmimimums und braucht ergänzende Sozialhilfe.
Frage:
ist es richtig, dass die Mitarbeiterin für den Schaden privat haftbar gemacht wird?
Ist die Verrechnung der Rückforderung mit dem laufenden Lohn zulässig?
Frage beantwortet am
Kurt Pärli
Expert*in Arbeitsrecht
Guten Tag
gerne beantworte ich Ihre Frage wie folgt:
Nach Art. 321e OR hat die Arbeitgeberin grundsätzlich Anspruch auf Ersatz des Schadens, den der Arbeitnehmer ihr vorsätzlich oder fahrlässig zufügt.
Wann liegt Fahrlässigkeit vor?
Fahrlässig handelt der Arbeitnehmer, wenn er die nach den Umständen gebotene Sorgfalt ausser Acht lässt. Das Mass der Sorgfalt bestimmt sich nach dem Berufsrisiko, dem Bildungsgrad oder der Fachkenntnisse sowie den Fähigkeiten und Eigenschaften des Arbeitnehmers, die der Arbeitgeber gekannt hat oder hätte kennen sollen (Art. 321e Abs. 2 OR). Nach Gerichtspraxis und Lehre hat ein Arbeitgeber keinen Anspruch auf Schadenersatz, wenn der Schaden die Folge eines typischen Betriebsrisikos darstellt (z.B. wenn bei der Arbeit eines Kellners - in Massen - Geschirr kaputt geht).
Wie Sie schreiben, fiel ihre Klientin auf einen Telefonbetrug herein. Der Sachverhalt lässt sich unter "typisches Betriebsrisiko" subsumieren. Ihre Klientin schuldet der Arbeitgeberin deshalb den Ersatz des eingetretenen Schadens von 2500 Franken.
Zur Frage der Verrechnung der Forderung des Arbeitgebers mit der Lohnforderung des Arbeitnehmers:Eine Verrechnung einer Forderung mit einer Gegenforderung ist nach Art. 120 OR grundsätzlich zulässig. Das Gesetz sieht zum Schutz des Arbeitnehmers aber Grenzen vor.
Art. 323b Abs. 2 OR bestimmt, dass die Arbeitgeberin Gegenforderungen mit dem Lohn nur soweit verrechnen darf, als dieser pfändbar ist. Unbeschränkt verrechnet werden dürfen nur Ersatzforderungen für absichtlich zugefügten Schaden. Eine Ausnahme besteht also insoweit, als die Arbeitgeberin bei vom Arbeitnehmer absichtlich zugefügtem Schaden ihre Forderung auch dann mit dem Lohnanspruch verrechnen, wenn sie dadurch in das Existenzminimum des Arbeitnehmers eingreift. Gemäss Ihrem Sachverhalt liegt keine Absicht der Mitarbeiterin vor.
Kurz gut: Die Verrechnung des Schadenersatzes mit der Lohnforderung ist zulässig, aber nur bis zur Schranke des betreibsrechtlichen Existenzminimus (siehe dazu:https://www.schuldeninfo.ch/materialien.html#bem )
Genügen Ihnen diese Auskünfte? Mit Dank für die Kenntnisnahme und freundlichen Grüssen
Kurt Pärli