Guten Tag
Eine Person bezieht wirtschaftliche Sozialhilfe im Hinblick auf IV-Rente und EL. Die IV spricht rückwirkend ab 01.10.2019 eine Viertelsrente zu. Die EL wird im April 2022 ebenfalls rückwirkend ab 01.10.2019 zugesprochen. Allerdings rechnet die EL im Zeitraum 08/2020 bis 10/2021 ein hypothetisches Einkommen auf.
Die Nachzahlung der EL erfolgt vollständig an den Sozialdienst; Für die Zeitperiode 10/2019 bis 07/2020 entsteht daraus ein Überschuss von ca. CHF 8'000.-. Für die Zeitperiode 08/2020 bis 10/2021 entsteht wegen der Anrechnung des hyp. Einkommens kein Überschuss, sondern ein Defizit von ca. CHF 10'000.- zu Lasten der Sozialhilfe. Ab 11/2021 bis zur Ablösung im April 2022 entsteht erneut ein Überschuss.
Wie muss nun eine korrekte Verrechnung bzw. Abrechnung der Sozialhilfe erfolgen? Müssen die obengenannten Zeitperioden etappiert werden, bzw. die Überschüsse separat ausgerechnet werden und der Person ausbezahlt? Oder wird die gesamte Nachzahlungsperiode 10/2019 bis 04/2022 als einzelne Abrechnungsperiode betrachtet?
Freundliche Grüsse
Frage beantwortet am
Melanie Studer
Expert*in Sozialhilferecht
Guten Tag
Besten Dank für Ihre Frage, die ich gerne wie folgt beantworte.
Gem. Art. 40 Abs.3 des Sozialhilfegesetztes des Kantons Bern (BSG 860.1) sind Personen, die im Hinblick auf bevorstehende Leistungen Dritter wirtschaftliche Hilfe bezogen haben, sind zu deren Rückerstattung verpflichtet, sobald die Ansprüche realisiert werden können.
Vorausgesetzt ist, dass die Sozialhilfeleistungen und die nun nachträglich zugesprochenen Leistungen miteinander sowohl zeitlich als auch sachlich übereinstimmen – sie müssen sachlich und zeitlich kongruent sein (Wizent Guido, Sozialhilferecht, Zürich/St. Gallen 2020, N 790). Die sachliche Kongruenz ist vorliegend unproblematisch: beide Leistungen sind für den Lebensunterhalt gedacht. Bei der zeitlichen Kongruenz geht es darum, dass die Sozialhilfe und die nun rückwirkend ausbezahlte Leistung, denselben Zeitraum betreffen müssen.
Ich gehe aufgrund Ihrer Sachverhaltsschilderung davon aus, dass die nun rückwirkend gewährten Leistungen nur den Zeitraum betreffen, während dem die Klientin auch wirtschaftliche Hilfe bezogen hat. Ginge der EL Anspruch noch weiter zurück als der Unterstützungsbeginn, wären diese Leistungen direkt an den Klienten weiterzuleiten.
Für die Periode, in der die zeitliche Kongruenz gegeben ist – also die EL wird für einen Zeitraum ausgerichtet, in dem Sozialhilfe beansprucht wurde, ist es gemäss den Erläuterungen unter dem Stichwort «Rückerstattung» im Handbuch der BKSE «nicht erforderlich, jeden Monat oder jedes Jahr einzeln abzurechnen. Eine Etappierung des Zeitraums (z.B. in Kalenderjahre) wird nur dann vorgenommen, wenn innerhalb des Nachzahlungszeitraums Unterbrüche in der Unterstützung vorliegen.» (Siehe https://handbuch.bernerkonferenz.ch/stichwoerter/stichwort/detail/rueckerstattungspflicht/ unter 5.5.1).
Das hiesse grundsätzlich, sie könnten die ganze Zeit als eine Abrechnungsperiode betrachten und haben dem Klienten den Überschuss auszubezahlen, der sich aus der ganzen Periode (Oktober 2019 bis April 2022) ergibt. In der vorliegenden Konstellation führt dies aber zum Resultat, dass der Überschuss aus der Zeit, in der kein hypothetisches Einkommen angerechnet wird, die Unterdeckung für die Zeit, in der ein hypothetisches Einkommen angerechnet wurde, herangezogen wird. Ich habe zu dieser konkreten Konstellation keine Rechtsprechung gefunden – allerdings interpretiere ich die Berechnungsbeispiele zur Drittauszahlung der EL in der Wegleitung über die Ergänzungsleistungen (WEL) so, dass auch hier davon ausgegangen wird, eine gesamthafte Betrachtung sei zulässig, solange nicht für Perioden, in denen kein Sozialhilfeanspruch bestand, die EL verrechnet wird. Insbesondere der Sachverhalt 2 im Anhang 16.2 in der WEL auf S. 322 zeigt dies: es kann der ganze Zeitraum als Ganzes betrachtet werden, selbst wenn in gewissen Monaten der Sozialhilfeanspruch grundsätzlich höher war als derjenige auf EL. Entsprechend tiefer wird der Betrag, der als Überschuss dem Klienten auszurichten ist.
Zudem ist bei der Auszahlung eines Überschusses zu prüfen, ob sich daraus eine weitere Rückerstattungsforderung der Sozialhilfe aus Einkommen ergibt (gem. Art. 40 Abs. 1 SHG in Verbindung mit Art. 11b der Sozialhilfeverordnung des Kantons Bern; siehe auch dazu den Verweis im oben erwähnten Eintrag im BKSE Handbuch). Wobei mir aufgrund der von Ihnen erwähnten Beträge eher unwahrscheinlich scheint, dass dies diesbezüglichen Einkommensschwellen überschritten werden.
Ich hoffe, das hilft Ihnen so weiter.
Beste Grüsse
Melanie Studer